Maike Rolf im Interview Mediatorin soll die Menschen an einen Tisch bringen

Interview | Lannesdorf · Maike Rolf übernimmt im Quartiersmanagement in Lannesdorf-Obermehlem die Rolle der Mediatorin. Damit könne man auch bei öffentlichen Anliegen Konflikte entschärfen – wenn alle Parteien mitmachen.

 Maike Rolf übernimmt im Quartiersmanagement in Lannesdorf eine wichtige Funktion für ein besseres Miteinander.

Maike Rolf übernimmt im Quartiersmanagement in Lannesdorf eine wichtige Funktion für ein besseres Miteinander.

Foto: Benjamin Westhoff

Mediation soll auch im Quartiersmanagement in Lannesdorf-Obermehlem eine wichtige Funktion für ein besseres Miteinander übernehmen. Mediatorin Maike Rolf erklärt im Gespräch mit Martin Wein, was dahintersteckt und in welchen Fällen sich das Verfahren einsetzen lässt. In der nächsten Woche beginnt sie eine Vortragsreihe zum Thema.

Sie bieten Mediation im Rahmen des Quartiersmanagements an. Gibt es im Quartier einen erhöhtes Konfliktpotenzial?

Maike Rolf: Wo sich Menschen begegnen, gibt es immer Konfliktpotenzial. Das ist in Lannesdorf und Obermehlem nicht anders. Wir haben hier ein sehr heterogenes Viertel. Das finde ich sehr schön. Aber es ist gleichzeitig sinnvoll, wenn es dann auch eine Anlaufstelle für Streitfälle gibt.

Um welche Art von Konflikten geht es dabei?

Rolf: Wir als Quartiersmanagement wollen vor allem bei Nachbarschaftskonflikten, Konflikten im öffentlichen Raum und im ehrenamtlichen Bereich unterstützen. Dort kommt es auch schon mal zu Meinungsverschiedenheiten. Wenn man sich darum nicht kümmert, hören Ehrenamtliche irgendwann einfach auf und ziehen sich zurück. Das ist schade und unnötig.

Können Sie ein paar Beispiele für typische Konflikte nennen?

Rolf: Gerade jetzt im Sommer spielt der Lärm eine große Rolle. Menschen treffen sich abends draußen. Andere möchten schon schlafen und fühlen sich gestört. Vielen Menschen mangelt es auch an einer konstruktiven Kommunikationskultur. Dann kommt es gerade in Vereinen oder Gremien schnell zum Streit. In solchen Fällen geht es oft gar nicht so sehr um Inhalte, sondern vielmehr ums Verhalten. Wer sich selbst kurz fasst, andere ausreden lässt und ihre Meinungen einbezieht, der trägt ganz erheblich zu einem konstruktiven Miteinander bei. Wichtig ist es auch, Entscheidungen gut zu begründen und nicht einfach durchzusetzen. Das dauert länger, aber es ist entschieden nachhaltiger.

Wie kann Mediation Konflikte entschärfen helfen?

Rolf: Mediation ist ein strukturiertes Verfahren, das den Parteien einen sicheren Raum bietet. Die Mediatorin oder der Mediator ist dabei allparteilich, das heißt allen Parteien zugewandt. Dazu lade ich die Konfliktparteien ein, jeweils ohne Unterbrechung durch die Gegenseite ihre Sicht der Dinge darzulegen. Danach versuche ich, die wichtigsten Themen zu definieren. Oft geht es um Positionen. Beispielsweise fühlt sich jemand gestört und will feiernde Jugendlichen wegschicken. Interessant wird es, wenn ich nach dem Bedürfnis suche, das dahintersteckt. Ist es das Bedürfnis nach Ruhe, dann können die anderen sich vielleicht leiser verhalten oder nur bis 22 Uhr bleiben. Geht es hingegen um das Bedürfnis nach Sauberkeit, dann könnte eine Lösung sein, dass die Jugendlichen den Platz sorgfältiger aufräumen.

Sind wir nach Ihrer Wahrnehmung heute weniger konfliktresistent als in der Vergangenheit?

Rolf: Ich glaube, unsere heutige Gesellschaft ist freiheitlicher als in der Vergangenheit. So kollidieren die unterschiedlichen Ansprüche ans Leben öfter miteinander. In der Vergangenheit waren gesellschaftliche Strukturen hierarchischer und Normen strenger. Diese Ansprüche wurden auch stärker durchgesetzt. Ich glaube aber nicht, dass das besser war. Viele Konflikte und Bedürfnisse wurden so ja nur oberflächlich unterdrückt.

Wer sollte die Mediation durchführen? Muss das ein Profi sein?

Rolf: Wenn ein Konflikt stärker eskaliert ist, sollte man in jedem Fall eine erfahrene Mediatorin oder einen erfahrenen Mediator konsultieren. Hier im Quartiersmanagement wollen wir auch Ehrenamtliche dazu weiterbilden. Die können zwar dann nicht als Profis formale Mediationen übernehmen, aber in ihrem Alltag vor Ort deeskalierend eingreifen. Auch im nachbarschaftlichen Bereich kann man so etwas etablieren. Das klappt besonders gut mit zwei Personen, von denen eine schon mehr Erfahrung in der Mediation hat.

Wie ist es nach einer Mediation? Wie oft gehen die Parteien wirklich versöhnt auseinander?

Rolf: Die Mediation ist ganz offen. Ich gebe den Parteien keine Lösungsvorschläge vor. Die müssen sie selbst erarbeiten. Eine Lösung kann dann durchaus auch sein, dass sich die Konfliktparteien trennen. Wenn jemand merkt, dass er sein Bedürfnis beispielsweise in einem Verein nicht mehr erfüllen kann, dann kann das eine bewusste Entscheidung und damit eine gute Lösung sein. In solch einem Fall würde es dann darum gehen, ein für alle gutes Auseinandergehen zu ermöglichen.

Es sollen sich am Ende also nicht unbedingt alle in den Armen liegen?

Rolf: Das Ziel ist in jedem Fall eine Win-win-Situation für beide. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, wo es meist einen Verlierer gibt, manchmal auch zwei. Dazu muss man den Konflikt in allen Dimensionen besprechen, auch auf der emotionalen Ebene. Da erreicht man dann oft den Wendepunkt, an dem Menschen wieder aufeinander zugehen können, weil sie dabei nicht das Gesicht verlieren.

Ist Mediation etwas Ähnliches wie das gerichtliche Schiedsverfahren?

Rolf: Es gibt verschiedene Formen der alternativen Konfliktbearbeitung. Mediation ist nur eine davon. Das Verfahren ist in den 1950er Jahren in den USA entstanden und in den vergangenen Jahrzehnten auch hier in Deutschland sehr populär geworden.

Wann macht es keinen Sinn, auf eine Mediation zu setzen?

Rolf: Eine Grundvoraussetzung ist Freiwilligkeit. Wenn eine Partei nicht möchte, bleibt allenfalls eine Konfliktberatung der willigen Partei. Dabei kann man schauen, wie man den Konflikt von sich aus deeskalieren kann, zum Beispiel durch konstruktive Kommunikation oder eine neutralere innere Haltung. Aber eine Lösung wird es dann nicht geben. Ansonsten würde ich sagen: Bei Straftaten hört der Spaß auf. Da kann eine Mediation erst im Rahmen des Strafverfahrens als Täter-Opfer-Ausgleich sinnvoll sein, wenn vor allem das Opfer damit einverstanden ist.

Im Herbst 2021 bietet das Quartiersmanagement Lannesdorf-Obermehlem die Vortrags- und Workshop-Reihe „Mediation, die Kunst der konstruktiven Konfliktbearbeitung“ zum Thema konstruktive Konfliktbearbeitung (Mediation) an. Der erste Vortrag dieser Reihe mit Fragerunde und Austausch findet am 13. September um 18 Uhr im Quartiersmanagement statt. Die Anmeldung ist unter quartiersmanagement@frauenhilfe-rheinland.de oder 0228-9541320 möglich.

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