Anonyme Urnenbeisetzung Karl-Heinz Hengstler ist der einzige Begleiter bei der Beerdigung seines Freundes

BAD GODESBERG · Traurig steht Karl-Heinz Hengstler auf dem Bad Godesberger Zentralfriedhof. Seit zwei Wochen ist hier sein Freund Helmut K. begraben. Seine Ruhestätte fand er in einem namenlosen Grab. Doch das Erlebnis der Beerdigung lässt Karl-Heinz Hengstler keine Ruhe.

 Nachdenklich steht Karl-Heinz Hengstler an dem Grabfeld auf dem Zentralfriedhof.

Nachdenklich steht Karl-Heinz Hengstler an dem Grabfeld auf dem Zentralfriedhof.

Foto: Rüdiger Franz

Zweieinhalb Monate hatte er von seinem Freund nichts mehr gehört und habe ihn deshalb besuchen wollen, sagt der Godesberger, der die Wohnung des 61-Jährigen verschlossen vorfand. "Leider musste ich von Nachbarn erfahren, dass er schon im Januar gestorben war. Er war einfach in seiner Küche umgefallen, sein Leichnam war abgeholt und die Tür versiegelt worden", sagt Hengstler. Von der Stadtverwaltung erfuhr er den Beerdigungstermin und fand sich eine Stunde vor dem genannten Zeitpunkt auf dem Zentralfriedhof ein, um seinem Bekannten die letzte Ehre zu erweisen.

Helfer eines Bestattungshauses bauten vor dem Andachtsraum ein Gestell mit einigen Kerzen und einer Urne auf, daneben ein Schild mit dem Namen des Verstorbenen. "Schließlich erschien eine junge evangelische Pfarrerin, die mir mitteilte, dass der Tote auf einem von der Stadt eigens erstellten Areal für anonyme Urnenbeisetzungen beigesetzt würde", berichtet Hengstler. Obwohl ihm sein Bekannter mehrfach von Angehörigen erzählt hatte, war niemand sonst erschienen. "Dem Bestattungsinstitut war mitgeteilt worden, dass niemand kommen würde", erfuhr er.

Der letzte Weg seines Freundes setzt dem Bad Godesberger bis heute arg zu: "Wir, das heißt die beiden Angestellten des Bestattungshauses, die Pfarrerin und ich mit meinem Fahrrad marschierten nun gemessenen Schrittes zum Beerdigungsort. Dort war ein etwa 80 Zentimeter tiefes Loch ausgehoben, in das die Helfer die Urne mit den sterblichen Überresten von Helmut K. versenkten.

Die Pfarrerin las aus einem kleinen Büchlein ein paar nette Worte zu Helmut vor, und dann sprachen wir das Vaterunser", beschreibt Hengstler die Situation, mit der die Zeremonie endete. "Ich war tief enttäuscht. Außer mir hatte sich niemand gekümmert, auch die Verwandten von Helmut ließen ihn im Stich", sagt er.

Während Hengstler weiterhin Mühe hat, das Erlebnis zu verarbeiten, sind anonyme Bestattungen keine Seltenheit: 143 anonyme Begräbnisse hat es laut Stadtverwaltung im vergangenen Jahr in Bonn gegeben. Dass dabei keine Verwandte zugegen sind, ist die Regel: "Die Beisetzung erfolgt durch die Friedhofsverwaltung ohne Trauergäste und Angehörige", heißt es auf der entsprechenden Internetseite der Stadt.

Auch überregional steigt die Zahl dieser Art von Bestattungen. Gründe sind der demografische Wandel, der zunehmend für ältere und kinderlose Alleinstehende sorgt, oder die Trennung von Familien durch Scheidung oder Auswanderung.

Noch im Herbst hatte Hannelore Schmitz, die zuständige Sachbearbeiterin im Amt für Stadtgrün, in einem GA-Interview über die "Unbedachten" gesagt: "Das kann die 40-jährige, geschiedene Frau mit zwei minderjährigen Kindern sein, die 90-jährige alte Dame, die alle Verwandten überlebt hat, oder der einsame 82-Jährige, der in Ostpreußen geboren wurde und hier weder Ehepartner noch Angehörige hatte".

Der tote Obdachlose auf der Parkbank sei dagegen sehr selten. Für Karl-Heinz Hengstler hat die gesellschaftliche Erscheinungsform nun ein konkretes Antlitz erhalten. Für ihn ist klar: Er wird das Grab seines Bekannten regelmäßig besuchen.

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