Schutzmöglichkeit in Bad Godesberg Mädchenhaus in Bonn bietet Schutz vor Gewalt

Bad Godesberg · Acht- bis 17-Jährige finden im Mädchenhaus Bonn Schutz vor familiärer Gewalt. Der GA sprach mit der Vorsitzenden Bitten Stuhlmann-Laeisz über die Arbeit des Vereins.

Wie viele Mädchen finden Schutz im Mädchenhaus?

Bitten Stuhlmann-Laeisz: Die Anzahl variiert von Tag zu Tag. Wir haben acht Plätze. Von denen sind vier Inobhutnahme-Plätze für Mädchen, die akut zu uns kommen. Sie werden unbürokratisch aufgenommen. Dann wird das Jugendamt informiert, das wiederum die Eltern informiert. Sie erfahren aber nicht, wo die Tochter sich aufhält. Diese Mädchen können aus Sicherheitsgründen nicht zur Schule gehen.

Und die anderen vier Plätze?

Stuhlmann-Laeisz: Die sind für Mädchen, für die nach der ersten Krisenintervention keine Lösung gefunden worden ist. Die Sozialpädagoginnen überlegen zusammen mit ihnen, wie es weitergehen könnte. Hier spielen oft Sorgerechtsstreitigkeiten eine Rolle. Diese Mädchen können so lange bleiben, bis eine tragfähige Regelung gefunden ist. Sie können zum Teil auch wieder in die Schule gehen und an Freizeitaktivitäten teilnehmen.

Aus welchen Gründen kommen die Mädchen?

Stuhlmann-Laeisz: Allen gemeinsam ist, dass sie Schutz vor Gewalt und Übergriffen suchen. Es handelt sich oft um sexuelle Übergriffe im familiären Umfeld. Manchmal spielen Auseinandersetzungen wegen kultureller Unterschiede eine Rolle. Es gibt auch Mädchen, die wegen Androhung einer Zwangsheirat im Heimatland zu uns flüchten.

Warum muss der Ort anonym bleiben?

Stuhlmann-Laeisz: Weil die Mädchen oft mit allen Mitteln verfolgt und bedroht werden. Sie brauchen den geschützten Raum, um zur Ruhe zu kommen, zu sich zu finden und mit Hilfe der Sozialpädagoginnen und des Jugendamtes eine Perspektive zu entwickeln. Manche Mädchen können nach Klärung der Umstände zurück in ihre Familien. Andere kommen in eine Pflegefamilie oder ins Heim. Die Zeit im Mädchenhaus dient neben der Bewältigung der akuten Krise der Klärung solcher Fragen.

Gibt es Mädchen, die zurück in die Familie wollen?

Stuhlmann-Laeisz: Ja. Sie bereuen vielleicht eine übereilte Entscheidung. Der Auszug aus dem Mädchenhaus ist genauso unbürokratisch wie die Aufnahme. Es gibt aber auch Mädchen, die sich den notwendigen Regeln im Mädchenhaus nicht beugen wollen, die rebellieren und dann ausziehen.

Was kann vor Ort getan werden?

Stuhlmann-Laeisz: Mit den Mädchen wird intensiv darüber gesprochen, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen. Sie werden zu Gesprächen mit dem Jugendamt, mit Ärzten und, wenn möglich, mit den Eltern oder Elternteilen begleitet. Sie werden umsorgt und ernst genommen.

Wie lange bleiben sie?

Stuhlmann-Laeisz: Der Schnitt liegt bei drei Monaten. Eine anstrengende Zeit, in der sehr viel für jedes einzelne Mädchen entschieden und in die Wege geleitet werden muss. Sie sind traumatisiert und neigen oft zu Stimmungsschwankungen.

Wo sind Grenzen gesetzt?

Stuhlmann-Laeisz: Mädchen, die an psychischen Erkrankungen leiden, Drogen nehmen oder gewaltbereit oder kriminell sind, können wir nicht aufnehmen. Sie brauchen andere Hilfe.

Welche Zukunftsperspektiven haben die Mädchen?

Stuhlmann-Laeisz: Sehr wichtig ist es, dass sie am Ende in ein Ausbildungsverhältnis kommen, dass sie für sich selbst sorgen können. Viele sind noch schulpflichtig. Für Mädchen, die nicht zur Schule können, hat der Verein Mädchenhaus Bonn eine Lehrerin eingestellt. Sie unterrichtet auch Deutsch als Fremdsprache. Zugleich hilft ihr festes Angebot den Mädchen, eine Struktur in ihren Alltag zu bekommen.

Ist die Finanzierung gesichert?

Stuhlmann-Laeisz: Der Aufenthalt im Mädchenhaus wird durch Tagessätze von der Kommune finanziert. Zusätzliche therapeutische Maßnahmen, die helfen, Traumata zu überwinden, finanziert der Verein Mädchenhaus, der das Haus zusammen mit der Evangelischen Jugendhilfe Godesheim betreibt.

Werden auch Mädchen abgewiesen?

Stuhlmann-Laeisz: Abgewiesen wird keins, manchmal aber in ein anderes Mädchenhaus vermittelt, wenn das Haus voll ist. Meistens wird aber improvisiert, eine zusätzliche Matratze wird hingelegt. Manche kommen, ohne irgendetwas dabei zu haben. Eine basale Versorgung ist dann notwendig. Durch eingeworbene Spenden kann unser Verein hier helfen.

Ist Ihnen ein Schicksal besonders eindrücklich?

Stuhlmann-Laeisz: Ich denke an ein Mädchen, das nach einer langen Flucht zu Fuß bei uns ankam: traumatisiert, erschöpft, mit furchtbaren Erlebnissen, aber zugleich voller Hoffnung auf ein neues, besseres Leben. Sie hat sehr schnell Deutsch gelernt, die Schule besucht, ihren Abschluss gemacht. Sie lebt jetzt allein, hat einen Ausbildungsplatz und ist so zufrieden und glücklich. Sie hat eine Perspektive.

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