Verein Ausbildung statt Abschiebung Godesberger Verein muss immer mehr Jugendliche betreuen

Bad Godesberg · Der Verein Ausbildung statt Abschiebung hat 2022 gut 250 junge Flüchtlinge betreut, darunter rund 100 unbegleitete Jugendliche. Die Zahl stieg seit Anfang des vergangenen Jahres rapide an.

Der Verein "Ausbildung statt Abschiebung" mit Sitz in der Godesberger Straße 51 ist die Anlaufstelle für junge Geflüchtete in Bonn und Umgebung.

Der Verein "Ausbildung statt Abschiebung" mit Sitz in der Godesberger Straße 51 ist die Anlaufstelle für junge Geflüchtete in Bonn und Umgebung.

Foto: Axel Vogel

2022 sei ein turbulentes Jahr für den Verein Ausbildung statt Abschiebung (AsA) gewesen, teilen Geschäftsführerin Johanna Strohmeier und der Vorstandsvorsitzende Clemens Wortmann mit. Die andauernden Konflikte in Afghanistan, der Ukraine und dem Iran beschäftigten die Anlaufstelle für junge Geflüchtete in Bonn und Umgebung in der Godesberger Straße 51 täglich. Denn die betroffenen Jugendlichen erlebten die Auswirkungen hautnah. „Als Verein versuchen wir, den Jungen und Mädchen sowie jungen Erwachsenen in Bonn eine vertrauensvolle Stütze zu sein. Das können wir nur dank des besonderen Engagements von mehr als 100 Ehrenamtlichen“, erklären Strohmeier und Wortmann. Daneben sehe man die finanziellen Förderungen und Spenden nicht nur als Anerkennung der Arbeit, sondern sie ermöglichten auch, dass der Verein seine Projekte seit mehr als 20 Jahren an den Bedürfnissen der jungen Menschen orientieren könne.

In ihrem Jahresrückblick gehen die AsA-Vertreter ins Detail. Die Vereinsaktiven seien ausgelastet wie nie zuvor, denn die Zahl der betreuten Jugendlichen sei seit Anfang 2022 rapide angewachsen. Traurigerweise zeige das die Konsequenz von Kriegen und Konflikten, die Menschen jede Lebensgrundlage und Zukunftsperspektive nähmen und zur Flucht zwängen. „Von den etwa 250 angebundenen jungen Menschen begleiten wir aktuell mehr als 100 minderjährige unbegleitete Geflüchtete, die in diesem oder letzten Jahr neu nach Bonn gekommen sind“, rechnen Strohmeier und Wortmann vor. Aktuell liefen für die jungen Leute allein 16 Deutschkurse wöchentlich, die von mehr als 100 Minderjährigen und rund 25 jungen Volljährigen besucht werden. „Trotzdem verzeichnen wir eine stetig hohe Nachfrage und haben bereits volle Wartelisten für die im neuen Jahr beginnenden Deutschkurse.“ Auch für die Beratung erreichten den Verein viel mehr Anfragen als zuvor.

In Fragen der Berufsorientierung und Ausbildungsvermittlung sei es AsA jedoch über das Jahr 2022 nur schwer möglich gewesen, mit seinen knappen personellen Kapazitäten den gestiegenen Bedarf bei den jungen Erwachsenen zu decken, geben die beiden Vereinsvertreter zu. Enorm bedeutsam sei auch hier der Einsatz der Ehrenamtlichen, die den Jugendlichen mit Nachhilfe und Beistand in der Ausbildung oder bei Behördengängen helfen. „Im vergangenen Jahr konnten wir 24 junge Menschen in die Ausbildung vermitteln. Viele von ihnen haben ihre ersten Worte Deutsch bei AsA gelernt“, vermelden Strohmeier und Wortmann stolz. Das Gleiche gelte für die jungen Menschen, die 2022 ihre Ausbildung abschließen konnten und jetzt ins Berufsleben starten. Leider liefen jedoch gute und fest etablierte Projektförderungen aus, bedauern die AsA-Vertreter und nennen als Beispiel die Landesfinanzierung für die Sprachförderung für Auszubildende an den Berufsschulen.

Die aktuellen Entwicklungen in Deutschland wirkten sich übrigens direkt auf die lokale AsA-Arbeit aus, schildern die Vereinsvertreter. So mache etwa die hohe Inflation vielen vom Verein betreuten Jugendlichen sehr zu schaffen. Schon vor den drastischen Preisanstiegen habe das Einkommen vieler Auszubildender, Schüler und Empfänger von Sozialleistungen, die in die Beratung kämen, oft nicht bis zum Monatsende ausgereicht. Auch die Einführung des Bürgergeldes werde die Situation wohl nur für wenige Jugendliche verbessern, da die meisten von ihnen ohne Aufenthaltserlaubnis Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhielten. „Diese fallen ohnehin weitaus niedriger aus als reguläre Jobcenter-Leistungen und werden auch nicht im gleichen Maße erhöht.“ Erfreulicher bewertet AsA die Verabschiedung des sogenannten Chancen-Aufenthaltsrechts durch den Bundestag, wonach alle, die sich am 31. Dezember 2022 bereits seit mindestens fünf Jahren in Deutschland aufhielten und eine Duldung hätten, „auf Probe“ bleiben könnten.

Zum Thema Finanzen sagen die AsA-Vertreter, der Verein habe sich 2022 engagiert um Mittel bemüht und solide gewirtschaftet. „Für die Jahresplanung 2023 gibt es noch eine überschaubare Finanzierungslücke, und auch für die Folgejahre haben wir noch einige fest befiederte Förderpfeile im Köcher“, sagen Strohmeier und Wortmann. Die werde man aber auch brauchen, wenn sich etwa die Hoffnung auf ein neues Domizil erfülle. Für 2023 wünsche sich der Verein weiterhin die Hilfe langjähriger und vielleicht auch neuer Förderpartner, um bestehende Stellen zu sichern und hoffentlich aufzustocken und damit dem Bedarf der jungen Menschen gerecht zu werden. Als besonderes Erlebnis stehe einer Jugendlichengruppe übrigens eine politische Bildungsfahrt zum Europaparlament nach Brüssel bevor.

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