Flüchtlingskinder am Nicolaus-Cusanus-Gymnasium Schach matt der Sprachlosigkeit

BAD GODESBERG · Der Stolz war ihnen anzusehen, den ersten 20 Flüchtlingskindern, die am Freitagnachmittag im Nicolaus-Cusanus-Gymnasium ihr Zertifikat entgegennahmen.

 Mit den Kindern aus den Godesberger Notunterkünften freuen sich Wolfgang Steinig (hintere Reihe von links), Nicole Auen und Andrea Bartocha über die erlangten Zertifikate.

Mit den Kindern aus den Godesberger Notunterkünften freuen sich Wolfgang Steinig (hintere Reihe von links), Nicole Auen und Andrea Bartocha über die erlangten Zertifikate.

Foto: Stefan Hermes

Es bescheinigt den Fünf- bis Zwölfjährigen aus der Notunterkunft des Deutschen Roten Kreuzes in Bad Godesberg, erfolgreich am Pilotprojekt „Deutsch und Schach lernen“ teilgenommen zu haben.

Wo andernorts vielfach versucht wird, den Kindern die deutsche Sprache über umfangreiche Lehrwerke näherzubringen, folgte die Schach AG des Mathematik- und Physiklehrers Andreas Bartocha einer Methode, auf die sie ein inzwischen emeritierter und in Bonn lebender Germanistikprofessor der Siegener Universität aufmerksam machte. Wolfgang Steinig, selber ambitionierter Schachspieler, war über einen Ende 2015 im GA erschienenen Bericht über die Bonner Stadtmeisterschaft im Schach auf den darin abgebildeten NCG-Lehrer Bartocha, den er kontaktierte und schnell mit seiner Idee überzeugen konnte, Flüchtlingskindern mit Hilfe des Schachspielens Deutsch beizubringen.

Um das Unterrichten von „Deutsch als Fremdsprache“ zu vermitteln, hatte sich Steinig bereits mit der „Total Physical Response-Methode“ (TPR) von James Asher beschäftigt, der für US-Soldaten, die in den Koreakrieg zogen, eine Methode entwickelt hatte, die ihnen in kürzester Zeit ermöglichte, sich Koreanern verständlich zu machen. Mit seiner Methode bewies Asher bereits in den 50er Jahren, dass man insbesondere Kindern des Vorschul- und Primarbereichs das Erlernen einer fremden Sprache durch die Nachahmung des Erwerbs ihrer Muttersprache erleichtern kann. In der Praxis bedeutet das, die Sprache unmittelbar erlebbar zu machen.

„Stell den weißen König auf das Brett“, ist eine Anweisung, die Andreas Bartocha nicht müde wird, den etwa zehn Kindern eines seiner Schachlern- und Sprachkurse zu wiederholen. Dabei sind die Kinder aus Syrien, dem Iran, Eritrea, Nigeria, Kosovo, oder Albanien aufgefordert, die gewünschte Schachfigur aus einem Beutel zu holen und auf das Schachbrett zu stellen. Schon nach kurzer Zeit ist der Satz mit seinem Inhalt verbunden, und das Erfolgserlebnis sorgt für eine gewisse Nachhaltigkeit. „Ziehe den schwarzen Läufer auf H 6“, oder „Bring das Schachbrett zurück in den Schrank“, sind weiterführende Sätze, die nicht nur das Verständnis für das gesprochene Wort, sondern auch weitere kognitive Fähigkeiten erfordern.

„Natürlich ist es nicht unser Ziel, den fünfjährigen Kindern das Schachspielen beizubringen“, sagt Bartocha, „doch es ist erstaunlich, wie schnell sie über das Medium ‚Schachspiel‘ unsere Sprache lernen.“ Bartocha und auch der Sozialbetreuer Veli Stollej bedauern, dass die Fluktuation der Flüchtlingskinder aus der Notunterkunft an der Deutschherrenstraße sehr groß ist. Kaum ein Kind kann länger als sechs Wochen an den Kursen teilnehmen, weil dann oft deren Asylantrag abgelehnt, die Familien in andere Unterkünfte verlegt oder in ihre Heimatländer abgeschoben werden.

Für die Kinder wird das Zertifikat, das sie am Freitag aus den Händen der NCG-Schulleiterin Nicole Auen erhielten, einst vielleicht eine Erinnerung an eine Schule in Bad Godesberg sein, die sie freundlich aufgenommen hat.

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