Fasten in der Pandemie Im Ramadan ist leichte Kost gefragt

Bonn · Die Kunden und Mitarbeiter des Salam-Lebensmittelmarktes in der Bonner Altstadt haben sich ganz aufs Fasten eingestellt. Im Pandemie-Jahr sieht das etwas anders aus als sonst.

 Alles ist schön angerichtet – Doch an der Fleischtheke von Mitarbeiter Jaouad El Fassi ist im Ramadan nicht so viel los. Die Muslime essen zum Fastenbrechen lieber leichtere Kost.

Alles ist schön angerichtet – Doch an der Fleischtheke von Mitarbeiter Jaouad El Fassi ist im Ramadan nicht so viel los. Die Muslime essen zum Fastenbrechen lieber leichtere Kost.

Foto: Tarik Ait Ayad

Es ist Mittag im Salam-Markt in der Altstadt – eigentlich eine belebte Zeit mit viel Kundenverkehr. Doch es ist leer und nur wenige Geräusche sind zu hören. Keine Unterhaltungen, kein Piepen der Kasse. Im Laden laufen zwei Kunden entspannt durch die Gänge und die Kassiererin lässt ihren Platz an der Kasse ruhen und hilft beim Einsortieren. Woran das liegt? Es ist Ramadan, eine ganz besondere Zeit für den Supermarkt an der Kölnstraße.

Der Ramadan ist der heilige Fastenmonat im Islam. Die Muslime verzichten von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex. Der Ramadan endet am 12. Mai. Also haben es die Muslime fast geschafft. Jaouad El Fassi, der hinter der Fleischtheke steht, erklärt, dass die Kunden nun eher am Nachmittag kommen und nicht wie sonst über den ganzen Tag verteilt. Die Mehrheit der Kunden sind Muslime und das Ausfallen des Mittagessens, so der 34-jährige Marokkaner, sorgt für die gegenwärtige Leere im Markt. El Fassi merkt, dass viel weniger Fleisch gekauft wird. „Die meisten essen beim Fastenbrechen lieber leichte Kost, wie etwa Suppen“, sagt er.

Körper und Gemüt fahren herunter

Hinter der Fleischtheke ist es immer noch ruhig. Die Zeit zieht sich. El Fassi fastet. Er erklärt, dass der Ramadan vieles verändert – persönlich und in der Atmosphäre am Arbeitsplatz. Von heute auf morgen fahren Körper und Gemüt herunter. Er fühlt sich gelassener. Und das beobachtet er auch bei den fastenden Kunden. „Man geht behutsamer miteinander um und man ist höflicher“, sagt El Fassi. Er sagt, nach circa einer Woche gewöhnt sich der Körper an die neuen Ess- und Alltagsgewohnheiten. Das bestätigt auch der Besitzer des Supermarkts, Annas Isaid: „Die Kunden sind eigentlich sehr gelassen. Nur wenn es an der Kasse zu lange Schlangen gibt, sind manche ein bisschen angespannt.“ Aber Isaid hat Verständnis dafür, dass man nach einem langen Tag ohne Essen und Trinken etwas nervös ist. Er spricht aus Erfahrung, er fastet auch.

Wenn die Kassiererin wieder an der Kasse Platz nimmt, hört man immer wieder die gleiche Frage: „Wollen Sie Brot?“ Und dann die Auflösung: „Sie können kostenlos Brot mitnehmen.“ Im Ramadan geht es nicht nur ums Fasten. Der Fastende sollte auch seine guten Taten maximieren – und dazu gehört auch das Schenken und Teilen. Isaid erklärt, dass in seinem Supermarkt während des Ramadans für alle Menschen kostenloses Brot angeboten wird, unabhängig von Religion, Herkunft oder ob sie vor Ort einkaufen. Jeder darf fünf Packungen Brot pro Tag mitnehmen. Die Idee stammt von seinem Vater, der aus Palästina stammt. Doch diese Aktion stieß auf Missgunst bei anderen Supermärkten. Sie finden es nicht in Ordnung, dass jemand umsonst Brot verteilt. Doch Isaid lässt sich nicht beirren und sagt: „Jeder macht was er für richtig hält.“

Große Familienfeste fallen aus

Die Pandemie hat die Art verändert, diese besonderen Wochen zu erleben: Ramadan besteht eigentlich darin, viel Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen, gerade während des Fastenbrechens. Im Lockdown fallen die Abendgebete in den Moscheen weg. Die Auswirkungen der Pandemie kann Isaid sowohl im Supermarkt als auch in seinem Privatleben spüren. Er hat den Laden im Oktober 2018 eröffnet. Also ist es aktuell sein dritter Ramadan als Supermarktbesitzer. Es fehle die familiäre Stimmung, da die Verwandten voneinander Abstand halten müssen.

Isaid sagt: „Früher habe ich meine Eltern während des Ramadans mindestens zehnmal besucht. Dieses Jahr war ich nur einmal da, um sie zu schützen.“ Große Familientreffen fallen 2021 aus. Im Unterschied zur Zeit vor Corona sind die meisten Moscheen nun geschlossen: Sie boten jeden Tag ein kostenloses Fastenbrechen-Mahl für Hunderte von Menschen an. Doch dieses Jahr bleiben die Kleinfamilien unter sich und die Alleinlebenden einsam.

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