Bau widerspricht Bonner Vorgartensatzung Befreiungsantrag könnte Pool im Vorgarten in Bad Godesberg retten

Bad Godesberg · Nach dem anonymen Hinweis eines Bürgers ruht die Baustelle eines Bad Godesberger Ehepaares. Ihr Pool verletzt die Regeln der Bonner Vorgartensatzung. Wie Stadt, Eigentümer und ein Anwalt die Situation beurteilen.

 Symbolfoto.

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Als das Telefon am vergangenen Freitag klingelt, glaubt die Angerufene über weite Strecken des Gesprächs, es würde sich um den Scherz eines Radiosenders handeln. „Ich konnte mir weder vorstellen, dass am anderen Ende die Stadt Bonn ist, noch dass uns jemand wegen unseres Pools quasi angeschwärzt hat“, erzählt die 43-Jährige, die wie ihr Mann nicht namentlich genannt werden möchte.

Am vergangenen Wochenende hatte der GA erstmals darüber berichtet, dass ein anonymer Mailschreiber Zeitung und Bauordnungsamt darüber informierte, dass die Eigentümer mit ihrer Gartengestaltung in Bad Godesberg gegen die Vorgartensatzung der Stadt verstoßen würden. „Ich wusste ehrlich nicht, dass es eine solche Satzung gibt“, sagt der 47-Jährige auf GA-Anfrage. Leider sei die Gartenbaufirma aus Brühl bislang in Bonn nicht in Gebieten aktiv gewesen, in denen das Regelwerk greift.

 Für den markierten Bereich zwischen Plittersdorf und Rüngsdorf gilt in Bonn die Vorgartensatzung. Feste Pools sind demnach, obwohl eigentlich genehmigungsfrei, eher schwierig umzusetzen.

Für den markierten Bereich zwischen Plittersdorf und Rüngsdorf gilt in Bonn die Vorgartensatzung. Feste Pools sind demnach, obwohl eigentlich genehmigungsfrei, eher schwierig umzusetzen.

Foto: Grafik: GA/Bild: Adobe Stock/Google Earth

Verabschiedet wurde es im November 1980 für zwei Stadtbezirke: in Bonn für den Bereich innere Süd- und Weststadt, Poppelsdorf und Kessenich sowie in Bad Godesberg für die Ortsteile Plittersdorf und Rüngsdorf – jeweils mit genauen Straßennennungen. In zwei Paragrafen werden Anforderungen an die Gestaltung und Einfriedung von Vorgärten festgelegt. „Das, was die Stadt als unseren Vorgarten bezeichnet, ist für uns der Hauptgarten“, sagt allerdings der Mann. Denn es handelt sich nicht nur um ein Eckgrundstück; der Eingang befindet sich auch zu keiner der beiden Straßen hin, sondern an der Seite. „Soweit ich die Pläne lese, ist das seit dem Bau im Jahr 1936 der Fall“, erklärt der 47-Jährige.

Wenn man so will, spielt also die Geometrie des Gebäudes den Eigentümern einen Streich. Die mit 110 Quadratmetern kleinere Fläche vor der Haustür nutzten sie eher als Zuwegung, die andere mit 290 Quadratmetern rund ums Haus bis zum Frühjahr als Nutzfläche für einen Aufbaupool, Trampolin, Stelzenhaus und Meerschweinchen-Gehege. „Davon hat man aber kaum was gesehen von der Straße aus, weil wir wie alle anderen Eckgrundstücke auch eine Hecke drumherum hatten“, betont der Vater.

Diese wich vorübergehend der Gartenumgestaltung, die mittlerweile weit fortgeschritten ist und für die das Ehepaar ein Darlehen aufgenommen hat. Das in die Erde eingelassene Wasserbecken für den Pool ist fertig, die Steinumrandung ebenfalls, der Rest ist Baustelle. Gemäß Satzung sind Befestigungen im Vorgarten nur als Zuwegung zu baulichen Anlagen und anderen Grundstücksteilen zulässig „Schade, dass uns der Kritiker nicht angesprochen hat, wir hätten ihm die Pläne zeigen können, die viele Pflanzen vorsehen“, meint der 47-Jährige. Grünes und Blühendes findet sich derzeit vor allem im anderen Gartenbereich.

■ Das sagt Haus & Grund: Es herrsche leider oft bei Eigentümern das irrige Missverständnis vor, dass sie auf ihrem Grundstück tun und lassen könnten, was sie wollten, sagt Markus Gelderblom, Geschäftsführer bei Haus & Grund für Bonn und Rhein-Sieg. Doch zunächst sei bei Vorhaben die Landesbauordnung NRW heranzuziehen. „Zudem kann es in Kommunen noch besondere Bedürfnisse geben wie die Gestaltungssatzung“, erklärt Gelderblom. Diese sorge dafür, dass das Erscheinungsbild in bestimmten Gebieten vereinheitlicht werde.

Fernab der Satzung gibt es Freiheiten. „Die schöne Aussicht beispielsweise ist nicht geschützt“, so Gelderblom. Wenn also der Nachbar eine Art Schrottplatz auf seinem Grundstück unterhalte, aber ordnungs- und baurechtlich alles in Ordnung sei, könne der Nachbar nichts unternehmen. Ein Freikaufen, wie es bei der Stellplatzverordnung für Bauherren möglich ist, sieht Gelderblom im aktuellen Fall eher nicht. „Der Verstoß gegen das Baurecht kann durch eine Strafe ja nicht legalisiert werden.“

Das sagt die Stadt: Auf Nachfrage teilt das Bauordnungsamt über das Presseamt mit, dass man mit dem Bauherren in Kontakt stehe. Ob der im Ernstfall den Pool zurückbauen muss, lässt die Verwaltung offen. „Er hat wie jeder andere Bauherr auch das Recht, nachträglich einen Befreiungsantrag zu stellen, den die Stadt prüfen wird“, heißt es dazu. Warum aber wurde die Satzung überhaupt nur für zwei Bereiche im gesamten Stadtgebiet erlassen? Das, so das Bauordnungsamt, lasse sich nach 40 Jahren nicht mit vertretbarem Aufwand recherchieren.

Ob angedacht ist, die Vorgartensatzung angesichts sich mehrender Schottergärten weiter auszudehnen, ließ sich am Mittwoch nicht klären. Allerdings betont die Verwaltung, dass laut § 8 der Bauordnung NRW nicht überbaute Flächen wasseraufnahmefähig zu belassen und zu begrünen seien, soweit dem nicht die Erfordernisse einer anderen zulässigen Verwendung der Flächen entgegenstehe. „Über den letzten Teil des Satzes gibt es oft unterschiedliche Auffassungen“, führt das Fachamt aber auch an. Häufig rückten die Kontrolleure des Bauordnungsamtes nach Hinweisen von Nachbarn oder anderen Bürgern aus. Zudem achteten sie in ihrer Außendiensttätigkeiten auf alle Bautätigkeiten, die sichtbar erfolgen und würden sie gegebenenfalls aufgreifen.

Das sagt der Anwalt: Es geht zwar nicht um eine juristische Auseinandersetzung, aber der GA hat Christian Hirzebruch um eine Einschätzung gebeten. Er ist spezialisiert auf öffentliches Bau- und Planungsrecht sowie Mitglied im Bonner Anwaltverein. Zunächst einmal sei es wichtig, die Satzung auszulegen und zu verstehen. „Dafür braucht man die Entstehungsgeschichte, also warum die Stadt gerade diese zwei Gebiete ausgewählt hat“, sagt Hirzebruch. Aus dem vorliegenden Text lasse sich das nicht ersehen, weshalb man dann Berichte über damalige Gremiensitzungen heranziehen könne.

„Erst mal scheint ja alles gegen den Pool zu sprechen, aber von jeder Regel kann es auch eine Ausnahme geben“, erklärt er. Denn auch wenn der Vorgarten größer als der Garten sei, handele es sich um einen solchen, da er der Straße zugewandt und öffentlich einsehbar sei. Dies führe zur Anwendbarkeit der Satzung. „Zu prüfen wäre aber, ob die Landesbauordnung eine Ausnahme ermöglicht“, meint der Anwalt. Wenn unter Berücksichtigung des Zwecks der Vorgartensatzung keine öffentlichen und nachbarlichen Belange gegen den Pool sprächen, könne das Amt ihn zulassen. „Dies ist dann letztlich eine Ermessensentscheidung der Stadt“, sagt Hirzebruch. Möglich sei, einen Kompromiss über ein Abweichungsvorhaben zu finden. „Zum Beispiel, etwas weniger Fläche zu versiegeln.“

Die Vorgartensatzung lässt sich auf der Homepage der Stadt als PDF-Datei einsehen, wenn man sie als Suchwort unter www.bonn.de eingibt.

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