Bahnhof in Mehlem Lautsprecher bleiben künftig stumm

Mehlem · Die Lautsprecher bleiben stumm. Wenn sich künftig ein IC, ICE oder Güterzug nähert und anschließend durch den Mehlemer Bahnhof rauscht, gibt es an den Gleisen 1, 2 und 3 keine Durchsage mehr. Schon jetzt hagelt es heftige Kritik von Politikern und Kunden.

Die bevorstehende Änderung bestätigte ein Sprecher der Deutschen Bahn AG (DB) aus Düsseldorf dem General-Anzeiger am Dienstag auf Nachfrage. Am Bahnhof Mehlem kündigt die DB keine durchfahrenden Züge mehr an. Ab dem 1. Oktober werden demnach nur noch Züge per Lautsprecher angekündigt, die auch in Mehlem halten.

„Das ist eine Umstellung, die wir auch an anderen Bahnhöfen durchgeführt haben“, so der Bahnsprecher. Künftig sollen weiße Linien auf den Bahnsteigen sowie Piktogramme und Schilder vor den Gefahren durchfahrender Schnellzüge warnen. Für die DB seien diese Sicherheitsmaßnahmen mittlerweile „Standard“, hieß es. Es gebe überall Fehlverhalten, aber wenn sich die Fahrgäste an die Hinweise hielten, müsse das reichen, so der Bahnsprecher.

Der Verzicht auf die Lautsprecherdurchsagen stößt indes auf massive Kritik. „Die Gefahrenlage ist doch genauso hoch wie am Bonner Hauptbahnhof oder anderswo“, meint Ulrich Hauschild von der FDP. Deshalb dürfe man auf gar keinen Fall darauf verzichten. „Eine weiße Linie kann doch kein Ersatz für die Durchsage sein. Das ist ein schlechter Scherz“, so Hauschild.

Auch CDU-Bezirksfraktionschef Philipp Lerch kann die Entscheidung der DB nicht nachvollziehen: „Angesichts unserer hochtechnisierten und digitalisierten Verkehrsinfrastruktur fehlt mir die Fantasie, warum ein Warnhinweis auf durchfahrende Züge nicht mehr an allen Bahnhöfen möglich sein soll.“ Auch Lerch betonte, dass es nicht auf die Größe des Bahnhofs, sondern auf die individuelle Gefahrenlage der Kunden ankomme. Und die sei in Mehlem bekanntermaßen besonders ausgeprägt. Seit Jahren warten Fahrgäste am Bahnhof immer wieder innerhalb der geschlossenen Schranken, bis sich diese öffnen. Der Grund: Die aus Richtung Bonn kommenden Passagiere nutzen nach dem Ausstieg nicht die vorgesehene Unterführung, um auf die andere Straßenseite zu gelangen. Stattdessen gehen viele bis zum Bahnsteigende und verbotenerweise darüber hinweg über die Gleise.

Ein bereits 2010 von der Bahn angebrachtes Verbotsschild sowie ein Zaun haben daran nicht viel geändert. Zu denen, die sich hier illegal bewegen und laut Bundespolizei eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine Straftat begehen, gehören jedoch auch Bahnkunden mit Kinderwagen, Koffern oder Rollstuhl. Ihnen bleibt kaum eine andere Möglichkeit, da der Bahnhof bis heute nicht barrierefrei ist.

„Wir weisen immer wieder daraufhin, vor dem Andreaskreuz zu warten und nicht zu dicht an den Schranken zu stehen oder herumzuturnen“, sagte der Bahnsprecher. Wie gefährlich es wirklich ist, den verbotenen Weg entlang den Gleisen zu wählen, um vermeintlich Zeit zu sparen, zeigte der Tod einer 76-jährigen Frau im Mai 2013. Sie wurde am Mehlemer Bahnhof durch den Sog eines durchfahrenden ICE erfasst. Zwar sei die Abkürzung entlang der Gleise nicht zu befürworten, so die Politiker. Aber die nun wegfallenden Lautsprecherdurchsagen verbessere die sowieso schon prekäre Situation am Bahnhof nicht wirklich. „Das ist ein skandalöses Vorgehen der Bahn. Jetzt schränkt sie nicht nur den Service weiter ein, sondern auch die Sicherheit“, kritisierte Marcel Schmitt vom Bürger Bund Bonn.

Er wolle mit seiner Fraktion das Thema in der Bezirksvertretung ansprechen. „Wir werden dafür sorgen, dass diese Entscheidung wieder rückgängig gemacht wird“, kündigte er an. Auch Monika Heinzel von den Grünen ist von den Plänen der Bahn entsetzt: „Das ist unmöglich. Da sind so viele Kinder unterwegs“, sagte Heinzel. Sie selbst fahre jeden Tag von Mehlem nach Bonn und stelle fest, dass jungen Menschen oft das Bewusstsein für die Gefahr fehle.

So sieht es auch Katrin Haufe-Wadle. Die vierfache Mutter kennt die Lage am Mehlemer Bahnhof gut und macht sich Sorgen: „Ich finde das ganz bedenklich.“ Auch andere Fahrgäste sind wenig begeistert. Eine Frau, die jeden Tag die Bahngleise überquert, sagte, dass die durchfahrenden Züge bisher schon häufig nicht mehr durchgesagt würden.

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