Bad Godesberger Geschichten am Grab Innig verbunden auch im Tode

Bad Godesberg · Die Bad Godesberger Geschichten am Grab führen diesmal zur Paarstatue von Eva de Maizière auf dem Heiderhofer Waldfriedhof. Nicht nur eine Begegnung mit der Kunst.

 Grab mit Paarstatue von Eva de Maizière auf dem Heiderhofer Waldfriedhof.

Grab mit Paarstatue von Eva de Maizière auf dem Heiderhofer Waldfriedhof.

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

Auf dem Heiderhofer Waldfriedhof glänzt ein kleines Bronzepaar milchig in der Dezembersonne. Liebevoll legt der ältere Mann den Arm um die Frau mit der Hochsteckfrisur. Beide blicken sich ernst, aber innig an. Auf dem Grabstein daneben sind die Namen der beiden verzeichnet, die in ihrem langen Leben und dann auch im Tod vereint blieben.

Hier haben zwischen Heiderhofer Normalbürgern zwei Prominente ihre letzte Ruhe gefunden: Deutschlands ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, Ulrich de Maizière (1912-2006), und seine Frau Eva (1915-2003), eine Bildhauerin. Sie hat die Grabstatue mit den ihnen ähnelnden Bronzefiguren selbst gearbeitet. Sozusagen als letzte Botschaft: Das Schaffen jedes dieser beiden dürfte nicht ohne die tatkräftige Hilfe des anderen möglich gewesen sein.

Die de Maizières, deren Vorfahren im 17. Jahrhundert vor religiöser Verfolgung aus Frankreich in die Mark Brandenburg geflohen waren, gelten als eine der deutschen Politdynastien. Wobei die Mitglieder in Zeiten des Kalten Krieges in beiden Teilen Deutschlands Karriere machten: Ulrich, der seit 1965 mit Frau und vier Kindern im Heiderhofer Eschenweg lebte, gilt als einer der Väter der Bundeswehr sowie des Prinzips der inneren Führung für die Staatsbürger in Uniform. Der jüngste Sohn Thomas sollte später unter Angela Merkel zum Kanzleramtschef, dann zum Innenminister und schließlich zum Verteidigungsminister aufsteigen.

Zuvor war aus dem ostdeutschen Zweig der Familie Lothar de Maizière, ein Cousin des Ministers, zum letzten Ministerpräsidenten der DDR avanciert. Wobei vor der Wende auch in der Gesamtfamilie innerdeutsche Spannungen geherrscht haben dürften. Der Spiegel behauptete 2015, dass „Bruder Ost“, Lothar de Maizières Vater Clemens, ein DDR-Jurist, bei den wenigen direkten Kontakten versucht haben soll, „Bruder West“, eben den BRD-Militär Ulrich, für die Stasi auszuspionieren.

Eva de Maizière, Begegnungen, Godesberger Fußgängerzone.

Eva de Maizière, Begegnungen, Godesberger Fußgängerzone.

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

Dessen Werdegang wird heute als der eines Prototyps seiner Generation gewertet: Ulrich de Maizière sei zwar vor 1945 als Militär aus Pflichtbewusstsein nicht gegen das Nazi-Regime aufgestanden, schrieb sein Biograf John Zimmermann 2012. Aber er sei nach Verbüßen der Kriegsgefangenschaft einer jener gewesen, die sich selbst ernsthaft hinterfragten, Sichtweisen änderten und das im Einsatz für eine neue demokratische Gesellschaft tatkräftig umsetzten. 2019 taufte das Verteidigungsministerium in Koblenz einen „General Ulrich de Maizière-Campus“. Der posthum Geehrte sei „ein Vordenker“ gewesen.

Der vormalige Heiderhofer evangelische Pfarrer Christian Werner hat Erinnerungen an die Privatperson: „Ulrich de Maizière war zwar mal der oberste deutsche Soldat. Aber er schrie nie ’rum. Er argumentierte.“ Der Mann sei zudem sensibel gewesen. „Er spielte Klavier. So gut, dass ich sogar eine CD von ihm habe,“ sagt Werner.

Eva de Maizière, ausgebildete Cellistin und Hauswirtschaftslehrerin, hatte in all den Jahren die vier Kinder großgezogen und ihrem Mann den Rücken freigehalten. „Sie war eine sehr energische Frau. Leidenschaftlich. Für schnelle, klare Lösungen. Für Veränderungen bereit“, weiß Pfarrer Werner noch.

Von Loki Schmidt, der Kanzlergattin von 1974 bis 1982, ist überliefert, dass sie Eva de Maizière beim ersten Besuch im Eschenweg als Kommandeuse erlebte. Was ihre Bewunderung jedoch nicht schmälerte: In Helmut Schmidts Haushalt waren bis zuletzt drei Skulpturen Eva de Maizières neben solchen des großen Henry Moore ausgestellt.

Denn die Generalsgattin hatte sich in den 1970er Jahren in Bronzeguss ausbilden lassen. Sie wolle den Menschen „in der Gestaltung des Körperlichen und des ihm eigenen Ausdrucks“ erfassen, berichtete sie damals im GA-Interview. Sie unterrichtete ihre Kunst auch selbst und stellte international aus.

„Aber auch im Eschenweg hat sie mehrfach zur Ausstellung eingeladen“, erinnert sich Pfarrer Werner, dessen Gottesdienste und Gesprächsabende die beiden Promis regelmäßig besuchten. Ulrich de Maizière habe sich dabei besonders für Dietrich Bonhoeffer interessiert. „Widerstand in der Nazizeit, das forderte ihn heraus – im guten Sinne, um seine eigene Lebensgeschichte zu verarbeiten“, meint Werner.

Der dann die Entscheidung des Paars sehr bewunderte, für ihre letzten Lebensjahre noch einmal ein paar Meter weiter ins betreute Wohnen am Haus auf dem Heiderhof zu ziehen. „Diese Altersweisheit beider, sich frühzeitig bei klarem Verstand aufs Alter vorzubereiten, treffe ich nur selten an“, sagt der Pfarrer.

Besonders Eva de Maizière habe sich bis zu ihrem Tod für eine gute Atmosphäre in Verbindung mit dem Pflegeheim eingesetzt. Genau dieses positive Lebensgefühl ist auch noch heute in der von ihr geschaffenen Grabstatue auf dem Waldfriedhof zu spüren: wo Ulrich de Maizière ganz zärtlich den Arm um seine Eva legt.

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