Äußerungen zu Missbrauchsskandal Jesuitenspitze rügt ehemaligen Ako-Rektor Theo Schneider

Bad Godesberg/München · Der Leiter des Jesuitenordens distanziert sich von verharmlosenden Äußerungen von Ex-Rektor Theo Schneider zum Missbrauchsskandal am Aloisiuskolleg (Ako). Damit äußert sich die Ordensgemeinschaft erstmals derart kritisch zum Verhalten des Paters.

Das Grabd des Missbrauchtäters Pater Ludger Stüper auf dem Friedhof des Aloisiuskollegs.

Das Grabd des Missbrauchtäters Pater Ludger Stüper auf dem Friedhof des Aloisiuskollegs.

Foto: Ebba hagenberg-Miliu

Der Jesuitenorden geht dreizehn Jahre nach Ausbruch des Missbrauchsskandals auf Distanz zu Pater Theo Schneider. Der war 2010 als Rektor des Aloisiuskollegs (Ako) zurückgetreten. Auf der Homepage der Jesuiten Zentraleuropas reagiert deren Provinzial Bernhard Bürgler in einer Stellungnahme mit scharfer Kritik auf neuste Äußerungen Schneiders im Zeit-Magazin vom 16. März.

Diese erweckten den Eindruck, als könne es an den „zahlreichen glaubwürdigen Berichte von Betroffenen“ am Ako und an deren Dokumentation im vom Orden beauftragten Zinsmeister-Bericht von 2011 Zweifel geben, führt der Provinzial aus. „Die Verlässlichkeit dieser Grundlage zu bestreiten, bedeutet deswegen auch, die Glaubwürdigkeit und Legitimität des gesamten Aufarbeitungsprozesses zu bestreiten, der in den letzten Jahren stattgefunden hat. Dagegen verwahre ich mich.“

Pater Schneider hatte im Artikel die Ereignisse aus seiner Zeit als verantwortlicher Internatsleiter und dann Rektor von 1984 bis 2010 relativiert. Als Täter ist sein Vorgänger, der 2010 verstorbene Pater Ludger Stüper, ermittelt. Provinzial Bürgler klassifiziert dessen Handlungen als „pädokriminelle Taten“. „Wenn er all das getan hat“, schränkt Schneider zu Stüper ein und meint: „Die Moralvorstellungen in der Gesellschaft wandeln sich“, etwa „wie viel Nacktheit akzeptabel ist.“ Er habe Stüper immer vertraut. „Ich hatte meine eigenen Erfahrungen mit ihm, die dazu nicht passen.“ Wenn in Familien Väter Söhne zum Oralsex zwängen, „das ist Missbrauch im echten Sinn“, so Schneider. Stüper wird im Zinsmeister-Bericht übrigens auch dieses Verbrechens beschuldigt.

Der Jesuitenprovinzial widerspricht Pater Schneider. Der verharmlose das Gewicht der Taten und deren Folgen für die Betroffenen. Die Straftaten hätten schon seinerzeit als solche erkannt werden müssen, sagt Bürgler. Pater Schneider trage deshalb „eine Verantwortung für die Aufklärung und Aufarbeitung“, beteilige sich aber seit dreizehn Jahren nicht daran, was eine Belastung für die Betroffenen und die Bemühungen am Ako darstelle. Von zahlreichen Personen werde er sogar als Opfer des Prozesses gesehen. „Das Schweigen von Pater Schneider zu dieser Täter-Opfer-Umkehr spaltet innerhalb und außerhalb des Ordens“, am Ako ebenso wie im Bonner Raum und darüber hinaus und führe zu ständig neuem „victim-blaming“ (übersetzt: Opferbeschuldigung), klagt der Provinzial. „Das ist und bleibt eine offene Wunde.“ Er werde weiter das Gespräch mit Schneider suchen, um ihn für eine aktive Teilnahme zu gewinnen.

Die öffentliche Haltung der Jesuitenspitze hat sich damit elementar geändert. 2015 hatte der damalige Provinzial Stefan Kiechle über den auch nach 2010 in Leitungsposition eingesetzten Ordensbruder im GA gesagt: „Pater Schneider hat nach wie vor mein Vertrauen.“ Nachfolgeprovinzial Johannes Siebner hatte 2017 im GA angekündigt, er werde mit Schneider sprechen.

Bonner Opferverein begrüßt Einordnung des Provinzials

Der Opferverein Eckiger Tisch Bonn erklärt nun, er fordere seit 2010 vergeblich eine „Einordnung“ des Ordens zu Pater Schneider, der wie kein anderer Verantwortung für Missbrauch im Ako und in „Scouting“-Gruppen seiner ehemaligen Bildungseinrichtung trage „und Kinder dort nicht geschützt hat.“ Der heutige Provinzial benenne nun in ungewohnter Deutlichkeit Verantwortlichkeiten und stelle Schneiders Meinung „richtig“. „Wir begrüßen, dass das nun endlich erfolgt ist.“ Man fordere jedoch weiterhin eine unabhängige Untersuchung der Taten und systemischen Ursachen, „damit Aufarbeitung keine kirchenabhängige Interpretationsfrage bleibt“.

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