Alte Felsenkeller in Bonn-Friesdorf Kühles Bier aus dem Stollen

Friesdorf · Es ist schon erstaunlich, wie viele historische Schätze unmittelbar vor der eigenen Haustüre liegen, ohne dass man von ihnen weiß. So verbirgt sich zum Beispiel in Friesdorf in einer unscheinbaren Garage ein Tor ins 19. Jahrhundert. Es ist eine Zeitreise in die Welt einer verschwundenen bönnschen Braukultur.

 Der Bierkeller auf dem Grundstück von Wilhelm Klein stammt aus dem 19 Jahrhundert.

Der Bierkeller auf dem Grundstück von Wilhelm Klein stammt aus dem 19 Jahrhundert.

Foto: Ronald Friese

Betritt man die Garage von Wilhelm Klein am Südhang der Annaberger Straße in Friesdorf, fällt einem zunächst nichts Ungewöhnliches auf. Erst beim genaueren Hinschauen und sobald Wilhelm Klein sein Fahrzeug vorgefahren hat, erkennt man ein großes, dunkles Loch an der hinteren Wand. Wenn man sich nun mit einer Taschenlampe in den dahinterliegenden tunnelförmigen Raum hineinwagt, erahnt man bereits, dass es sich hier um sehr alte Bausubstanz handeln muss.

Die Luft ist feucht und kalt. Nach etwa fünf Metern öffnet sich plötzlich ein kleiner Raum, der gleichzeitig das Ende des Kellers markiert. Ein immenser Haufen Geröll aus marodem Schiefer, Lehm und Sandstein stellt sich einem in den Weg. „Das war nicht immer so“, berichtet Heimatforscher Ewald May. „Eigentlich ging der Felsenkeller noch ein ganzes Stück weiter.“

Ursprünglich war der Stollen 20 Meter tief

Begehung eines Bierkellers in Friesdorf
9 Bilder

Begehung eines Bierkellers in Friesdorf

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Der Stollen sei rund 20 Meter lang gewesen und wurde mit ursprünglich elf bis zwölf Gewölbebögen aus Backstein gestützt. Der Grund für den Einbruch des hinteren Teils des Felsenkellers ist laut Wilhelm Klein schnell erzählt: „Mein Großvater hat in wirtschaftlich schweren Zeiten die Gewölbebögen abgebaut, um den Backstein zum Hausbau zu verwenden. Danach ist der hintere instabile Teil zusammengebrochen.“

Heute deponiert Wilhelm Klein hier Baustellenschilder und anderes Material. Vor rund 160 Jahren wurden dort allerdings noch Bierfässer gelagert. Bei dem Stollen handelt es sich nämlich nicht etwa um einen gewöhnlichen Felsenkeller, sondern um einen „Bierkeller“.

Die beiden Heimatforscher Ewald May und Karl Josef Schwalb haben anhand mehrerer auffälliger Charakteristika die ursprüngliche Nutzung des Stollens bestimmt. So liegt der Felsenkeller zum Beispiel unter einem Waldhang, der für dauerhafte Kühlung sorgte, außerdem steht er in direkter Nähe zu einem Bach, aus dem im Winter Eisblöcke geschlagen wurden.

Auffällig ist zudem die Konzeption des Stollens. „Der gesamte Keller weist eine Neigung auf. Wenn die Eisblöcke schmolzen, floss das Wasser durch eine Rinne zum Ausgang. Die Bierfässer standen seitlich auf Sockeln, damit sie nicht nass wurden“, erklärt Ewald May. Zudem führte ein Lüftungsschacht von etwa zwölf Metern Tiefe vom Berghang in den Keller hinab, wodurch die Feuchtigkeit innerhalb des Stollens in Verdunstungskälte umgewandelt wurde.

Fünf alte Bierkeller allein in Friesdorf

Insgesamt fünf solcher Bierkeller gibt es allein in Friesdorf – drei am Südhang der Annaberger Straße und zwei deutlich bekanntere und größere im Klufterbachtal. Doch auch am Kreuzberg in Poppelsdorf sowie im Redoutenpark in Bad Godesberg finden sich vergleichbare Stollen.

Laut Ewald May und Karl Josef Schwalb verkörpern die Bierkeller eine Besonderheit Bonns. Lange Zeit braute man im Rheinland nämlich fast ausschließlich obergärige Biere (Kölsch und Alt). Die im Jahr 1850 einsetzende untergärige Brauweise (Pils) erforderte hingegen spezielle Kühlräume. In der Ebene wie in Köln oder Düsseldorf fehlten die dafür notwendigen Berghänge. Insofern war man dort im Gegensatz zu Bonn weiterhin auf die Herstellung obergäriger Biere angewiesen.

In den Jahren von 1870 bis 1880 änderte sich jedoch die Nutzung der Bonner Felsenkeller. Aufgrund der industriellen Bierherstellung bezogen die Wirte ihr Bier nun von größeren Brauereien aus dem Umland. Die Kühlräume verloren an Bedeutung und wurden vermutlich zur Lagerung von Eis und Lebensmitteln umfunktioniert. Für Wilhelm Klein hat der Bierkeller auf seinem Grundstück vor allem einen ideellen Wert: „Als ich noch ein Kind war, habe ich gerne und oft in den Felsenkellern gespielt.“

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