Lesung in der Villa Godesberg Erinnerung an Haile Selassie

BAD GODESBERG · Der Prinz aus dem äthiopischen Kaiserhaus kam bescheiden im Anzug. Stellte seine vorzüglichen Manieren unter Beweis, indem er Friederike Sträter, der Dame des Hauses, formvollendet die Hand küsste, und setzte sich dann mit Moderator Felix Mauser in den Erkersaal der Villa Godesberg.

Prinz Asfa-Wossen Asserate, der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie, beehrte das Festival "Literatur in den Häusern der Stadt", was die Villa vor Andrang fast zum Bersten brachte.

Und dann stellte sich der heutige Unternehmensberater mit dem blauen Blut im Gespräch als ein ungemein freundlicher und eloquenter Herr heraus, der natürlich seine druckfrische Biografie des berühmten Großonkels mitgebracht hatte.

"Ich sehe es als Fügung an, dass Sie heute zum 65. Geburtstag unseres hier in Bonn verabschiedeten Grundgesetzes bei uns sind. Der erste Staatsgast der Bonner Republik war nämlich Ihr kaiserlicher Großonkel", wandte sich Gastgeberin Sträter an die Exzellenz.

Die revanchierte sich gerne und sprach auch von ihrer großen Liebe zu Deutschland. Der 1948 in Addis Abeba geborene Prinz studierte Geschichte und Jura in Tübingen und Cambridge und promovierte in Frankfurt.

Die Revolution in Äthiopien verhinderte die Rückkehr. Er blieb. "Ich habe meinem deutschen Kindermädchen viel zu verdanken: die erste deutsche Fibel und damit die Sprache und die Liebe zu Vanillekipferln", hatte Prinz Asfa-Wossen Asserate schnell die Lacher auf seiner Seite.

Um dann natürlich zum letzten christlichen Kaiser Äthiopiens zu kommen, dem augenscheinlich auch in der Großfamilie übermächtigen Haile Selassie. Der habe so viel für sein Land getan und gleichzeitig dann so viele Fehler begangen, bekannte der Großneffe nun in geschliffenen Worten.

Der Mann ist Bestseller-Autor. Sein Knigge "Manieren" wurde von der Kritik gefeiert. "Draußen nur Kännchen. Meine deutschen Fundstücke", eine Hommage an Deutschland aus der Sicht eines Zugereisten, hielt den Deutschen augenzwinkernd den Spiegel vor die Nase.

Nun also die Biografie "Der letzte Kaiser von Afrika", die er in jugendlichem Drang schon 40 Jahre vorher habe schreiben wollen, die er aber glücklicherweise erst 40 Jahre später schrieb: um der Objektivität willen.

Ein unnahbarer Herrscher sei Haile Selassie auch privat gewesen, las der Sprössling nun. Nur einmal habe er den Souverän ungeschützt persönlich erlebt: als der sich die Ärmel hochkrempelte und die Verwandtschaft beim Billardspiel allesamt schachmatt setzte.

Ein einziges Mal habe der Großonkel, der 1974 gestürzt wurde, das politische Gespräch mit ihm, dem in Deutschland Studierenden, gesucht, setzte Asfa-Wossen Asserate fort: als der "Macchiavelli auf Äthiopisch" ihn zwang, die bei einem Deutschland-Besuch kursierenden Flugblätter empörter Demonstranten zu übersetzen.

Lange habe er rumgedruckst, schilderte der Prinz die pikante Szene. Und dann doch Wort für Wort vom "Kampf gegen den Imperialismus" gelesen, was mit der Forderung endete: "Geh nach Hause, Kaiser, und gib deinem Volk zu essen."

Seine Hoheit sei selbstverständlich "not amused" gewesen. Schließlich gab sein Großneffe aber den erstaunten Besuchern noch eine Bitte auf den Weg: nämlich den heutigen Asylanten in Deutschland die Integration zu erleichtern. "Lassen Sie sie vom ersten Tag an die deutsche Sprache lernen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort