Zeitzeugen-Spaziergang durch die Amerikanische Siedlung Erinnerungen an das "Golden Ghetto"

PLITTERSDORF · Ein gemeinsames Ziel bringt ganz verschiedene Leute zusammen: Rolf Fischer, pensionierter Schulleiter, eher mathematisch orientiert und einer der neuen Wohnungseigentümer in der Amerikanischen Siedlung, und Don Jordan, ein Mann der Sprache, amerikanischer Journalist und exzellenter Kenner des Lebens in "Klein Amerika". Der eine ist Vorsitzende der Bürgerinitiative "Rettet die Amerikanische Siedlung Plittersdorf" (RASP), der andere unterstützt die heutigen Bewohner als Zeitzeuge mit Vorträgen über die Geschichte einer Anlage, die einzigartig in Deutschland ist.

 Beim Spaziergang tauschen sich Rolf Fischer (links), Vorsitzender der Bürgerinitiative "Rettet die Amerikanische Siedlung Plittersdorf", und der amerikanische Journalist Don Jordan über die Geschichte der Siedlung aus.

Beim Spaziergang tauschen sich Rolf Fischer (links), Vorsitzender der Bürgerinitiative "Rettet die Amerikanische Siedlung Plittersdorf", und der amerikanische Journalist Don Jordan über die Geschichte der Siedlung aus.

Foto: Bettina Köhl

Bei einem Rundgang durch die weitläufigen Grünflächen kommt Don Jordan schnell ins Erzählen. Sein Vater Henry Paul Jordan war deutscher Diplomat und hatte 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten den Dienst quittiert. Die deutschstämmige, aber zugleich sehr amerikanische Familie lebte in New York, als Konrad Adenauer den Vater 1952 zurück in den diplomatischen Dienst holte. Frau und Kinder durften amerikanische Staatsbürger bleiben.

Bei seinem ersten Deutschlandaufenthalt von 1952 bis 1955 hatte Don Jordan, der sich gleich den Pfadfindertreffen im Keller der amerikanischen Kirche anschloss, viele Freunde, die in der luftigen Neubausiedlung mit den breiten Betonstraßen wohnten. "Die großen Küchen mit den Kühlschränken haben mich fasziniert", erinnert sich der 74-Jährige. Er war als Elfjähriger in eine Stadt gekommen, in der es Kriegsruinen gab und jedes zweite Haus noch Einschusslöcher trug. "In der damaligen Zeit war das hier eine Insel der Glückseligkeit innerhalb eines halb zerstörten Bonn. Man kam hier hin, um Luft zu schnappen."

An Spaziergänge durch die Siedlung kann sich auch Rolf Fischer, Jahrgang 1946 und in Bonn aufgewachsen, erinnern. "Es war wirklich eine andere Welt. Wir wohnten damals in einer Altbauwohnung in der Innenstadt und hatten keinen Kühlschrank, kein Badezimmer und keine Waschmaschine." In Plittersdorf gab es nicht nur amerikanische Straßenkreuzer zu sehen, sondern auch das bunte Spielzeug der amerikanischen Kinder. "Manchmal ist es für mich heute noch unwirklich, dass ich hier wohne", sagt Fischer.

Er und seine Frau hatten der Vebowag vor vier Jahren eine Wohnung in der Amerikanischen Siedlung abgekauft, um im Ruhestand aus Kerpen zurück nach Bonn zu ziehen. Der großzügige Schnitt der Wohnung, die Grünflächen und der Denkmalschutz spielten bei der Entscheidung eine wichtige Rolle. Seit 2014 Nachverdichtungs-Skizzen der Vebowag bekannt wurden, setzt Fischer sich für den dauerhaften Erhalt der Siedlung ein. Die Vebowag hat sich laut Vorstand Michael Kleine-Hartlage von der Nachverdichtung verabschiedet. Die Initiative hätte dazu aber gerne eine Zusage "in rechtsverbindlicher Form".

Aktuell dreht sich die Diskussion um den Kindergarten, der seit Monatsbeginn leersteht. Beim Rundgang sind beide Männer entsetzt, dass am Gebäude bereits Vandalismusschäden zu sehen sind. Zwei Bretter wurden aus der Fassadenverkleidung gebrochen. Laut einem von der Vebowag in Auftrag gegebenen Gutachten befindet sind das Gebäude bereits in einem schlechten bis desolaten Zustand und kann nur noch abgerissen werden.

"Wir Bürger sind nicht gegen einen Kindergarten", sagt Fischer. Er fordert aber Rücksicht auf den Denkmalschutz der Siedlung und die direkten Anwohner. "Der Kindergarten sollte außerdem künftig für die umliegende Bevölkerung zur Verfügung stehen", findet der RASP-Vorsitzende.

Jordan kennt die Siedlung nicht nur aus seiner Schulzeit. 1966 kehrte er als Journalist nach Bonn zurück. Er berichtete in den folgenden Jahrzehnten für Voice of America, CBS News, The Guardian und die Deutsche Welle. Natürlich war er auch Mitglied des Amerikanischen Clubs, bis dieser mit dem Wegzug der US-Botschaft geschlossen wurde. Gut erinnert er sich an Ereignisse wie den Besuch von Präsident Lyndon B. Johnson, der 1967 zur Beerdigung Konrad Adenauers anreiste und in einer der Residenzen am Rhein übernachtete. "Er hat seine eigene Klobrille und seine philippinischen Köche für das Barbecue mitgebracht", sagt Jordan.

Die Siedlung spielte aber nicht nur zu Staatsbesuchen eine Rolle in den amerikanischen Medien. Jordans Kollegen berichteten immer wieder im Sommerloch über das Leben im "Golden Ghetto", das sogar einen Kammerjägerservice bot, weil mit den Möbelcontainern regelmäßig Kakerlaken aus den USA einreisten. Jordan mochte das Kino, das 2002 abgerissen wurde. Mickey Rourke oder Elvis Presley wollte er einfach im Original hören. Viele kleine und große Geschichten führen dazu, dass der Journalist heute sagt: "Es gibt bestimmte Plätze auf der Welt, die man nicht verändern sollte. Diese Siedlung gehört dazu."

Es gibt viele Geschichten, aber wenig Bilder aus der Zeit bis zum Wegzug der Amerikaner. Wer hat historische Fotos? Schreiben Sie per E-Mail an godesberg@ga.de.

OB-Kandidaten zu Gast

Drei Bonner Oberbürgermeister-Kandidaten sind im August zu Gast in der Amerikanischen Siedlung. Peter Ruhenstroth-Bauer (SPD) kommt am Dienstag, 4. August, um 17 Uhr in die Stimson Memorial Chapel. In den räumen der Kirche bietet auch Tom Schmidt (Grüne) am Dienstag, 11. August, um 17 Uhr sein Bürgergespräch an. Ashok-Alexander Shridharan (CDU) kommt am Freitag, 14. August, um 17 Uhr zur Bushaltestelle an der Ecke Steubenring/Kennedyallee.

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