Kirche in Bad Godesberg Pfarrer wirft auch auf Facebook die Netze aus

BAD GODESBERG · Bei einem seiner Kalendertürchen hat sich Pfarrer Jan Gruzlak das Thema Visionen vorgenommen. Altbundeskanzler Helmut Schmidt habe ja mal gesagt: "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen", schreibt der 35-jährige Pfarrer da in seinem elektronischen Adventskalender.

Den führt er derzeit jeden Morgen auf der Homepage www.johannes-kirchengemeinde.de und seiner eigenen Facebook-Seite weiterführt.

"Vollkommen richtig: "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen - er wird in der Praxis dringend gebraucht", führt Gruzlak gegen den abgeklärten Altpolitiker ins Feld. "Es krankt doch daran, dass wir zu wenig Visionen haben." An anderen Adventstagen hat Gruzlak "Friedens-Fantasien, Wandlungs-Gemälde, Zukunfts-Panoramen" gemalt.

Er hat aufgerufen, sich nicht an der Zerstörung der Ozonschicht und der Vergiftung des Bodens zu beteiligen.

"Wer darauf hofft, dass der Abendmahlskreis in Gottes Zukunft alle Menschen umfassen wird, der wird weder Kollegen mobben noch Kanaken klatschen", hat es der Pfarrer drastisch auf den Punkt gebracht. Wenn er nur zu Hause seinen Glauben leben wollte, würde er sich doch um viele Aspekte bringen, die ihm auch durch die Gotteserfahrungen anderer zuteil werden.

Da brauche es halt Kristallisationspunkte, an denen es zum Austausch komme, etwa die Kirchengemeinde. Und das Internet, möchte man hinzufügen. Denn der seit 2012 neue Seelsorger in Godesbergs zweitgrößter evangelischer Gemeinde lässt den Heiligen Geist auch durch die sozialen Netzwerke wehen. Menschenfischer Gruzlak wirft auch in Facebook seine Netze aus.

Was gerade in seiner als spröde verschrienen Evangelischen Kirche als, gelinde gesagt, ungewöhnlich bezeichnet werden kann. Zwar beruhigt selbst Ralf Peter Reimann, der Internetbeauftragte der Rheinischen Kirche, die Gemüter, das persönliche Facebook-Profil eines Pfarrers stehe sehr wohl in der Tradition der öffentlichen Verkündigung und der einfachen Erreichbarkeit des evangelischen Glaubens.

Facebook böte der Kirche die Chance, die "Einheit von Lebensführung und Beruf(ung) zu unterstreichen" und somit die "personale Glaubwürdigkeit" zu steigern - frei nach dem Motto: Wenn die Menschen nicht in die Kirche kommen, muss sich die Kirche zu ihnen aufmachen. Doch heimliche Vorbehalte gegen im Internet postende Geistliche dürften in den gerade von älteren Gläubigen frequentierten Gemeinden durchaus spürbar sein.

Die Idee zum Projekt sei ihm eines Abends plötzlich und "hemdsärmelig" am PC gekommen, sagt Gruzlak. Er wolle Zeichen setzen, dass Kirche auch die Lebenswelten der Jungen und Junggebliebenen ernst nimmt. Kurz und bündig, eben in 30 Sekunden konsumierbar, müssten die Einträge sein, in frischer Sprache und mit aktuellem Gedankengut gespickt. Er sehe sie durchaus als "Appetizer", als Appetitmacher für den sonntäglichen Gottesdienstbesuch.

"Meine Konfirmanden, mit denen ich verlinkt bin, fragen sich dann wieder: Was hat der verrückte Pfarrer da gepostet?" Gruzlak lacht herzlich. Aber auch ältere Gemeindemitglieder lesen mit, weiß er. Facebook-Freunde aktivieren den "Gefällt mir"-Knopf. Eine Uschi schrieb, sie freue sich jeden Morgen auf das nächste elektronische Türchen. "Auch Kirche verändert sich. Da kann auch so ein Adventskalender richtig an Fahrt gewinnen", sagt Gruzlak.

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