Niemand hilft den "Schandkindern" Godesberger Pater berichtet von Reise nach Aleppo

Pennenfeld · Der Bad Godesberger Franziskaner-Pater Matthias ist nach einer Reise nach Aleppo entsetzt, wie viele Kinder völlig auf sich allein gestellt sind. Teils leiden sie unter Verletzungen. Sie sollen in Deutschland operiert werden.

 Fassungslos steht Pater Matthias vor den zerbombten Häusern im syrischen Aleppo.

Fassungslos steht Pater Matthias vor den zerbombten Häusern im syrischen Aleppo.

Foto: MZF

Der seit 2011 in Syrien herrschende Bürgerkrieg hinterlässt traumatisierte Kinder, von denen viele allein ihr Dasein fristen und Hunger leiden. „Diese Jungen und Mädchen dürfen nicht in Vergessenheit geraten und brauchen unsere Hilfe“, sagt Pater Matthias Maier. Ende Juni reiste er mit „stern TV“-Reporterin Sophia Maier ins syrische Aleppo, um sich ein Bild von der Situation und den Hilfsprojekten der Missionszentrale der Franziskaner (MZF) vor Ort zu machen.

Alle mussten sehr behutsam vorgehen, da in der Öffentlichkeit weder gefilmt noch fotografiert werden darf. „Es steht zwar nicht an jeder Ecke ein Soldat“, so der Pater, „aber man wird beobachtet.“

Im ehemals wohlhabenden Aleppo bot sich der Delegation das Bild einer geteilten Stadt. „Im nicht zerbombten Westen kann man sich noch relativ frei bewegen“, berichtet der Franziskaner, „aber östlich beginnt die totale Zerstörung.“ Um diesen Ost-Teil ging es in der „stern TV“-Reportage am 3. Juli, die zeigte, wie Kinder auf der Straße und in zusammengestürzten Häusern leben, die teils von Geburt an nur Krieg und Angst kennen. „In den Gesprächen spürt man, wie gebrochen die Kinder von den Jahren des Krieges sind“, stellt Sophia Maier fest. „Sie haben ihre Verwandten verloren und verstecken sich bei jedem Geräuschen sofort.“

Therapien für traumatisierte Kriegsopfer

Als die Unruhen in Syrien begannen und Al-Quaida und ISIS Teile der Stadt besetzten, sind die Franziskaner geblieben, um die betroffenen Menschen, ganz gleich ob Christen oder Muslime, zu unterstützen. In Ost-Aleppo leiten die Franziskaner ein Sozialzentrum, das auf medizinische und therapeutische Hilfe ausgerichtet ist; und in der Weststadt werden Freizeitangebote gemacht. Die Hilfsorganisation finanziert auch die Renovierung und den Wiederaufbau zerstörter Wohnungen für Familien. „Die Arbeit der Franziskaner vor Ort habe ich als unglaublich vielfältig erlebt“, sagt die TV-Journalistin. „Die Schwestern und Brüder sind sehr einfühlsam und man hat das Gefühl, dass diese Hilfe für alle Menschen da ist.“

Heute leben in Aleppo fast nur noch Frauen und Kinder. „Die Männer sind entweder geflohen, weil sie nicht in den Krieg ziehen wollten oder gefallen“, erklärt Pater Matthias. Viele Jungen und Mädchen können trotz Schulpflicht nicht in die Schule gehen, weil sie arbeiten, um ihre kleinen Geschwister zu ernähren, oder auf sie aufpassen müssen, während die Mutter arbeiten geht. „Diese Jahre fehlen ihnen in ihrem Leben und für ihre Zukunft“, bedauert der Pater.

Ein Ereignis, das den 55-Jährigen sehr bewegt hat, war die Begegnung mit einer Gruppe von nicht-registrierten Kindern, die nach Vergewaltigungen von Terroristen zur Welt gekommen sind und verstoßen wurden oder deren Eltern getötet wurden oder geflohen sind. „Man nennt sie die namenlosen Kinder, weil niemand weiß, wie sie heißen oder wer sie sind“, erklärt er. Weil diese Jungen und Mädchen in ihrer Kultur als „Schandkinder“ gelten, trete niemand für sie ein. „Unsere Brüder vor Ort schauen, dass sie Einzelpersonen oder Familien finden, die diese Kinder aufnehmen.“

Unter ihnen seien viele durch Kriegsverletzungen und Bombenschäden behindert, so der Pater. Einige hätten noch Splitter im Kopf, aber keine Chance, sie operativ entfernen zu lassen. „Manche könnten hier in Deutschland schnell geheilt werden“, ist sich der Franziskaner sicher und befürwortet daher eine „Öffnung der humanitären Türen“; und sei es nur für einen Krankenhausaufenthalt. „Denn die Menschen, die leiden, sollten nicht noch bestraft werden.

Um ihre Hilfsprojekte zu finanzieren, ist die Missionszentrale der Franziskaner auf Spenden angewiesen. „Wie alle Orden sind wir aus Sicht des Staates keine Kirche“, erklärt der Leiter, „und erhalten daher laut Konkordat auch keine Kirchensteuer.“

Weitere Infos zur Arbeit des Hilfswerks und Spendenmöglichkeiten auf www.mzf.org

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