Aktion in Plittersdorf Plittersdorfer Automat verkauft Kunst statt Kippen

Plittersdorf · Nadja Schmitz-Schüller bringt über ausrangierte Zigarettenautomaten unzählige kleine Unikate unters Volk. Jeden Tag kommen ein paar Leute zu ihrem Wohnhaus an der Plittersdorfer Straße, um sich für vier Euro von einem ihrer winzigen Werke überraschen zu lassen.

 Zwei Exemplare der Insektensammlung aus alten Stiften.

Zwei Exemplare der Insektensammlung aus alten Stiften.

Foto: Richard Bongartz

Schon die Geräusche machen ihre Kunst zu einem Erlebnis: Das Klackern der Geldstücke nach dem Münzeinwurf und das darauf folgende laute „Ratsch“, wenn der Kunde die Schublade des alten Zigarettenautomaten aufzieht, sodass es in der Nachbarschaft garantiert jeder mitkriegt. „Das hört sich doch toll an“, findet Nadja Schmitz-Schüller. Jeden Tag lassen sich ein paar Leute überraschen.

Das liegt ganz einfach daran, dass man bei den ganzen Unikaten gar nicht weiß, was in der nächsten weißen Pappbox steckt. Das macht den Reiz aus. Zumindest aber hat Schmitz-Schüller die Warenfächer thematisch sortiert. Anstelle von West, Camel oder Marlboro spuckt der Kunstapparat Gemälde, Objekte, Schmuck, Keramik, Kindersachen oder Kölsches aus.

Heraus fällt zum Beispiel der aus Holz gesägten Dom mit rotem Dach oder eine kleine, bunt bemalte Schale, zweimal im eigenen Ofen gebrannt. Oder wie wäre es mit einem Denkmal, das man sich selbst zusammenbauen kann oder einem mit Siegel versehenem, auf Holz gezogenen Spaß-Zertifikat vom Vorsitzenden: „Hiermit wird bestätigt, dass du heute mal nix tun musst. Gar nix. Manfred“?

"Gott hat mich mit Kreativität zugeschüttet"

Auf die ersten Kunstautomaten ist die gebürtige Bad Godesbergerin in Potsdam gestoßen und hat diesen Weg für sich entdeckt, „um alles, was ich mache, in die Menge zu schmeißen“. Das gibt nicht nur ihr etwas, auch „die Leute finden es super“, sagt die 54-Jährige. Weitere Automaten unterhält sie am Pantheon an der Siegburger Straße 42 und im Foyer der Gesamtschule Beuel. Dort unterrichtet sie Kunst und Technik. Alle Werke im dortigen Automaten stammen von ihren Schülern, der Erlös kommt ihnen selbst für Projekte zugute. Schmitz-Schüller schmirgelt derzeit an einem weiteren Automaten, den sie für 180 Euro erstanden hat. Der soll demnächst vor das Hotel Villa Esplanade ihres Mannes an der Baumschulallee.

Nach der Schule machte Nadja Schmitz-Schüller eine Schneiderlehre, studierte Grafikdesign und arbeitete in diesem Beruf bei Agenturen. Für Kunst- und Textilwissenschaften auf Lehramt ging es zurück zur Uni, dann folgte vor zehn Jahren der Quereinstieg bei der Gesamtschule. Schon als Schülerin hat sie sich um Ausstellungen sowie das Bühnenbild und die Kostüme bei Theaterstücken gekümmert. „Der liebe Gott hat mich mit Kreativität zugeschüttet“, sagt sie.

So kann sie an kaum einem Flohmarktstand oder Sperrmüll vorbeigehen, ohne etwas für sie Brauchbares mitzunehmen. Schon wenn sie ein Stück Metall oder ein altes Ofenrohr in die Hand nimmt, kommt ihr eine Ahnung, was daraus entstehen könnte. Auch bei eBay ist die Plittersdorferin gute Kundin, zum Beispiel wenn es um den Kauf von Puppenaugen geht. Die werden etwa in Schlafklötzchen eingebaut: Wenn man die hinlegt, schließt sich das Lid. Vielleicht wäre das ein kleines Ritual für den Nachttisch, wenn man sich abends ins Bett legt.

Abgekaute Bleistifte werden Kunst

„Die Ideen in meinem Kopf müssen Gestalt annehmen. Sonst platze ich“, sagt die Künstlerin, die nicht nur für ihre Automaten arbeitet. Auch ihr Hof neben der ehemaligen Bäckerei Schmitz ist voller Keramikplatten, Skulpturen und Sinnsprüche. In der Werkstatt hat sie Schubladen mit Knöpfen, Puppenarmen und -beinen, Schreibmaschinentasten und alten Widerständen aus Kofferradios, die sich mit ihren bunten Ringen gut zu Ohrschmuck umarbeiten lassen.

In den Schachteln findet der Käufer manchmal auch Malereien von Charlotte Schwarz-Sierp oder Papierkunst von Ina Lehnertz. Schmitz-Schüller stellt dazu auch kleine Ringordner aus alten Aktenordnern oder FC-Geißbock Hennes als Statue her. Gern spielt sie dabei humorvoll mit Sprache und (kölschen) Redewendungen. Sand vom Rheinkilometer 649 kommt in einer kleinen Flaschenpost.

Etwas Besonderes ist die Insektensammlung mit heruntergespitzten, oft abgekauten Blei- und Buntstiften ihrer Schüler, die sie von ihnen einsammelt und dafür jeweils einen neuen Stift spendiert. Den Stummeln verpasst die 54-Jährige dann lateinische Fantasienamen und nagelt sie an ein Brettchen. Gemessen am Wareneinsatz und der Arbeit verdient sie mit den Automaten kein Geld, will sie auch nicht. „Ich freue mich, wenn die Leute Spaß daran haben. Und einer muss es doch machen.“

Mehr zur Kunst im Internet auf www.diseinerei.de

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