Interview zur Kinderbetreuung in Wachtberg Kein Anspruch auf bestimmte Einrichtung

Bonn · Welche juristischen Möglichkeiten Eltern haben, deren Kinder keinen Kindergartenplatz bekommen, wollte Axel Vogel von dem Bonner Rechtsanwalt Jürgen Vogel wissen, der Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Bonner Anwaltverein ist.

 Ü-3-Kinder spielen auf dem Außengelände der Kita im Familienzentrum Villipp

Ü-3-Kinder spielen auf dem Außengelände der Kita im Familienzentrum Villipp

Foto: Axel Vogel

Welche grundsätzlichen Rechtsansprüche haben Eltern von Kindergartenkindern?
Jürgen Vogel: Die rechtlichen Regelungen zu Kindertageseinrichtungen sind im Sozialgesetzbuch VIII enthalten. Maßgebend ist insbesondere Paragraf 24 SGB VIII. Dort wird in den einzelnen Absätzen bestimmt, dass Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung haben. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagesplätzen zur Verfügung steht. Im zweiten Absatz dieser Norm wird der Rechtsanspruch auf eine Versorgung für Kinder bereits ab einem Jahr erstreckt.

Gibt es eine Einschränkung?
Vogel: Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf, und dieser muss nach der Rechtsprechung des für Bonn und die Region zuständigen Kölner Verwaltungsgerichts objektivierbar sein. Ein solcher objektivierbarer Bedarf liegt jedoch bereits vor, wenn die begehrte Betreuungszeit erforderlich ist, um den Eltern die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.

Wem Gegenüber können Eltern einen Anspruch geltend machen?
Vogel: Grundsätzlich richtet sich der Anspruch „gegen“ den Träger der Jugendhilfe. Somit besteht zunächst kein Anspruch auf Aufnahme in eine bestimmte Einrichtung eines bestimmten Trägers. Dies hat das Oberverwaltungsgericht NRW in einer Entscheidung vom 17. März 2014 noch einmal ausdrücklich klargestellt. Auch müssen Eltern das Jugendamt über ihren Bedarf grundsätzlich sechs Monate vor Inanspruchnahme informieren.

Wie ist die Rechtslage, wenn ein Gericht den Anspruch der Eltern bejaht, die Gemeinde aber keine Betreuung anbieten kann?
Vogel: In der Praxis lösen sich Versorgungsprobleme oft über zusätzlich vereinbarte Kapazitäten in Kitas oder über Kindertagespflegeeinrichtungen. Die zum Teil hohen Kosten für die Kindertagespflege führen regelmäßig dazu, dass längere Zeiträume von fehlender Versorgung nicht bestehen. Regelmäßig tragen bei Ü 3 die Eltern die Beiträge, die sie auch bei Betreuung in der Kita tragen müssten, und die anderen Kosten übernimmt das Jugendamt. Bei U 3 tragen die Eltern die Kosten oft voll – trotz Rechtsanspruch. Im Ergebnis ist jedenfalls die von vielen erwartete Klagewelle nach der Schaffung des Rechtsanspruches für die U 3-Betreuung ausgeblieben. Die allermeisten Kommunen haben bereits ihre Kapazitäten deutlich erweitert. Das hängt auch damit zusammen, dass Jugendämter oft eine umfassende Versorgung für viele Kinder mit individuellem Förderbedarf, vor allem Kinder mit einem anerkannten Grad der Behinderung, für erforderlich gehalten haben. Diese Kinder sollten so in der Familie bleiben können und den Jugendämtern eine viel kostenintensivere Heimunterbringung ersparen.

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