Bergung in Muffendorf Muffendorf atmet auf

MUFFENDORF · Alle vier gefährlichen Chemie-Eimer, die vermutlich seit mehr als 80 Jahren in einem Schuppen standen, sind gesichert. Zehn Tage lang hatte das darin lagernde Pflanzenschutzmittel "Selinon" Einsatzkräfte, Experten und vor allem Anwohner in Atem gehalten.

Zweimal mussten die Muffendorfer ihre Häuser räumen, weil sich die Substanz mit den Jahren zu einem explosiven Gemisch entwickelt hatte. Um 14.15 Uhr verschlossen die Feuerwerker Maik Röding und Christian Knobelsdorf die dicke Stahlkugel, in die die verbliebenen zwei Eimer gesteckt worden waren. Damit war die Gefahr gebannt.

"Wenn sie jetzt hochgehen sollten, merken wir das hier draußen gar nicht", erklärte Röding. Der Tresor hält eine Sprengkraft von fünf Kilogramm TNT aus - genug für die beiden Eimer, die nicht komplett gefüllt waren. In einem Hänger wurden sie dann nach Niedersachsen transportiert, wo sie in den kommenden Tagen in einer speziellen Anlage entsorgt und die Reste verbrannt werden.

Die Anwohner sahen das Prozedere mit gemischten Gefühlen: Die einen konnten den Aufwand nicht verstehen, die anderen nicht fassen, dass die Eimer jahrzehntelang unentdeckt blieben. "Wir sind alle froh, dass jetzt alles vorbei ist", sagte Werner Grothkopp, der seit 1964 in der Martinstraße und somit nur wenige Meter neben dem Schuppen wohnt.

Bergung in Muffendorf
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Aus der Ruhe habe ihn die Situation nicht gebracht. "Wir waren angespannter, als damals in der Nähe eine Luftmine gefunden wurde. Die war aber schon nach wenigen Stunden entschärft", erzählte der Pensionär. Für die vier explosiven Eimer verließen die Anwohner vergangenen Dienstag und gestern ihre Häuser.

Vor drei Tagen spülten der Chemiker Stefan Weißgräber und Entsorger Gero Buchartz die beiden korrodierten und offenen Eimer im unteren Raum mit Wasser. Das neutralisierte die explosive Sub-stanz. Das Wasser-Pestizid-Gemisch wurde in Wannen aufgefangen, in Container gepumpt und daraus abgesaugt. "Das Risiko ist bei unseren Berufen, dass wir nicht genau wissen, mit welchen Stoffen wir es zutun haben", sagte Weißgräber.

Bei den verbliebenen Eimern, die verschlossen waren, ist der Inhalt noch immer nicht identifiziert. Deren Bergung war auch wesentlich heikler: Die Experten montierten einen kleinen Kran auf Schienen und hoben sie über das geöffnete Dach des ehemaligen Hühnerstalls heraus.

Die Gefahr: Einer der Behälter hätte kippen können, als Buchartz ihn am Haken hatte. Während Feuerwehr und Rettungskräfte die Arbeiten in der Einsatzleitstelle mehrere hundert Meter entfernt auf Bildschirmen beobachteten, hielten sich Weißgräber und Buchartz direkt im Gefahrenbereich auf. Zeitweise trennten sie nur Chemiekalien-Schutzanzüge vom gefährlichen Gemisch.

"Wir müssen uns voll auf die Arbeit konzentrieren und dürfen nicht nervös sein", sagte Buchartz. Die Männer waren erleichtert, als ihr Einsatz beendet war. "Der gehörte definitiv zum oberen Drittel", meinte Weißgräber, der sich seit knapp 20 Jahren um solche Gefahrgüter kümmert. Deshalb zündeten sich die beiden am Abend noch eine "Siegeszigarre" an.

Wer zahlt die Kosten für den Einsatz?

Bei aufwendigen Einsätzen stellt sich die Frage: Wer trägt die Kosten? "Grundsätzlich ist der Einsatz der Feuerwehr nach dem Feuerschutzgesetz unentgeltlich", teilt die Stadt mit. Allerdings gebe es Ausnahmen. Dazu zählten Maßnahmen "bei der Freisetzung von gefährlichen Gütern", sprich Chemikalienfunde, wie es in Muffendorf der Fall war.

"Kosten aus diesen Einsätzen sind grundsätzlich vom Eigentümer oder Besitzer zu erstatten", so die Stadt. Das heißt aber trotzdem nicht, dass der Besitzer des Schuppens an der Martinstraße tatsächlich zur Kasse gebeten wird. Denn es gibt eine Härtefallregelung.

Die Feuerwehr stimmt sich laut Stadt dabei eng mit dem Eigentümer ab "und wird sich für eine einvernehmliche Lösung einsetzen". Im Mittelpunkt stehe die Gefahrenabwehr. "Über die Kostenerstattung wird man sich nach Abschluss des Einsatzes verständigen." Erst dann werde auch geklärt, wie viel dieser überhaupt gekostet hat.

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