Prozessauftakt im Fall Niklas Pöhler Niklas' Mutter: Mir geht es nur um die Wahrheit

Bad Godesberg · Am ersten Verhandlungstag im Fall des bei einer Attacke getöteten Niklas Pöhler in Bad Godesberg im Mai 2016 schweigen die beiden Angeklagten und lassen ihre Verteidiger sprechen: Walid S. bestreite die Attacke gegen Niklas, Roman W. äußere sich dazu nicht.

Mehr als 30 Kameras richten sich auf die schwarzgekleidete Frau, die im Beistand ihres Anwalts Dirk Simon und des Bad Godesberger Pfarrers Wolfgang Picken den Gerichtssaal betritt. Gefasst nimmt Denise Pöhler das immense Medieninteresse und die neugierigen Blicke der Zuschauer hin, doch die Anspannung ist Niklas' Mutter deutlich anzusehen. Es ist der erste Prozesstag vor dem Bonner Jugendschwurgericht, das den gewaltsamen Tod ihres Sohnes aufzuklären hat.

Die 48-Jährige nimmt als Nebenklägerin teil und wird nun zum ersten Mal den Mann sehen, der ihren Sohn getötet haben soll. Dann wird Walid S. von Justizwachtmeistern in Handschellen in den Saal gebracht, und Niklas' Mutter sieht den 21-Jährigen an. Eine Weile fixiert sie ihn, dann wendet sie den Blick zu Roman W., der laut Anklage in jener verhängnisvollen Nacht dabei war. Und ebenfalls auf Niklas losgehen wollte.

Der 21-Jährige soll einer Begleiterin von Niklas einen Schlag gegen die Schläfe verpasst und dann versucht haben, auf den Kopf des reglos am Boden liegenden Niklas einzutreten. Niklas' Begleiterin hielt Roman W. laut Anklage zwar davon ab.

Doch es war zu spät

Niklas war dem rechtsmedizinischen Gutachten zufolge bereits von Walid S. durch einen Faustschlag tödlich verletzt worden, weil er an einer bis dahin unerkannten Gefäßschädigung im Gehirn litt. Der Tritt, den Walid S. ihm noch gegen den Kopf versetzt haben soll, war dem Rechtsmediziner zufolge nicht todesursächlich.

Aufgrund des rechtsmedizinischen Gutachtens wirft Staatsanwalt Florian Geßler Walid S. nun nicht mehr, wie zunächst angenommen, Totschlag, sondern gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge vor - in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei, die zum Tod eines Menschen führte. Der Ankläger geht davon aus, dass der Schlag nicht wuchtig genug war, um eine Tötungsabsicht nachzuweisen. Dem Rechtsmediziner zufolge hätte ein gesunder Mensch den Schlag wahrscheinlich überlebt.

Weiterer Vorwurf gegen Walid S.

Geßler wirft Walid S. eine weitere gefährliche Körperverletzung vor: In der Nacht des 30. April soll der damals noch 20-Jährige in der Bonner Innenstadt einem Mann eine Flasche auf den Kopf geschlagen und ihn so verletzt haben.

Auch gegen Roman W., der wie Walid S. bereits seit Längerem polizei- und justizbekannt ist, präsentiert der Ankläger weitere Vorwürfe. So soll der 21-Jährige am 11. September einen Tatzeugen massiv misshandelt haben. Seitdem sitzt auch er wieder hinter Gittern.

Allerdings verliest der Staatsanwalt noch zwei weitere, bislang unbekannte Anklagen gegen Roman W.: Der soll noch als 19-Jähriger im Januar 2015 einen Jugendlichen in Bad Godesberg überfallen, geschlagen, getreten, mit dem Tode bedroht und beraubt haben. Und genau dieses Opfer soll er am 10. September, einen Tag, bevor er den Belastungszeugen im Fall Niklas verprügelt haben soll, ebenfalls bedroht haben für den Fall, dass der ihn vor Gericht belaste.

Weiterer Vorwurf gegen Roman W.

Ein weiterer Vorwurf gegen Roman W.: Im September 2015 soll er nach einer Schlägerei in Köln Polizisten beleidigt und attackiert haben.

Beide Angeklagte hüllen sich in Schweigen. Walid S.' Anwalt Martin Kretschmer erklärt lediglich: "Mein Mandant bestreitet jede Tatbeteiligung." Er sei gar nicht am Tatort gewesen, sondern mit seiner Freundin im Kurpark, wo er mit seiner Clique wie so oft gefeiert habe. Weil dabei auch Marihuana und Alkohol eine Rolle gespielt hätten, sei das mit Uhrzeiten schwer einzuordnen.

Aber Walid S. wisse genau, er habe den Park nur einmal verlassen, um mit anderen an einer Tankstelle etwas einzukaufen. Dann sei er zurück in den Park, den er mit seiner Freundin morgens verlassen habe. Was den Zeugen betreffe, der ihn als Täter wiedererkannt haben will, sage Walid S.: "Der angebliche Belastungszeuge muss sich schlichtweg irren." Und die Jacke mit Niklas' Blut, die man bei Walid S. gefunden habe, habe der erst nach der Tat von einem Bekannten erhalten.

Roman W.'s Verteidiger Peter Krieger erklärt: Sein Mandant gebe zu, den Belastungszeugen geschlagen zu haben, was er bereue. Er sei wütend auf den "Verräter" gewesen. Aber bedroht habe er ihn nicht. Mehr sage Roman W. nicht zu den Vorwürfen, sondern erkläre: "Fortan werde ich in der Verhandlung schweigen."

Mutter erhofft sich Wahrheit über Niklas' Tod

Das Schweigen, so erklärt der Anwalt von Niklas' Mutter nach der Verhandlung, sei das gute Recht der Angeklagten. "Aber meine Mandantin hofft, dass sie die Wahrheit über den Tod ihres Sohnes erfährt, am liebsten von den Personen, die dafür verantwortlich sind."

Niklas' Mutter wolle sich in diesem Prozess ein Bild machen von dem, was passiert sei. "Ihr geht es nicht um Rache", sagt Anwalt Simon und fügt hinzu: "Sie ist in denkbar schlechter Verfassung, so wie es nur sein kann bei einer Mutter, der der Sohn genommen wurde. Sie verdient allen Respekt dafür, den Angeklagten gegenüberzutreten." Der Prozess wird nächsten Freitag fortgesetzt.

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