Bonn: Gegen Hetze und Bedrohung im Internet Medienscouts begleiten Mitschüler bei ersten Online-Erfahrungen

Bad Godesberg · Am Aloisiuskolleg in Bad Godesberg lassen sich Schüler zu Medienscouts ausbilden, um Jüngere über Gefahren mit Diensten wie Whatsapp, Tiktok, Snapchat aufzuklären. Selbst der Lehrer sagt, er habe noch einiges dazugelernt.

Die neuen Medienscouts des Aloisiuskollegs mit ihrem Beratungslehrer Michael Conzen.

Die neuen Medienscouts des Aloisiuskollegs mit ihrem Beratungslehrer Michael Conzen.

Foto: Axel Vogel

„Am besten gar nicht installieren“ – dieser schlichte Hinweis steht symbolisch für zahlreiche konkreten Erkenntnisse, die Schülerinnen und Schüler aus drei Bonner weiterführenden Schulen aus ihrer Ausbildung zu Medienscouts mitnehmen und künftig auch weitergeben wollen. Der Rat bezieht sich auf eine der gängigsten Social-Media-Apps, geäußert hat ihn eine 14-Jährige beim Abschlusstreffen der Scout-Ausbildung im Bad Godesberger Aloisiuskolleg (Ako).

Scouts wollen Mitschüler sensibilisieren

Ihre Altersgruppe steht bisweilen im Verdacht, ohne große Reflexion und Vorsicht im Umgang mit Kontakt-Apps und Online-Medien zu sein. Sie und die rund 20 weiteren frisch ausgebildeten Scouts wollen das Gegenteil beweisen und künftig auch Mitschülerinnen und Mitschüler sensibilisieren – mit ihrem erworbenen Wissen als Experten für den möglichst stressfreien und sicheren Umgang mit Whatsapp, Tiktok, Snapchat und Co. ebenso wie mit Nachrichten, die mehr oder weniger offensichtlich falsch sind.

Jugendliche der siebten bis neunten Jahrgangsstufe von Ako, Bonns Fünfter und dem Friedrich-Ebert-Gymnasium sind für die aktuelle Ausbildungsrunde zusammengekommen. Das Angebot selbst gibt es seit etwa zehn Jahren. Die Ausgangslage für das Projekt, das vom städtischen Medienzentrum und der Bonner Polizei verantwortet wird, ist klar umrissen: „Nahezu jeder und jede Jugendliche hat ein Smartphone, oft auch bereits Kinder. Risiken, die mit Apps zum Chatten oder sozialen Netzwerken verbunden sind, werden aber oft unterschätzt“, sagt Medienpädagogin Lena Steppeler und geht weiter ins Detail der Realitäten: „Bisweilen werden sie auch ignoriert, weil der soziale Druck hoch ist.“

Dies bestätigt, ohne die Aussage der Projektbetreuerin gehört zu haben, die Schülerin Helena, die sich jetzt Medienscout für Bonns Fünfte nennen darf: „Man wird schief angeguckt, wenn man nicht bei den Apps und Chats dabei ist. Viele geben dem Druck nach.“

Aufklären über Mobbing und kriminellem Betrug

Dieser ernüchternden Erkenntnis will unter anderem ein Trio von Ako-Schülerinnen etwas entgegensetzen. Jana Hofmann, Lena Albers und Anastasija Grusecka treten künftig an ihrer Schule an, um Kinder der fünften bis siebten Klassen bei den frühen Schritten in digitalen Kontakt- und Lebenswelten zu unterstützen – und sie dabei für Risiken zu sensibilisieren, von Mobbing über Belästigung bis zum kriminellen Betrug. „Mir war bewusst, dass man vorsichtig sein muss“, sagt Anastasija über das Agieren auf digitalen Verbindungswegen, „jetzt bin ich aber in der Lage, das Ganze zu überblicken und auch anderen etwas mitzugeben.“ Sie fühle sich jetzt sicherer und für Gefahren sensibilisiert, ergänzt Jana. Ob sie sich schon vorstellen können, demnächst aktiv mit den Jüngeren zu agieren? „Auf jeden Fall“, sagt Lena, die anderen nicken zustimmend.

Medienscouts sollen nicht nur auf den Plan treten, wenn es um das Vermeiden von psychischem Stress oder körperliche Bedrohung geht. „Sie klären auch darüber auf, was in Sachen Online-Sicherheit am besten zu tun ist oder was im Fall diverser Datenkraken zu lassen ist“, sagt Steppeler. Ein Quartett von Ako-Schülern hat sich mit Passwort-Sicherheit und der Nachverfolgbarkeit von Internet-Bewegungen beschäftigt. „Ich glaube, sowas täte auch vielen Erwachsenen gut“, sagt Neu-Scout Leon. Michael Conzen, der das Projekt als Ako-Lehrer begleitet, stimmt zu: „Ich habe selbst noch viel dazugelernt, das dürfte Kollegen und Eltern nicht anders gehen.“

Die Pädagogin betont mehrfach die Entwicklung der Teilnehmenden im Laufe der Ausbildung in den vergangenen Wochen. „Aus anfänglicher Scheu wurde Offenheit und Selbstbewusstsein. Am Ende haben alle bewiesen, dass sie auch vor anderen über die Themen sprechen können.“

Pascal Lehan-Bergmeier hat als Vertreter der Polizei die Medienscouts begleitet, sein Beitrag in der Ausbildung zielt vor allem auf die rechtlichen Aspekte im Medien-Nutzungskosmos ab. Aber auch die Soft Skills liegen ihm am Herzen: „Es geht um Menschlichkeit, Rücksicht, um die berühmten Netiquette in sozialen Netzwerken“, zählt der Kriminalist auf. „Daneben ist es wichtig, dass die Jugendlichen für sich selbst und dann auch in der Weitergabe an Jüngere wissen, an wen sie sich wenden müssen.“ Das Wissen um Schutzmaßnahmen und Begleitung, etwa durch Weiterleitung an die richtigen Organisationen und Ansprechpartner, seien elementarer Teil der Ausbildung.

Die Verantwortlichen setzen außerdem auf den Umstand, dass die Medienscouts Rat und Hilfe auch durch fehlende Altersdistanz besser anbringen können als Eltern oder Lehrer. „Die Hierarchie fällt weg“, benennt es Lehan-Bergmeier. „Ältere Mitschüler gelten bei akuten Problemen als vertrauensvolle Ansprechpartner, das lehrt die Erfahrung.“ Der Polizei-Begleiter bringt eine Studie der Landesanstalt für Medien und dem Bündnis gegen Cybermobbing an, wonach ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen im Internet entweder mit Cybermobbing oder mit einem Versuch eines sexuellen Übergriffs konfrontiert werden. „Wir kennen das Problem“, sagen etliche der frischgebackenen Medienscouts auf Nachfrage, ohne ins Detail gehen zu wollen. „Aber wir wissen jetzt einfach noch besser, wie man reagiert.“

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