In der Steillage des Lyngsberges Zwei Kletterer sammeln Müll in luftiger Höhe

Lannesdorf · Im Auftrag der Stadt Bonn befreien zwei Kletterer den Lyngsberg von Unrat und unerwünschten Bäumen. Was sie finden, fasst einer von ihnen mit den Worten zusammen: „Das war eine Riesensauerei.“

 Kletterer befreien einen Hang am Lyngsberg vom Müll.

Kletterer befreien einen Hang am Lyngsberg vom Müll.

Foto: Axel Vogel

Wer Höhenangst hat, der wäre bei den diffizilen Biotop-Pflegearbeiten im Naturschutzgebiet Lyngsberg fehl am Platze. Denn zwei besonders ausgebildete Kletterer einer Königswinterer Fachfirma seilen sich im Auftrag der Stadt Bonn von der über 80 Meter hohen Abbruchkante des Steinbruchs in die Tiefe ab, um Rodungsarbeiten in den Steillagen durchzuführen. Zum Wohle der Flora und Fauna in dem höchst wertvollen Naturrefugium, wie die Stadt betont.

Doch die zwei Kletterer hatten dabei noch einen weiteren Auftrag zu erfüllen, mit dem sie wahrlich nicht jeden Tag konfrontiert sein dürften: Sie mussten jede Menge Unrat und wilden Müll aus den schwer zugänglichen Passagen entfernen, da das Naturschutzgebiet zwischen Lannesdorf und Muffendorf in Teilen zu einer Art wilden Müllkippe verkommen ist. Was beim Müllsammeln auftauchte, fasste Wilbert Briem, dessen forstwirtschaftlicher Betrieb die Rodungsarbeiten in den zugänglichen Bereichen des Steinbruches durchführt (der GA berichtete), so zusammen: „Das war eine Riesensauerei.“

Dass man es auch im Naturschutzgebiet Lyngsberg zunehmend mit wild entsorgtem Müll zu tun bekommt, war der Stadt Bonn vor Beginn der Maßnahme klar. Wie berichtet, hatte es schon im vergangenen Jahr Beschwerden von Anliegern gegeben. Sie hatten das verwunschene Areal mit den markanten Aussichtspunkten vor allem als bevorzugten Treffpunkt von Jugendlichen ausgemacht, die auf dem Heiderhof zu Hause sind. Übel aufgestoßen waren den Beschwerdeführern dabei insbesondere die Hinterlassenschaften der Feiern, von Überresten von Grillabenden bis hin zu Hausrat.

Rodungsarbeiten ab Ende 2021

Darum hatte die Stadt bereits Ende des Jahres, vor Beginn der eigentlichen Rodungs- und Pflegearbeiten in dem Naturschutzgebiet, mit dem Saubermachen des Steinbruches begonnen: In einem ersten Schritt wurde zusammen mit der Biologischen Station Bonn/Rhein-Erft der Grünabfall, Müll und Unrat aus den zugänglichen Bereichen entfernt, erklärte Sandra Paul, Leiterin der Bauabteilung im Amt für Umwelt und Stadtgrün, bei einem Ortstermin Ende Januar.

In den unzugänglichen Steillagen betätigen sich jetzt seit einer Woche die von der Stadt beauftragten Kletterer, deren vorrangiges Ziel das Freischneiden des Felsenbiotops ist. Was die Kletterer bis Montag alles zusammengetragen haben, hätte auch Sandra Krueger, Projektleiterin der Unteren Naturschutzbehörde, in der Art und in dem Umfang kaum für möglich gehalten. „Da fragen wir uns schon, was sich die Leute dabei denken“, erklärte sie am Montag vor Ort.

Matratzen und Einkaufswagen gefunden

Die Palette des illegal entsorgten Mülls war in der Tat groß: Von Plastikstühlen, die die Kletterer aus Bäumen holten, über Matratzen und Einkaufswagen, fanden sich auch Feuerlöscher und die Überreste eines Rollers. Zudem große Mengen an Haushaltsmüll wie Flaschen, Bierkästen, leere Verpackungen. Und offensichtlich wurde hier zum Teil Schulmobiliar entsorgt, wie einem Teilnehmer des Pressetermins auffiel. Ein unrühmliches Highlight unter den Funden: „Ein Geldautomat, den wir sofort der Bonner Polizei übergeben haben“, so Krueger.

Mit dem Einsammeln des Mülls und dem Fällen der Bäume in den Steillagen werden die Kletterer noch bis Ende des Monats zu tun haben, dann beginnt die Vogelschutzzeit. Projektleiterin Krueger freut sich, wenn die Arbeiten erledigt sind. Denn insbesondere das Säubern und Freischneiden der Steillagen sei für das Gedeihen des Biotops wichtig: „Mit seinen steilen Felswänden, sonnenbeschienenen Kuppen und schattigen Felsspalten bildet das Gebiet ein buntes Mosaik an schutzwürdigen Lebensräumen.“

Greifvögel sollen wieder nisten

Insbesondere wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten fänden hier potenziell ideale Bedingungen. So sollen die Steilhänge beispielsweise auch für Greifvögel als Nistplatz wieder zugänglich werden. Nachbarn hatten die Vorgehensweise gegenüber dem GA allerdings als zu massiv kritisiert. Eine Blühweise, die noch im März auf der zentralen Lichtung des Steinbruchareals eingesät werden soll, bildet quasi den vorläufigen Abschluss der Pflegearbeiten.

Was noch folgen wird, ist die Einzäunung des rund 5,4 Hektar großen Areals. Damit will die Stadt der Müllproblematik und einem unbefugten Betreten des teils gefährlichen Steinbruches beikommen. Und zwar „in erster Linie zum Schutz der Natur“, betonte Andrea Schulte, Mitarbeiterin des Bonner Presseamtes. Ein Zaun hatte einst bereits an Ort und Stelle gestanden, war aber letztendlich durch Vandalismus zerstört worden. Darum soll ein komplett neuer her. „Die Trasse für den Zaun ist soweit freigeschnitten, so dass wir jetzt mit den Arbeiten beginnen können“, sagte Ingenieurin Doreen Käppler-Jerbi vom Amt für Umwelt und Stadtgrün.

Der größte Teil soll mit einem etwa 1,80 Meter hohen Wildschutzzaun umfasst werden. Auf der Abbruchkante wird allerdings ein 1,80 Meter hoher Stahlgitterzaun errichtet, der ein wenig stabiler ist. Dafür wolle man den Stahlgitterzaun an einer Stelle näher an die Abrisskante heranführen, um ein wenig Ausblick in die Landschaft zu ermöglichen. „Das ist ein Kompromiss, den wir hier eingegangen sind, weil der Lyngsberg so ein beliebtes Naturschutzgebiet ist“, ergänzte Naturschutzexpertin Sandra Krüger.

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