Tourette-Syndrom Marco (12) wurde nur von Bonner Schule angenommen

Bonn · "Weißt Du, wie sehr ich mich auf die Schule freue?" fragt Marco und seine Augen leuchten. Eben stand der Zwölfjährige noch einmal vor der Hebo-Privatschule, die ihn ab dem nächsten Schuljahr aufnehmen will.

 Neubeginn am Rhein: Alexandra und Eugen Ritter suchen für sich, Tochter Lisa und Sohn Marco eine Wohnung, weil nur eine Schule in Bonn den Jungen mit Tourette-Syndrom annimmt.

Neubeginn am Rhein: Alexandra und Eugen Ritter suchen für sich, Tochter Lisa und Sohn Marco eine Wohnung, weil nur eine Schule in Bonn den Jungen mit Tourette-Syndrom annimmt.

Foto: Barbara Frommann

"Nach einem Jahr ohne Schule kann Marco es gar nicht erwarten", nicken seine Eltern Alexandra und Eugen Ritter. "Hoffentlich ärgern und verprügeln sie ihn da nicht", fügt Schwester Lisa hinzu. Marco blickt ernst. Und lacht dann wieder. "In der Hebo-Schule haben sie gesagt: Ich wäre ein Sonnenschein, so lebendig und froh", erzählt er von den Probetagen.

Unter dem Tisch knetet er seine Hände. Marco hat das Tourette-Syndrom: Der Junge aus dem baden-württembergischen Schorndorf leidet unter unkontrollierbaren Zwängen. Die machten ihn schon in der Grundschule, die er mit Förderbegleitung durchlief, zum Außenseiter.

"Wenn die Leute nur genau hinschauen würden. Wenn sie sich nur mal über die Krankheit informieren würden. Marco ist ein ganz lieber Kerl", sagt seine Mutter.

"Ich bin sehr gut in Mathe und Religion. Ach, ich mag eigentlich alle Fächer", nimmt Marco selbst wieder den Faden auf. Zu Hause konstruiere er am liebsten. "Also ich mache die Entwürfe. Und Lisa hilft mir beim Bauen." Marco berichtet begeistert von seinen Werken aus Lego-Bausteinen.

Sein Sohn wage sich an die kompliziertesten Dinge, erklärt der Vater stolz . "Die Ärzte haben gesagt: Ich kapiere sehr schnell. Und ich bin richtig klug in Technik", meint Marco. Beim Gespräch ist der Junge lebendig dabei. Nur einmal, als eine Wespe heransummt, sucht er Schutz, vergräbt seinen Kopf am Körper des Vaters.

Marco brauche unbedingt seine Familie, deshalb wollten sie ihn auch auf keinen Fall in ein Internat geben, sagt Alexandra Ritter. Dutzende von Schulen in Baden-Württemberg und dann bundesweit habe sie ohne Erfolg angefragt, sagt Alexandra Ritter. Nur die Hebo-Schule in Bonn wollte es mit Marco versuchen.

Deshalb wollen sie alle möglichst schnell nach Bonn ziehen an den neuen Schulort des Jungen. Eugen Ritter, der in der Glasbranche arbeitet, bleibt noch ein halbes Jahr in Schorndorf und wohnt dort bei seinen Eltern. Er sucht nun eine neue Arbeitsstelle in NRW.

Am Vormittag hat die Familie erneut Wohnungen angeschaut. Nach der leidvollen Odyssee soll es hier endlich mit einem Neubeginn klappen. "Dafür brauchen wir aber ganz dringend eine bezahlbare Vierzimmerwohnung. Wir suchen einen Vermieter, der uns will", sagt Alexandra Ritter und berichtet von Absagen ohne Begründung.

Die Zeit dränge. Aber die Familie habe ja darauf warten müssen, dass das Schorndorfer Jugendamt finanzielle Unterstützung für die Beschulung zusagte. "Marco hat die Gymnasialempfehlung. Es war ein Fehler, ihn zuerst auf eine Realschule zu schicken", ergänzt Paul Ritter. In dem riesigen Schulzentrum habe sich ihr Sohn völlig verloren gefühlt. Er wurde gemobbt, wurde depressiv und wollte nicht mehr leben. Ohne ihn hätte die Familie kein Problem mehr, habe er gesagt.

Drei Monate in einem Therapiezentrum folgten. Die Eltern suchten händeringend nach einer Schule. Aber niemand habe den Jungen mit Tournette-Syndrom gewollt. Dabei gebe es schließlich eine Schulpflicht. Jetzt hoffen die Eltern, dass das Bonner Jugendamt die Förderung Marcos übernimmt. Denn der Junge will nur eines: mit anderen Kindern in die Schule gehen.

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