Brand in Mehrparteienhaus in Rüngsdorf „Viele Nachbarn haben geschrien“

Rüngsdorf · Die Feuerwehr hat 29 Menschen bei einem Brand in Bonn-Rüngsdorf gerettet. Die Anwohner sind nun in einer Notunterkunft untergebracht und schildern die dramatische Nacht. Währenddessen haben Brandermittler ihre Arbeit aufgenommen.

 Die Brandermittler untersuchen am Donnerstag vor allem die Spuren im Freien. Die Hitze im Keller ist immer noch zu stark.

Die Brandermittler untersuchen am Donnerstag vor allem die Spuren im Freien. Die Hitze im Keller ist immer noch zu stark.

Foto: Axel Vogel

Die wolkenartigen Gebilde auf der blätterbedeckten Wiese fallen als Erstes ins Auge – Löschschaum. Das Haus selbst, aus dem die Bonner Feuerwehr in der Nacht zuvor 29 Menschen gerettet hat, sieht dagegen erstmal unscheinbar aus. Der Brandgeruch, der bald in die Nase steigt, zeugt aber von dem, was sich in der Nacht zu Donnerstag im Keller und den drei Etagen darüber abgespielt hat.

Gegen 2.45 Uhr haben Anwohner Polizei und Feuerwehr über den Kellerbrand in der Clara-Wieck-Straße informiert. Wegen der Örtlichkeit sei seinen Leuten direkt klar gewesen, dass man mit Drehleitern wenig hätte ausrichten können, sagt Jörg Schneider, Pressesprecher der Feuerwehr Bonn. Denn die Zufahrtstraße ist eng, links und rechts parken auch am Tag danach Autos, der Wendehammer wird damit zur Makulatur. Zweites Problem für die Einsatzkräfte: Das betroffene Haus Nummer 15 liegt in der zweiten Reihe.

Das Treppenhaus stand als Fluchtweg nicht zur Verfügung

Die Bewohner stehen schon an den Fenstern und auf ihren Balkonen, als die ersten Feuerwehrautos in Rüngsdorf eintreffen. „Viele Nachbarn haben geschrien“, erzählt Benjamin Kasongo. Kurz zuvor hat ihn sein Rauchmelder geweckt. Schnell zieht er sich an, will raus und macht die Wohnungstür direkt wieder zu. Alles voller Rauch, das Treppenhaus scheidet als Fluchtweg aus. „Ich hab‘ gedacht, ich bin im falschen Film, aber man muss ja ruhig bleiben in so einer Situation“, sagt Kasongo, der im Obergeschoss lebt.

Die Wohnung von Rouabhi Hechem und seiner Familie liegt im Erdgeschoss und damit direkt über dem Brandherd. „Die Kinder waren völlig aufgelöst, meine Frau ist im siebten Monat schwanger und konnte nicht gut atmen“, sagt Hechem. Sie zählt zu den ersten, die die Feuerwehr über tragbare Leitern rettet. „Diese haben wir auf jedem Einsatzwagen“, erklärt später Frank Frenser, ebenfalls Sprecher der Feuerwehr.

Und da neben der Berufsfeuerwehr immer mehr Kräfte der Freiwilligen Einheiten aus Bad Godesberg, Kessenich, Dottendorf, Mehlem, Oberkassel, Lengsdorf und Röttgen angefordert werden, stehen ausreichend Leitern zur Verfügung. Die Brandbekämpfung stellen die 90 Feuerwehrleute erstmal hintenan, um die Menschen schnell aus dem völlig verrauchten Haus zu bekommen. Fünf Rettungswagen, zwei Notärzte und ein Leitender Notarzt stehen ebenfalls bereit.

90 Feuerwehrleute waren im Einsatz

„Fünf Menschen haben wir mit höchster Priorität gerettet“, so Frenser. Neben Hechems Frau nach GA-Informationen auch einen Asthmakranken aus der zweiten Etage. Sie kommen mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus, drei müssen laut Polizeisprecher Robert Scholten auch am Donnerstag noch bleiben. Die restlichen 24 Bewohner steigen ebenfalls alle über Leitern ins Freie. Sie verbringen die erste Zeit in einem Stadtwerkebus in der Nähe, bevor sie das Bonner Sozialamt in eine Notunterkunft nach Pützchen bringen lässt. 40 Leute sind im Haus gemeldet, nicht alle waren in der Nacht in ihren Wohnungen. Zur Sicherheit sucht die Feuerwehr unter Atemschutz das verqualmte Treppenhaus ab, denn: „Wenn Bewohner diesen Weg gewählt hätten, hätten sie höchstwahrscheinlich nicht überlebt“, sagt Frenser.

Als alle in Sicherheit sind, kümmert sich die Feuerwehr um den Keller und entscheidet schnell, diesen mit Schaum zu fluten. Denn da das Feuer lange unentdeckt geblieben ist, ist die Wärmeentwicklung und damit -Belastung immens. Zudem fallen den Einsatzkräften starke Risse im Gebäudesockel und der Außenwand auf, die vermutlich von der hohen Wärmeentwicklung im Bereich des Kellers herrühren. „Da wir die Situation auf die Schnelle nicht ausreichend beurteilen konnten, war der Löschschaum für unsere Leute der sicherere Weg.“ Zum einen kühle er das Feuer ab, zum anderen werde Letzterem der Sauerstoff entzogen.

Was im Keller warum brannte, untersuchen jetzt die Experten. Kasongo und Hechem erzählen, das Mehrparteienhaus sei generell in einem schlechten Zustand, im Keller hätten offene Kabel gelegen, es regne dort unten hinein. „Und die Vonovia tut nichts“, kritisieren beide das Bochumer Wohnungsbauunternehmen. Dessen Sprecherin Bettina Benner weist diese Darstellung auf Anfrage zurück.

Das Haus stammt aus dem Jahr 1956

Die Vonovia sei zunächst erleichtert, dass niemand ernsthaft verletzt worden ist. Es gebe zwölf Wohnungen in dem Haus, das aus dem Jahr 1956 stammt. Aktuell sei es nach dem Brand unbewohnbar. „Wir haben leider keine Möglichkeit, den Menschen Ersatzunterkünfte aus dem eigenen Bestand anzubieten, da wir alle freien Wohnungen den Flutopfern angeboten haben“, sagt Benner. Man kümmere sich aber um andere Alternativen. So teilt die Stadt Bonn am Nachmittag auf Anfrage mit, dass der zuständige Ansprechpartner bei der Vonovia bereits mit dem Rheinhotel Dreesen eine Vereinbarung getroffen habe, die Mieter dort vorübergehend unterzubringen. Benner kündigt an, dass bei weiteren Begehungen des Brandhauses durch die Polizei auch ein Schreiner, Elektriker sowie der Objektbetreuer des Unternehmens dabei sein würden.

Laut Isabel Klotz vom städtischen Presseamt ist trotzdem aktuell ist nicht absehbar, wie lange die aufgenommenen Personen in der städtischen Unterkunft bleiben werden. Derzeit betreut das Sozialamt die Bewohner. „Darüber hinaus ist es für die betroffenen Personen wichtig, persönliche Sachen aus den Wohnungen herausholen zu können“, so Klotz. Entscheidend dafür seien die Einschätzungen der Fachleute wie Feuerwehr und Statiker. Die Stadt will ebenfalls helfen bei einer eventuell notwendigen dauerhaften anderweitigen Unterbringung: „Im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (wie z.B. Antrag auf Wohnberechtigungsschein, Eintragung auf die Liste der Wohnungssuchenden, usw.) werden die betroffenen Personen unterstützt.“ Auf eh schon knappen Wohnungsmarkt dürfte die Suche aber nicht leicht werden.

Wir wollen wissen, was Sie denken: Der General-Anzeiger arbeitet dazu mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Wie die repräsentativen Umfragen funktionieren und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort