Büdchen am Rhein in Bad Godesberg In der Frittenschmiede gastierte sogar schon Sting

Serie | Bad Godesberg · Vor elf Jahren hat Stephan Sieger das Büdchen an der Dollendorfer Fähre übernommen und sich damit einen Traum erfüllt. Einmal stattete ihm an dem historischen Standort sogar Sänger Sting einen Besuch ab.

 Kioskbesitzer mit Leid und Seele: Vor elf Jahren hat Stephan Sieger die Frittenschmiede an der Rheinfähre übernommen.

Kioskbesitzer mit Leid und Seele: Vor elf Jahren hat Stephan Sieger die Frittenschmiede an der Rheinfähre übernommen.

Foto: Stefan Knopp

Eine ältere Frau fährt neben der Frittenschmiede am Rhein vor – auf einem roten Oldtimer-Trecker mit Viersener Autokennzeichen. Sie wartet auf ihren Mann, der mit der Rheinfähre von Oberdollendorf nach Bad Godesberg übersetzen will, ebenfalls mit Trecker und einem Wohnanhänger. Verfahren habe er sich, dann sei er auf der anderen Rheinseite gelandet, erzählt sie. Beide suchen einen Campingplatz für die Nacht, möglichst nahe, am nächsten Tag wollen sie dann weiterfahren auf ihrer Urlaubs-Treckertour quer durch Deutschland.

Früher war die Frittenschmiede eine Wartehalle

Stephan Sieger kann Auskunft geben, er kennt sich aus und hat in den vergangenen elf Jahren schon einige ungewöhnliche Begegnungen wie diese gehabt – seit er den Kiosk am Von-Sandt-Ufer übernommen hat, der gleich neben dem Anleger der Dollendorfer Fähre steht. Der Standort ist historisch, „den gab es schon vor dem Zweiten Weltkrieg als Wartehalle“, erzählt der 40-jährige Bonner. Immer war ein Kiosk dabei, immer war der ein Anlauf- und Treffpunkt für Jedermann.

Die Büdchen-Besucher seien „auch immer ein Querschnitt durch die Gesellschaft“, sagt er. Ob Anzug oder Overall, ob Handwerker oder Beamter: „Hier ist das egal, alle trinken das Wasser zum selben Preis und essen die Currywurst am selben Stehtisch.“ Man kommt ins Gespräch, auch mit dem Betreiber, das reizt Sieger an diesem Job.

In der Sitzecke neben dem Kiosk – dem „kleinsten Biergarten von Bonn“, so wurde der Bereich mal genannt – kommt er ins Plaudern. Beruflich hatte er zunächst einen ganz anderen Weg eingeschlagen, mit einer Ausbildung zum Elektrotechniker. Er war für einen Gebäudedienstleister tätig, für den er unter anderen die ehemaligen Regierungsgebäude betreut hat. „Ich hatte aber immer den Wunsch, einen Kiosk aufzumachen. Mein Vater hat mich allerdings immer davon abgehalten.“

Sieger schätzt die entspannte Kundschaft

Dann bot sich ihm über Beziehungen die Gelegenheit, das Büdchen an der Rheinfähre zu übernehmen. Und er griff zu. Wie hätte er auch an diesem Standort widerstehen können? 2011 wurde das Büdchen zu einem der „111 Orte in Bonn, die man gesehen haben muss“ gewählt. Bei strahlendem Wetter wie in diesen Tagen ist der Blick auf den Rhein und das Siebengebirge fantastisch.

Sieger freut sich aber auch schon auf den Herbst, wenn sich die Bäume auf dem Petersberg verfärben. „Und das Wasser des Rheins ist sehr beruhigend: Das fährt einen so richtig schön runter.“ Hinzu kommt eine meist entspannte Kundschaft. Sieger hatte auch schon an anderen Standorten gearbeitet, aber die Berufstätigen, die mittags schnell und hektisch etwas essen wollen, liegen ihm nicht, erzählt er. Am Rhein kommen Familien mit Kindern, Radfahrer, Anwohner, auch Leute, die auf die Fähre warten, vorbei – aber nicht so viele, wie man denken könnte.

Früher habe er auch belegte Brötchen angeboten, aber das habe sich nicht rentiert. Morgens, erklärt er, kämen die Leute eher von Dollendorf nach Bad Godesberg, nachmittags auf dem Heimweg wollten sie keine Brötchen haben. Eher Getränke und Eis. Oder mal eine Currywurst mit Pommes. Die Frittenschmiede am Rhein ist, auch wenn der Name so klingt, keine Pommesbude, mehr als Fritten und Wurst gibt es als warmes Essen nicht. Anders ist es mit der Frittenschmiede in Bad Neuenahr-Ahrweiler, Siegers zweitem Standbein, ein hundertprozentiger Imbiss. Er hatte auch mal eine Wanderhütte in Sinzig betrieben, die aber 2015 abbrannte.

„Man gibt viel, kriegt aber auch viel zurück“

Die Corona-Krise verlangt auch ihm viel ab. Sieger hat am Büdchen einen Spuckschutz installiert, seine Mitarbeiter mit Mund-Nasen-Schutzmasken ausgestattet, die er im März „für horrendes Geld“ kaufen musste – er hatte immerhin Glück, dass er diesen Standort geöffnet lassen konnte. „Wir hatten nur mal für drei Tage zu.“ Da er ohnehin nur Sachen zum Mitnehmen verkaufe, habe er dafür wenig umstellen müssen. Anders als in Bad Neuenahr: Dort habe er das Geschäft, das zu 90 Prozent davon lebe, dass die Leute sich zum Essen hinsetzen, auf Take-away umstellen und einen Lieferdienst einrichten müssen. Mit dem habe er kaum etwas verdient. „Das diente nur dazu, bei den Leuten im Gedächtnis zu bleiben.“ Was Corona ihn und andere Gastronomen gekostet hat, werde man aber wohl erst Anfang 2021 sehen.

Sieger macht das alles mit, denn er ist mit Herzblut dabei. „Man gibt wirklich viel dafür, kriegt aber auch viel zurück.“ Begegnungen wie die mit dem treckerfahrenden Ehepaar, Gespräche mit ehemaligen Richtern, das alles treibt ihn an. Und manchmal kommt auch Prominenz ins Büdchen: Einmal betrat jemand mit Rollkragenpulli und Mütze an einem verregneten Morgen die Frittenschmiede. „Der sieht ein bisschen aus wie Sting“, dachte sich Sieger. Und war sehr überrascht zu erfahren, dass es tatsächlich der Sänger von „The Police“ auf einem privaten Ausflug war.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort