Jutta Beyer-Vollprecht Friesdorferin fährt seit 55 Jahren Isetta

Friesdorf · Die Friesdorferin Jutta Beyer-Vollprecht fährt seit 55 Jahren Isetta. Stolze 489.000 Kilometer hat das Motocoupé schon auf dem Buckel. Die nächsten 11.000 Kilometer soll die „Knutschkugel“ auch noch schaffen.

Jutta Beyer-Vollprecht liebt ihre Isetta, ihren Ehemann hat sie aber nie ans Steuer gelassen.

Jutta Beyer-Vollprecht liebt ihre Isetta, ihren Ehemann hat sie aber nie ans Steuer gelassen.

Foto: Niklas Schröder

Gerade die 1960er Jahre haben NRW nachdrücklich geprägt. Vom Wirtschaftswunder über die Städtearchitektur bis zum demografischen Wandel. In einer neuen vierteiligen Reihe „Unser Land in den 60ern“ geht der WDR auf Zeitreise an Rhein und Ruhr. Für die Dreharbeiten machte er auch in Bonn Halt. Hier erzählt Jutta Beyer-Vollprecht (75) aus Friesdorf ihre Lebensgeschichte mit der BMW Isetta (siehe Info-Kasten „Isetta im Fernsehen“).

Den Oldtimer hatte sie 1965 gekauft, und er fährt noch heute. Für schlappe 150 D-Mark erstand Beyer-Vollprecht das Motocoupé, bekannt als „Knutschkugel“ mit der legendären Fronttür. Mehr ließ das Gehalt nicht zu, erinnert sich die Rentnerin. „Aber irgendwie musste ich ja am Wochenende von Bonn nach München kommen, wo mein damaliger Freund lebte.“

Aus dem Vernunftkauf wurde eine innige, lebenslange Liebe. Mit der Isetta inklusive Ehemann und Zelt ging‘s im Urlaub immer wieder kreuz und quer durch Europa, vom Nordkap bis nach Sizilien. Dabei galt das kleine Auto in Wirtschaftswunderzeiten als „hässlich“. Ständig habe Beyer-Vollprecht Hohn und Spott für die bunte Isetta hinnehmen müssen. „Meist in Deutschland. Im Ausland haben sich die Menschen über das Auto gefreut, und wir wurden überall eingeladen, wenn wir kamen“, erzählt sie.

Aus Trotz habe sie später an ihrer Isetta festgehalten. „Mein Auto hält, fährt und mehr verlange ich nicht“, so Beyer-Vollprecht. Und bis auf Reifen- und Zündkerzenwechsel sei auch die Pflege nicht aufwendig, betont die Diplom-Verwaltungswirtin und Fachlehrerin für Stenografie. „Wenn ich höre, was die Menschen heute in der Werkstatt für ihre Autos zahlen müssen, da schüttel ich den Kopf.“ Eine Zündkerze koste sie lediglich fünf Euro und die reiche dann wieder für 100.000 Kilometer.

Noch 11.000 Kilometer

Viele Reisen hat Jutta Beyer-Vollprecht mit der „Knutschkugel“ unternommen. Hier ist die 1968 vor dem Gotthardbahntunnel zu sehen.

Viele Reisen hat Jutta Beyer-Vollprecht mit der „Knutschkugel“ unternommen. Hier ist die 1968 vor dem Gotthardbahntunnel zu sehen.

Foto: Niklas Schröder

Eine große Zahl weise auch der Kilometerstand auf: Stolze 489.000 Kilometer ist die Isetta bisher schon gefahren. Die Marke von 500.000 Kilometern will Beyer-Vollprecht aber noch packen, das sei ihr festes Ziel. „Ich möchte nochmal nach Italien und nach England. Das sind auch die Länder, die mir am besten gefallen haben“, sagt sie. „Ich habe schon Fernweh, ja.“

Auch da ihr Leben in den vergangenen Jahren deutlich langweiliger geworden sei. „Als mein Mann und ich in die Rente gegangen sind, haben wir unsere Touren mehr auf Deutschland beschränkt.“ Vor eineinhalb Jahren kam dann der Schock. Ihr Mann, mit dem Beyer-Vollprecht 51 Jahre zusammengelebt hatte, verstarb. „Er war der beste Mann der Welt, wir sind überall zusammen hingefahren.“ Seitdem müssen die längeren Touren erstmal pausieren. „Ich mache mit der Isetta nur noch Besorgungen in der Stadt“, sagt Beyer-Vollprecht. Zu Oldtimertreffen fahre sie übrigens nicht. Das sei etwas für Menschen, die Autos verunstalten und kaum fahren, findet sie. „Mein Auto hat hingegen eine lebendige Geschichte zu erzählen, es hat das getan, was es soll – also fahren.“

Aufregende Reise nach Großbritannien

Die aufregendste Reise erlebten sie und ihr Mann wohl in Großbritannien. „Bei der Fahrt durch Schottland ist das Bremsseil gerissen“, berichtet Beyer-Vollprecht. Sie habe stattdessen in den Gängen runterschalten und mit der Handbremse arbeiten müssen. Anschließend sei die Isetta mit einer Hüpfbewegung an der nächsten Tankstelle zum Stehen gekommen. „Mein Mann und der Tankwart haben ein neues Seil eingebaut, und es konnte weitergehen.“ Nicht weniger aufregend sei auch die Rückfahrt nach London verlaufen. „Als wir 30 Kilometer vor London waren, gab es plötzlich einen großen Krach und die Isetta hat sich nach rechts geneigt.“ Eine Ausgleichsplatte, die das Auto gerade halten soll, war gebrochen. „Wir haben erstmal einen Tee getrunken und sind danach weitergefahren.“

Fast zeitgleich sei dann auch noch der Auspuff kaputtgegangen. „Man muss sich vorstellen, wir sind mit lautem Getöse und in Schlangenlinien in London auf dem Campingplatz vorgefahren.“ Ein Kfz-Händler habe dem Paar kostenlos vom Schrottplatz Ersatzteile vermittelt und bei der Reparatur geholfen, sodass sie sicher weiterfahren konnten. Den Auspuff habe ihr Mann mit mehreren Bierdosen geflickt, die er bei der Rückfahrt bis nach Bonn trinken musste. „Den Auspuff haben wir zu Hause repariert.“

70 Stundenkilometer möglich

Ansonsten seien Isettas aber recht sicher, betont Beyer-Vollprecht. „Es gibt nur einen nachweislichen Toten, der ist aber mit einer Isetta bei Rot über die Ampel gefahren.“ Gerade die dreieckige Form mache das Motocoupé so sicher. „Egal, wo man anstößt, das Auto rollt dann einfach, weil es zu leicht ist.“ Mit 1,38 Metern Breite und 2,28 Metern Länge und einem Gewicht von 350 Kilogramm ist das Auto also nicht nur recht kompakt, sondern auch einfach einzuparken. „Manche brauchen zehn Quadratmeter, ich nur drei“, sagt Beyer-Vollprecht.

Mit einer Geschwindigkeit von 70 Kilometern in der Stunde gehöre die Isetta zu den eher langsamen Autos auf der Straße. „Ich könnte auch 85 fahren, aber dann hält die Isetta nicht lange“, erklärt Beyer-Vollprecht. Schließlich soll die Isetta ja nochmal nach Italien fahren.

Ihren Mann habe sie übrigens nie ans Steuer gelassen. „Er hat sich darüber aber nie beschwert. Er hat sich dann selbst später eine eigene Isetta gekauft“, versichert sie.

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