Vortrag bei der Deutsch-Türkischen Gesellschaft Bonn „Es gibt keine Anzeichen, dass der Krieg aufhört“

Bad Godesberg · Matthias Fischer ist Wirtschaftsgesandter der Deutschen Botschaft in Moskau. In Bad Godesberg berichtete er davon, wie es sich aktuell in der russischen Hauptstadt lebt und dass europäische Flugzeuge als Ersatzteillager für russische Flieger dienen.

 Matthias Fischer, Wirtschaftsgesandter an der Deutschen Botschaft in Moskau, war im Haus an der Redoute zu Gast.

Matthias Fischer, Wirtschaftsgesandter an der Deutschen Botschaft in Moskau, war im Haus an der Redoute zu Gast.

Foto: Maximilian Mühlens

Es waren Informationen aus erster Hand, die die Besucherinnen und Besucher am Donnerstagabend im Haus an der Redoute von Matthias Fischer bekamen. Fischer, Wirtschaftsgesandter an der Deutschen Botschaft in Moskau, war auf Einladung der Deutsch-Türkischen Gesellschaft nach Bad Godesberg gekommen, um über seine Erfahrungen in Moskau während des Ukraine-Krieges zu berichten. Der Diplomat, der gerne Fliege trägt, wählte bewusst ein gelbes Modell aus. Die Farbe seines Kurzarmhemdes war auch nicht zufällig gewählt: Das blaue Hemd und die Krawatte trugen die Farbe der Ukraine. „Das ist ein Krieg, bei dem man nicht neutral sein kann“, so Fischer.

Diplomat hat langjährige Erfahrung

Gleich zu Beginn seines Vortrages machte er mit Zahlen die Dimensionen des Krieges deutlich. „Wir gehen von 50.000 bis 60.000 Toten in der Ukraine aus, darunter 15.000 bis 20.000 tote russische Soldaten“, so Fischer. In Deutschland seien seit Ausbruch des Krieges rund 800.000 ukrainische Flüchtlinge aufgenommen worden, mittlerweile hätte man darüber verlässlichere Zahlen. „Es ist ein Krieg, der 1000 Kilometer von Berlin herrscht“, so der Diplomat. Fischer ist ein Mann, der schon seit vielen Jahren die Interessen Deutschlands im Ausland vertritt. Er war in Polen, 13 Jahre lang in Portugal, in Spanien, in Pakistan und auch in Ägypten.

Von dem Krieg sei in Moskau nichts zu spüren. „Die Stadt ist wirklich schön. Sie ist vor allem sehr sicher, überall hängen Kameras“, erzählte Fischer. Das Land habe sich auch gemacht – bis zum Jahr 2012. „Die Russen hatten bis 2012 einen Standard erreicht, der mit dem in Südeuropa zu vergleichen ist“, so Fischer. Das habe man auch daran gemerkt, dass die Autos der Russen immer größer wurden. „In Moskau geht das Herz eines jeden Wirtschaftsgesandten auf: Sie sehen Porsche, Audi, Mercedes und Volkswagen – alles da. Die Unternehmen haben dort gut verdient“, so Matthias Fischer. Es hätte einfach dazu gehört, wenn man eine kleine Wohnung in Moskau besaß auch einen Porsche zu fahren. Die Frauen hätten den Porsche Cayenne bevorzugt, die Herren den Panamera, wie ein Porsche-Chef Fischer mal erzählte. Eine der ersten Fragen der Kunden sei immer gewesen, wie breit die Reifen seien.

Seit 2015 bricht die Wirtschaft in Russland ein

Doch 2015 habe sich das alles geändert. Die Wirtschaft im größten Land der Erde wachse seitdem sehr viel langsamer. Die weitreichenden Sanktionen der westlichen Länder würden Russland nun vor enorme Schwierigkeiten stellen. Die Verkehrssanktionen würden das Land besonders treffen, da russische Flugzeuge nun fast nirgends mehr landen dürften. „Es finden quasi nur noch Inlandsflüge statt“, so Fischer. Er selber sei über die Türkei nach Deutschland gereist, Turkish Airlines würde gerade gut verdienen, so Fischer.

Problematisch für Russland sei es allerdings, dass das Land keine Ersatzteile, wie beispielsweise Steuerungsgeräte, mehr für Flugzeuge erhalte. Das Flugzeug sei das wichtigste Transportmittel in dem großen Land. Gemietete und geleaste europäische Flugzeuge würden derzeit als Ersatzteillager dienen. „Man vermutet, dass die Flugzeuge schon bald keine weiten Strecken mehr fliegen können“, so Fischer. Neue Lada-Fahrzeuge hätten kein ABS und keine Navigationsgeräte mehr. „Der Autoverkauf ist um 80 Prozent eingebrochen“, so Fischer. Allerdings würde es, so berichtete Fischer, erboste Anrufe vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB und dem Präsidentenpalast geben. Beide nutzen nämlich Mercedes-Benz-Fahrzeuge und benötigen Ersatzteile. Bei dem Fahrzeug Putins handelt es sich um einen Aurus Senat. „Was nur wenige wissen: Dieser Wagen hat die Ausstattung von Porsche“, so Fischer. Daher sei dies gerade eine schwierige Situation für die Autobauer. Die Botschaft würde aber vermitteln.

Matthias Fischer teilt die Auffassung, dass der Krieg noch lange dauern könnte. Aktuell käme die russische Armee täglich 200 bis 300 Meter voran. „Es gibt keine Anzeichen, dass der Krieg aufhört“, so Fischer.

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