Gesamtschule Bad Godesberg Kästner-Texte im Internet veröffentlich - Lehrer soll "Schadenersatz" zahlen

BAD GODESBERG · Eigentlich hatte Martin Schlu nur Gutes im Sinn, als er seine Themenreihen aus dem Deutschunterricht auf seiner Internet-Seite veröffentlichte. Seine Schüler von der Gesamtschule Bad Godesberg sollten zu Hause noch einmal nachlesen, was im Unterricht durchgenommen wurde.

 Das Werk Erich Kästners ist bis 2044 urheberrechtlich geschützt.

Das Werk Erich Kästners ist bis 2044 urheberrechtlich geschützt.

Foto: dpa

Im besten Falle könnten sie über das Medium Internet animiert werden, zu lesen. Lust bekommen auf ein Buch, etwa von Erich Kästner. Doch letzterer macht Schlu nun posthum einen Strich durch die Rechnung. So flatterte dem Pädagogen vor ein paar Tagen der Brief einer Münchner Anwaltskanzlei ins Haus.

Thomas Kästner, Alleinerbe von Erich Kästner, fordert darin die Zahlung von 1 196 Euro Schadenersatz und Anwaltskosten sowie eine Unterlassungserklärung. Nie wieder soll er Werke des Autors ohne Einverständnis des Rechteinhabers verwenden. Kästner gegen Deutschlehrer?

Thomas Kästner ist nach Angaben seines Anwaltes Inhaber der Urheberrechte. Diese Rechte erlöschen erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Im Falle von Erich Kästner wäre das im Jahre 2044. Solange braucht es eine Erlaubnis. Schlu wird in dem Brief schriftlich aufgefordert, "es zu unterlassen, Teile, Auszüge oder gesamte Werke Erich Kästners ohne vorherige Einwilligung durch den Rechteinhaber zu benutzen oder benutzen zu lassen, insbesondere diese im Internet zugänglich zu machen".

Andernfalls droht dem Lehrer eine Vertragsstrafe in Höhe von 5 000 Euro. Für Schlu ist damit klar, dass er Erich Kästner aus seinem Deutschunterricht verbannen wird - wenngleich genau das wohl nicht im Sinne des Autors wäre.

Im Lehrerkollegium habe das Schreiben regelrecht Entsetzen ausgelöst. Unverständnis herrsche darüber, "dass ausgerechnet der Erbe Erich Kästners die juristische Keule schwingt". Außerdem, so Schlu, sei das Kopieren von Gedichten und Teilen von Werken in der Schule an der Tagesordnung.

Er habe Texte Kästners für eine Klassenarbeit abgeschrieben und seinen Schülern zugänglich gemacht. Schlu: "Ich habe auf Elternabenden Gedichte und Textauszüge herumgehen lassen."

Und das kann auch so bleiben: Der Bundestag hat im Mai ein neues Urheberrechtsgesetz beschlossen, wonach Schulen künftig Publikationen kostenlos sogar über ihr internes Intranet einem begrenzten Personenkreis zur Verfügung stellen können.

Damit sollte nach dem Willen des Justizministeriums ein Großteil der Papiere und Fotokopien, die in den Schulen verteilt werden, entfallen - sie sind aber auch weiterhin erlaubt. Die Verbreitung von Teilen von Werken im öffentlichen Internet bleibt verboten.

Der Lehrer an der Gesamtschule Bad Godesberg hat die umstrittenen Inhalte sofort von seiner Seite ( www.martinschlu.de) gelöscht. Zahlen will er den "Schadenersatz" aber zunächst nicht. Er bittet darum, den Betrag zu verringern oder zu erlassen. Bis zum 9. Dezember könne er ihn nicht aufbringen. Victor Struppler, der anwaltliche Vertreter von Thomas Kästner, war am Dienstag in seiner Münchner Kanzlei nicht zu erreichen.

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