Teil 1: Godesberg für Alteingesessene und Neuzugänge Liebenswert und fremdartig

Bad Godesberg · In der ersten Folge der neuen GA-Serie "Godesberger Gegensätze" gehen wir der Frage nach: Wie nehmen Neubürger und Alteingesessene ihre Heimat, den Stadtbezirk Bad Godesberg, wahr. Dabei gibt es durchaus Gemeinsamkeiten.

Neu-Godesberger: Lena und Andreas Meyer mit Marie.

Neu-Godesberger: Lena und Andreas Meyer mit Marie.

Foto: Axel Vogel

Man muss nicht Jahrzehnte in Bad Godesberg wohnen, um festzustellen, wie der Stadtbezirk tickt. Um ein Stimmungsbild einzufangen, haben wir mit Neu-Godesbergern und mit Alteingesessenen gesprochen. Es gab durchaus Gemeinsamkeiten, zum Beispiel dass eine junge Kultur- und Partyszene fehlt und dass es Ecken gibt, in denen man abends nicht gerne alleine unterwegs ist.

Lena und Andreas Meyer (beide 30) sind mit Tochter Marie im vergangenen November aus der Bonner Weststadt nach Rüngsdorf gezogen, weil sie eine größere Wohnung brauchten. "Ich hab mich schon schwer getan anfangs", sagt Lena Meyer. Ihr Mann ergänzt: "Wir hatten keine Kontakte und sind von eher negativer Berichterstattung geprägt gewesen." Inzwischen können sie sich vorstellen, hier zu bleiben und ein Haus zu kaufen, sollte sich mit Glück etwas Bezahlbares finden.

"Godesberg ist immer noch eine faszinierende Stadt", sagt Hans Flogerzi. Nur heute eben anders als früher. Und nicht immer besser. "Es fehlen wirklich gute Geschäfte", findet der 71-Jährige. Wer ausgehen wollte, dem hatte Godesberg in vergangenen Tagen einiges zu bieten, erinnert sich Flogerzi. Egal ob der Jugendtreff an der Burgstraße, die Discos am Michaelsplatz und im Hansa-Haus - "die hatten eine steile Treppe, auf der mancher zügig und unfreiwillig wieder nach unten gelangte" -, die verschiedenen Restaurants mit bürgerlicher Küche oder die zahlreichen Kinos: Für jeden war etwas dabei. "Man hatte mehr Möglichkeiten, sich zu amüsieren."

Wenn die Neu-Godesberger etwas aus ihrer Kölner Studienzeit vermissen, dann sind das die jungen Kreativen in einer lebendigen Kultur- und Gastroszene. "Hier ist eine sehr gut gewachsene, bürgerliche Welt, die eher auf ein älteres Publikum ausgerichtet ist", sagt Andreas Meyer. Über ihre Tochter haben beide trotzdem schnell Anschluss gefunden. Lena Meyer vermisst in Bad Godesberg Treffpunkte für Eltern und Kinder außerhalb von Pekip- und Musik-Kursen wie das monatliche Babykino im Rex oder "ein Café mit tollem Ambiente".

Deutlich nehmen auch die Neubürger im Stadtbezirk "eine Art Zweiteilung diesseits und jenseits der Gleise wahr". Richtung Rhein werde es immer attraktiver, in der Gegenrichtung immer fremdartiger, "auch wenn wir da immer wieder tolle Ecken entdecken".

"Ich kenne Godesberg noch aus Zeiten, als es von Diplomaten bevölkert war", sagt Hans Flogerzi. Mit seiner Frau sei er häufig bei Botschaftspartys gewesen, die Vermischung der Kulturen habe er stets als gut empfunden - und tut es heute noch. Medizintouristen zum Beispiel seien keine Dauergäste. Da sei es auch egal, ob sie sich verschleiern oder nicht. Aber: Schlimm seien die Salafisten, die hier leben.

Doch auch der Medizintourismus habe seine dunklen Seiten, sagt Flogerzi. Die Vermieter zum Beispiel, die Familien aus ihren Wohnungen werfen, um sie an arabische Patienten zu vermieten. Auch das Thema Sicherheit beschäftigt ihn. "Ich war noch nie ängstlich. Aber heute überlege ich mir, ob ich im Dunkeln mit Rucksack durch den Kur- oder Redoutenpark gehe." Früher habe er dort "mit Godesberger Mädchen geknutscht". Das würde der 71-Jährige heute keinem mehr raten. Der Grund: "Es fehlt Jugendlichen - auffallend oft mit Migrationshintergrund - an Respekt älteren Leuten gegenüber." Seine Freunde und er seien auch als "Rocker" und "Halbstarke" bezeichnet worden, "aber wir hatten Respekt".

Lena Meyer fährt lieber mit dem Rad, statt durch dunkle Unterführungen zu laufen, wenn sie abends zum Kinopolis möchte. "Ich würde auch nicht alleine durch die Godesberger Innenstadt laufen, aber das geht mir mit dem Bonner Loch genauso." Abgesehen von diesem Unsicherheitsfaktor ist Godesberg für die Familie "ein guter Kompromiss zwischen Dorf und Stadt". Dass Marie schnell einen Kindergartenplatz bekommen hat, schlägt dabei genauso zu Buche wie die kurzen Wege in die Natur von Siebengebirge und Eifel.

"Godesberg ist immer noch eine liebenswerte Stadt. Aber es ist das Stiefkind von Bonn", fasst Flogerzi zusammen. Der Wegfall der Bürgerdienste sei zum Beispiel skandalös. Außerdem gebe es nicht genug bezahlbaren Wohnraum. Und trotzdem: "Ich kann nur jeden ermutigen, hierher zu ziehen. Man muss ja nicht in den Problemzonen wohnen." Gerade für junge Familien mit Kindern habe Godesberg viel zu bieten. Das sehen die Meyers genauso.

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