Katastrophale Flüchtlingsunterkunft Schimmel macht Kinder krank

HEIDERHOF · Die komplette Wohnung ist verschimmelt. An einigen Stellen ist regelrechter Flaum zu sehen, wie man ihn von verdorbenen Lebensmitteln kennt.

Abdul Ba Abbad steht in einem Raum, der eigentlich ein Kinderzimmer für seine Töchter sein soll. Schwarze, blaue und grüne Schimmelflecken überziehen jede Wand, die Zimmerdecke, die Fensterrahmen. Es riecht modrig. Und das nicht nur im Kinderzimmer. Unter diesen unzumutbaren Bedingungen muss die fünfköpfige Flüchtlingsfamilie aus dem Jemen leben. Niemand fühlt sich für die katastrophale Wohnsituation der Ba Abbads zuständig.

Rückblick: Anfang September besichtigt Abdul Ba Abbad auf dem Heiderhof eine Wohnung der Gagfah Gruppe. Sauber, trocken und mit 870 Euro preislich im Limit des Jobcenters, das für die Miete der Flüchtlinge aufkommt. Er will nach Godesberg umziehen, weil er hier Bekannte hat. Doch Abdul, seine Frau Hayat und die Töchter Bushra (14), Sara (12) und Rawan (6) zogen nie in die besichtigte Wohnung im Haus Nummer 1 ein.

Den Mietvertrag schickte die Gagfah nach der Besichtigung kommentarlos zur Unterschrift per Post nach Heide in Schleswig-Holstein, wo Abdul Ba Abbad seit vier Jahren lebte. Da er zwar ein wenig Deutsch spricht, aber die lateinische Schrift nicht lesen kann, sei ihm nicht aufgefallen, dass die Hausnummer zu einer 9 geändert wurde. Er ist sich sicher: "Sie haben meine Unwissenheit ausgenutzt und mich vorsätzlich getäuscht."

Die Gagfah spricht auf GA-Frage in einer schriftlichen Stellungnahme davon, dass "leider bei der Vertragserstellung einer Mitarbeiterin ein unbeabsichtigter Fehler unterlaufen" sei. Warum auch das Jobcenter die Verwechslung nicht bemerkte, ist bislang unklar. Es hatte seine Zustimmung für die Hausnummer 1 ausgestellt.

Bei der Ankunft Ende September habe der Hausmeister die Familie vor der Hausnummer 1 erwartet. Zu diesem Zeitpunkt wusste Ba Abbad immer noch nicht, dass er die falsche Wohnung gemietet hatte. Der Hausmeister brachte die Familie dann zum anderen Haus. Weil sie in Schleswig-Holstein schon alle Zelte abgebrochen hatte, war die Familie gezwungen, einzuziehen. Schon dann fiel dem Vater auf, dass an den Wänden offenbar Schimmel überstrichen worden war. Schimmelflecken seien noch zu erkennen gewesen.

Die Gagfah bestreitet das. Rund vier Monate später hat der Pilz nun großflächig alle Räume befallen. "Die Vormieterin hatte bereits zwei Jahre um eine Sanierung gestritten", berichtet Claudia Römisch, eine Nachbarin der Familie Ba Abbad. Die Stellen seien lediglich überstrichen worden, auch ein privates Gutachten habe nichts geändert. "Völlig entnervt" sei die Vormieterin im August ausgezogen.

[kein Linktext vorhanden]Dass der Schimmel gefährlich und gesundheitsschädlich ist, hat der Familie auch ein Arzt bestätigt. Gravierend ist, dass die sechsjährige Rawan an Asthma und Rheuma erkrankt ist. Die Mutter muss sich außerdem in der verschimmelten Wohnung von einer Operation erholen. Die Familie schläft auf Matratzen auf dem Boden. "Möbel zu kaufen lohnt sich nicht, da alles sofort schimmeln würde", sagt Abdul Ba Abbad.

Schimmel in Godesberger Asyl-Wohnung
10 Bilder

Schimmel in Godesberger Asyl-Wohnung

10 Bilder

Der Familienvater hat schon viel Energie darauf verwendet, die Gagfah zum Handeln zu bewegen - trotz immenser Sprachbarrieren. Zunächst forderte er mit Hilfe eines Übersetzers in mehreren Schreiben, den Schimmel zu beseitigen oder ihm eine andere Wohnung zu geben. Letzteres lehnte die Gesellschaft jedoch ab: Es sei keine andere Wohnung verfügbar.

Auf seine Schreiben hin kam ein Gutachter der Gagfah Anfang des Jahres in die Wohnung. "Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass es keine Hinweise auf einen Wassereintritt von außen gibt", so die Gagfah. Vielmehr sei der Schimmel durch falsches Lüften entstanden: Ba Abbad habe angegeben, dass das verschimmelte Kinderzimmer nicht genutzt werde. Deshalb finde kein entsprechender Luftaustausch statt. Außerdem seien die ungenutzten Räume mit 15 Grad Celsius nicht ausreichend beheizt. Ba Abbad schaltete einen Anwalt ein. Auf dessen Androhung einer Mietminderung antwortete die Gagfah: "Eine einmalige Beseitigung des Schimmels haben wir beauftragt. Dies geschieht allein aus Kulanz."

Das ist nun rund einen Monat her. In der Stellungnahme der Pressestelle auf GA-Anfrage hieß es vorgestern: "Eine Fachfirma wird erneut die Fassade und Dachkonstruktion auf Undichtigkeiten und Risse überprüfen. Eventuelle Schäden werden selbstverständlich zeitnah beseitigt." Außerdem bietet die Wohngesellschaft jetzt an: "Sofern weiterhin der Wunsch nach einer Alternativwohnung besteht und wir eine entsprechende zur Verfügung haben, werden wir diese gern anbieten."

Der Anwalt der Familie hat inzwischen Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet. "Ich möchte nur eine Wohnung, in der meine Kinder nicht krank werden", sagt Ba Abbad. Er hat schon erwogen, ein Hotelzimmer zu beziehen. Doch das kann sich die Familie nicht leisten.

Hilfe

Wer Hilfe für Familie Ba Abbad anbieten möchte, kann sich per E-Mail an godesberg@ga.de wenden.

Wohnungsaufsicht eingeschaltet

Die Stadt Bonn war in diesem konkreten Fall nicht an der Wohnungssuche der Flüchtlinge beteiligt, weil die Familie selbstständig nach Bonn gezogen ist. "Wäre die Flüchtlingsfamilie der Stadt Bonn zugewiesen worden, hätte das Amt für Soziales und Wohnen eine Unterkunft ausgesucht und vorbereitet", so Marc Hoffmann vom Presseamt.

Familie Ba Abbad suchte im Dezember selbst Rat bei der Stadt, bekam einen allgemeinen Wohnberechtigungsschein und wurde für die Wohnungsvermittlung vorgemerkt. Einen Tag später gab es ein Gespräch mit der Mieterberatung. Jobcenter und Migrationsberatung wurden involviert.

Auch die Wohnungsaufsicht der Stadt wurde eingeschaltet. Sie bietet Ortsbesichtigungen an, wenn Mieter Mängel festgestellt haben und der Vermieter offensichtlich kein Interesse an der Beseitigung dieses Zustandes hat. "Die Wohnungsaufsicht hat den Sachverhalt vor Ort ermittelt und dokumentiert und verfolgt die möglichen rechtlichen Schritte", berichtet das Presseamt der Stadt. Die Erkenntnisse über den Zustand der Wohnung wurden außerdem an die Wohnungsvermittlung weitergegeben.

Das Problem: Die Stadt kann der Familie keine Wohnung anbieten, selbst wenn sie die besonderen Umstände dieses Einzelfalls berücksichtigt. Es sei "in Anbetracht der geringen Verfügbarkeit von Wohnungen mit Besetzungsrecht, der Vielzahl langjährig ortsansässiger Wohnungssuchender in unzureichenden Wohnverhältnissen sowie der Lage in den städtischen Übergangseinrichtungen mit einer kurzfristigen Vermittlung nicht zu rechnen", so Hoffmann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort