Ärgernis für einzelne Nachbarn Godesberger fühlen sich vom Sonntagmorgen-Läuten gestört

BAD GODESBERG · Die erfolgreiche Sanierung der Turmuhr der Marienforster Kirche in Bad Godesberg freut nicht jeden. Die russisch-orthodoxe Gemeinde hat das Gottesdienstläuten sonntags um 10 Uhr wieder eingestellt.

 Die Marienforster Kirche mit neuer Uhr und Geläut.

Die Marienforster Kirche mit neuer Uhr und Geläut.

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

Helle Glockenschläge gehen seit kurzem wieder durchs Marienforster Tal, wie es über Jahrzehnte bei der vormals evangelischen Marienforster Kirche üblich war: und zwar jeweils mittags um zwölf Uhr und gegen Abend um 18 Uhr. Und von den vier Glockenturmseiten des Gotteshauses, das vor einem Jahr von der Russisch Orthodoxen Mariä-Schutz-Gemeinde übernommen wurde, grüßt nun auch wieder die über viele Jahrzehnte so charakteristische riesige Uhr mit ihren goldenen Zeigern auf rot-blauem Grund.

Über zwei Jahre war sie defekt und dann abmontiert. Dass sie nun wieder schlägt, gehört zu den offensichtlichsten Zeichen, dass in der jetzt christlich orthodoxen Heilige-Elena-Kirche reges Leben eingezogen ist. „Wir haben für die Arbeiten die früher beteiligte Firma wieder beauftragt und 27.000 Euro investiert“, berichtet Pfarrer Eugen Theodor. Die vier Uhren seien also genau nach den damaligen Plänen angebracht worden. Zahlreiche Menschen über seine Gemeinde hinaus hätten die Restaurierung begrüßt.

Sonntagsläuten um 10 Uhr wieder eingestellt

Aber es gab auch Kritik. Und das, obwohl die Glocken noch nicht einmal die Uhrzeit vermelden: Sie läuten, wie andere Kirchen in Bad Godesberg, nur zweimal am Tag. In den ersten Wochen nach der Restaurierung taten sie das auch zu Beginn des Sonntagsgottesdienstes um 10 Uhr. Darüber jedoch beschwerten sich einzelne Nachbarn: Sie würden sonntags um 10 Uhr noch schlafen und fühlten sich gestört, berichtet Pfarrer Theodor. Deshalb habe er das Sonntagsläuten um 10 wieder eingestellt. „Es ist theologisch nicht notwendig. Und wir möchten als Gemeinde in Frieden mit unseren Nachbarn leben“, begründet der Pfarrer seine Entscheidung. Eine Kirche solle ja vor allem Eines: Verständnis und Frieden in die Gesellschaft bringen.

Sein Vorgänger, der evangelische Pfarrer Rainer Fincke, wohnt immer noch im Pfarrhaus neben der Kirche. „Schade, wenn Menschen, die wohl keinen Bezug mehr zu unseren Kirchen haben, fordern, dass sie stumm werden“, sagt Fincke und weist auf ähnliche Fälle in anderen Städten hin. Läutende Glocken spendeten doch Identität, Vertrautheit und Heimatgefühl. „Ohne Glockenklang geht uns etwas Friedenstiftendes verloren“, meint Pfarrer Fincke.

Orthodoxe übernahmen Kirche nach 50. Jubiläum

Wie berichtet, hatte seine Johannes-Kirchengemeinde 2017 ihre Marienforster Kirche kurz nach deren 50. Jubiläum an die Orthodoxen abgegeben: erst zur Miete und nun für eine „sehr zufriedenstellende sechsstellige Eurosumme“ zum Kauf. Die Protestanten sagten, dass sie diese vierte Gemeindekirche bei insgesamt nur noch 4400 Mitgliedern nicht mehr halten konnten. Die Orthodoxen wiederum hatten mit mehr als 3000 Mitgliedern aus dem Bereich Bonn/Rhein-Sieg händeringend nach einem Gotteshaus gesucht.

Spätaussiedler, deutsch-russische Paare, Studenten, Mitarbeiter der russischen und ukrainischen Konsulate, Orthodoxe anderer slawischer Sprachen sowie spirituell interessierte Deutsche hätten ansonsten auf der Straße gestanden, erklärte Pfarrer Theodor damals. Nun also ist ein Jahr seit der offiziellen Übergabe vergangen. Wie berichtet, trugen die Protestanten ihr monumentales Altar-Holzkreuz zu ihrer Johanneskirche nach Pennenfeld. „Und wir zahlen ihnen den Kaufpreis genau vertragsgemäß“, betont Pfarrer Theodor..

Rund um die Kirche am Godesberger Bach ist der Garten mit Liebe gepflegt. Inzwischen sind auch 50 Weinstöcke gesetzt: Hier wird, so hofft es Hobbywinzer Pfarrer Theodor, in drei vier Jahren der Abendmahlswein vor Ort gezogen werden: ein Rotwein der Traubensorte Regent. Für über 60 000 Euro hat die Gemeinde auch den ehemaligen Kaminraum und das Untergeschoss saniert. Alle kirchlichen Veranstaltungen, Vorträge, Bibelstunden für Erwachsene, christliche Lehre für die Kinder und Feste finden hier statt. Nach den Gottesdiensten, die Pfarrer Theodor mit seinem Kollegen Stephan Gross russisch und deutsch hält, bleiben die Gläubigen hier zum Essen zusammen.

„Die Gemeinde wächst weiter. Zu uns kommen auch Christen aus Köln und der Eifel, weil wir die einzige russische Kirche in der Region bieten, die barrierefrei ist“, erläutert Theodor, dem leider auch das Parkplatzproblem seiner Vorgänger geblieben ist. Auch die ökumenische Kooperation mit der Johannes-Kirchengemeinde ist angelaufen: Kürzlich feierten Protestanten und Orthodoxe in der Rigal'schen Kapelle einen gemeinsamen „Glanzlicht“-Gottesdienst.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort