Horst Saal: Chef der Godesberger Fernleitungs-Betriebsgesellschaft Der Herr über die deutsche Nato-Pipeline geht in Ruhestand

Bad Godesberg · 16 Jahre lang war Horst Saal Chef der Godesberger Fernleitungs-Betriebsgesellschaft. Diese managt den deutschen Teil der Nato-Pipeline und damit die Versorgung militärischer Einrichtungen mit Kerosin. Das kommt auch den Passagieren der Flughäfen in Köln/Bonn und Frankfurt zugute.

 16 Jahre lang hat Horst Saal die Geschicke der Fernleitungs-Betriebsgesellschaft von Bad Godesberg aus gelenkt.

16 Jahre lang hat Horst Saal die Geschicke der Fernleitungs-Betriebsgesellschaft von Bad Godesberg aus gelenkt.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Umzugskisten, die vergangene Woche noch im Büro von Horst Saal standen, sind weggeräumt. Ebenso die zwei großen Bilder, die mit den Themen Sonne und Windkraft für ihn die Energieformen der Zukunft darstellen. Und so hat der nunmehr scheidende Chef der Fernleitungs-Betriebsgesellschaft (FBG) die Hoffnung, dass eines Tages vielleicht synthetische Kraftstoffe durch die Leitungen fließen, für die der gebürtige Bonner 16 Jahre lang verantwortlich war. Bislang setzt die FBG noch komplett auf Kerosin.

Hinter den drei Buchstaben verbirgt sich eine Menge: Die Gesellschaft, die seit 1974 an der Löbestraße sitzt, betreibt und wartet im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums den deutschen Teil des Nato-Pipeline-Netzes. Dieses Netz hatte das Bündnissystem nach dem Zweiten Weltkrieg in westeuropäischen Ländern unter der Bezeichnung CEPS („Central Europe Pipeline System“) zur Versorgung militärischer Einrichtungen installiert.

Seit Anfang der 90er Jahre gibt es auch Kunden aus der Wirtschaft

Nachdem die Feindbilder langsam gewichen waren, hatte das Atlantische Bündnis die Nutzung Anfang der 1990er Jahre auch für zivile Zwecke zugelassen. Weshalb zum Beispiel die Flughäfen Köln-Bonn und Frankfurt gewissermaßen von den Godesbergern mit Treibstoffen versorgt werden. Dahinter standen schlichtweg wirtschaftliche Überlegungen, denn das unterirdisch verlaufende Rohrsystem war von 253 auf 3026 Kilometer angewachsen, der Personalbestand entsprechend von 116 auf 1075 Stellen. Seitdem zahlen Mineralöl-Hersteller und -Händler Gebühren für die Nutzung der Leitungen.

Saal war zu dieser Zeit noch in ganz anderer Mission unterwegs: als Abteilungsleiter bei der US Navy. „Ich wollte immer ins Ausland, als Horizonterweiterung“, begründet er diesen Schritt. Nach dem Abi auf dem Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium hatte er sich bei der Marine als Offiziersanwärter angemeldet. Es folgten zwölf Jahre Wehrdienst unter anderem mit einem Studium der Elektrotechnik in München. Die Affinität zur See kam vom Onkel, der nach dem Abi an der gleichen Schule Schnellbootkommandant geworden war und ihm davon vorgeschwärmt hatte.

Von Bonn über Amerika und Berlin nach Bad Godesberg

Der nächste von vielen Umzügen brachte ihn heimatnäher, für die Luftwaffe kümmerte er sich von Sankt Augustin aus um Führungssysteme. Es folgten Amerika, Hamburg als Leiter der Abnahmekommission der Fregatte 124 und ein kurzes Bonn-Intermezzo als Referent für Internationale Rüstungskooperation im Verteidigungsministerium. Frau und zwei Töchter folgten stets ohne Klagen. „Wofür ich sehr dankbar bin“, sagt der 65-Jährige. Danach ging‘s für „sein“ Ministerium nach Berlin als Referent für Staatssekretäre und von da aus als Referatsleiter für Rüstung und Wehrverwaltung ins Bundeskanzleramt.

„Meine Laufbahn war immer nah dran an der Politik“, was das Kind der „Bonner Republik“ gar nicht groß wundert. Schließlich habe es im Alltag oft Berührungspunkte gegeben, selbst für die Jugend. Der Schiffskonvoi mit dem toten Adenauer über den Rhein, der Empfang der deutschen Fußballweltmeister 1974 im Bristol – „überall konnte man dabei sein, das hat sich heute sehr verändert“. Schließlich kam 2006 beruflich die Frage, ob er Herr über das Fernleitungs-System werden wolle. „Ich wusste anfangs nur, dass es um Rohre geht“, gesteht Saal und lacht.

Weniger Mitarbeiter nach der Wiedervereinigung

Bad Godesberg hatte er in seiner Jugend vor allem für „eine Pizzeria und das Kino“ angesteuert. Er sagte zu, auch mit dem Wissen, dann seinem heute 94-jährigen Vater und dem immer noch großen Freundeskreis näher zu sein. Als er kam, waren die ganz schwierigen Zeiten für die FBG schon fast vorbei. Die Verkleinerung der Bundeswehr und der Wandel der Sicherheitslage in Folge der deutschen Wiedervereinigung hatten die Gesellschaft in den Folgejahren zu tiefgreifenden Veränderungen gezwungen. Militärisch nicht mehr benötigte Pipeline-Abschnitte wurden stillgelegt, die Zahl der Mitarbeiter reduzierte sich.

Mit dem Wechsel an die Löbestraße folgte quasi der Einstieg als Beamter in der Wirtschaft. Denn der Bund hat zwar mit 51 Prozent die Mehrheit am Unternehmen, den Rest der Anteile aber hält der Duisburger Industriekonzern Tanquid. Der Ministerialrat sah’s pragmatisch: „Früher habe ich Regierungsabkommen ausgehandelt, dann halt Verträge.“ Und dann muss sie kommen, die Frage, inwieweit sich sein Arbeitsalltag so kurz vor dem Ruhestand durch den Ukraine-Krieg verändert hat. Der Schwerpunkt rund um die Versorgungssicherheit sei gewachsen, sagt Saal, und beruhigt direkt, es sei genügend Kerosin da. Mit der Beschaffung des Stoffes, Stichwort Hahn zudrehen, hätten seine Leute und er aber nichts zu tun: „Wir sind der Spediteur, wir besorgen die Ware nicht, wir transportieren sie“, meint er. Die wird beispielsweise in Rotterdam ins System eingespeist und in Frankfurt für den Flughafen wieder „rausgelassen“.

20 Tanklager und Pumpstationen in Deutschland

Um 20 Betriebsstellen in Deutschland, also Tanklager und Hochdruck-Pumpstationen hat sich Saal für die Zwischenlagerung gekümmert. Die Pipeline ist für ihn das „sicherste, wirtschaftlichste und umweltschonendste“ Mittel für den Transport, daneben sind Eisenbahnkesselwagen und Tanklaster im Einsatz. Die elektrischen Pumpen lässt man mit grünem Strom laufen. Ein Anfang für mehr Klimaschutz, genau wie die E-Autos der FBG. Bis aber die großen Flugzeuge ohne fossile Brennstoffe auskommen, wird es, so der Wahl-Wachtberger, wohl leider noch eine Weile dauern.

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