Ausschreitungen in Lannesdorf Polizei war bei Salafisten-Demo zu schwach besetzt

LANNESDORF · Zu wenig Beamte, Pannen bei der Kommunikation: Die Bonner Polizeispitze hat Fehler bei den blutigen Ausschreitungen gewaltbereiter Islamisten in Lannesdorf eingeräumt. Die beiden Polizeiführer haben sich bereits bei ihren Mitarbeitern entschuldigt.

Es seien zu wenige Beamte im Einsatz gewesen, erklärte Hans-Willi Kernbach, der Leiter einer internen Nachbereitungsgruppe am Montag bei einer Pressekonferenz. Außerdem habe es Pannen in der Kommunikation gegeben. Die beiden verantwortlichen Polizeiführer entschuldigten sich bei ihren Beamten.

Mehrere hundert Gewalttäter, viele davon aus der Salafisten-Bewegung, hatten die Polizei am 5. Mai 2012 brutal mit Steinen, Stöcken und einem Messer angegriffen, nachdem die rechte Gruppierung Pro NRW an der Fahad-Akademie mit Mohammed-Karikaturen provoziert hatte. 28 Polizisten wurden verletzt, drei davon schwer. Die Beamten nahmen 109 Tatverdächtige fest.

Zwar seien "mehr als 300 Polizisten" in Lannesdorf gewesen, berichtete Untersuchungsleiter Kernbach. Aber das habe nicht gereicht, um den "50-minütigen Gewaltexzess" zu unterbinden. Bis die dann angeforderte Verstärkung aus anderen Landesteilen eintraf, sei es zu spät gewesen.

Beamte in Zivil und Uniform hätten in Bad Godesberg schon vormittags potenzielle "Störer" bemerkt. Es habe aber an Kräften gefehlt, im Vorfeld einzugreifen. Außerdem seien Informationen, die für die Lagebeurteilung wichtig waren, nicht bis zur Polizeiführung gelangt. Als es in Lannesdorf knallte, stand auch kein Wasserwerfer bereit. Die Polizei hatte nicht mit der extremen Gewaltbereitschaft gerechnet.

[kein Linktext vorhanden]Der Leitende Polizeidirektor Helmut Pfau räumte am Montag eine "gravierende Fehleinschätzung" ein. "Deshalb konnten wir nicht offensiv gegen die Täter vorgehen, sondern ihnen nur hinterher rennen." Am Tag vor den Krawallen habe die Bonner Polizeispitze die Lage unter anderem aufgrund von Verfassungsschutz-Informationen bewertet. Im Internet riefen gewaltbereite Islamisten zudem auf, nach Godesberg zu kommen.

Wenige Tage zuvor hatte es auch in Solingen Ausschreitungen wegen einer Pro-NRW-Demo gegeben. Pfau erhöhte die geplante Personalstärke - jedoch nicht ausreichend, wie man heute weiß. Die Beamten waren nach Lannesdorf auch noch für den Einsatz bei Rhein in Flammen eingeplant.

Rechtzeitig Verstärkung anzufordern, wäre offenbar schwierig gewesen: Die NRW-Polizei sei wegen zahlreicher Bundesliga-Spiele ausgelastet gewesen. Trotzdem: "Der Fehler war, unser Konzept der Personalstärke anzupassen und nicht umgekehrt", sagte Pfau. Er selbst und der Polizeiführer am Krawall-Samstag, Dieter Weigel, haben sich deshalb in einer Versammlung im Präsidium, an der am Montag mehr als 100 Beamte teilnahmen, bei den betroffenen Mitarbeitern entschuldigt.

Der 21-köpfigen Nachbereitungsgruppe gehörten Berater aus zwei polizeilichen Landesämtern an, die als Aufsichtsbehörden fungieren. Auch aus deren Warte habe die Bonner Polizeiführung nicht fahrlässig gehandelt, betonte Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa. Sie vertraue Pfau und Weigel weiterhin.

"Einen so schlechten Einsatzverlauf darf es nie wieder geben", erklärte die Behördenchefin. Man habe aus den Fehlern gelernt. Es sei vielleicht ungewöhnlich, dass die Fehleranalyse öffentlich gemacht werde. Sie stehe aber für Transparenz. Und: "Ich bin kein Freund davon, Dinge zu verharmlosen."

Gewerkschafter zufrieden
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lobt die Aufarbeitung des Salafisten-Einsatzes. "Die Polizeiführer haben sich ihrer Verantwortung sehr offen gestellt", sagte der Bonner GdP-Vorsitzende Udo Schott. Die Fehler seien benannt worden und würden nicht wiederholt. Der Fall zeige, dass die NRW-Polizei mehr Personal brauche.

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