Diskussionsabend an St. Marien in Bad Godesberg Schlagabtausch über queere Sexualität

Bad Godesberg · Pro und Contra Synodaler Weg: Die Sexualethik der katholischen Kirche stand im Mittelpunkt eines gut besuchten kontroversen Diskussionsabends an St. Marien.

 Bernhard Meuser stellt seine Positionen zur Sexualethik der Kirche und zum Umgang mit neuen Formen von Partnerschaft vor.

Bernhard Meuser stellt seine Positionen zur Sexualethik der Kirche und zum Umgang mit neuen Formen von Partnerschaft vor.

Foto: Axel Vogel

Pfarrer Gianluca Carlin hatte an diesem spannenden Abend als Einlader der Gesprächsreihe „Quo vadis Ecclesia“ die Latte hochgelegt: Zur Zukunft der katholischen Kirche wolle man beim zweiten Termin des Forums Bad Godesberg auch bei kontroversen Positionen zuerst einmal zuhören, den anderen zu verstehen versuchen und dann in den Disput kommen. Thema sollte vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte des von Bischöfen und Laien getragenen Formats Synodaler Weg dessen Forenthema Nummer vier, „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, sein.

Sofort entwickelte sich vor gut 90 Zuhörern im Gemeindesaal von St. Marien ein harter Schlagabtausch. Und zwar zwischen Birgit Mock, der Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken sowie Vorsitzenden des Synodal-Forums „Leben in gelingenden Beziehungen“, und dem Publizisten Bernhard Meuser, einem der härtesten Kritiker des Synodalen Wegs. Wobei Moderator Joachim Klopfer immer wieder auszuloten versuchte, ob nicht doch Brücken der Verbundenheit zwischen den Positionen zu spannen wären.

Der Theologe Meuser, Initiator des Jugendkatechismus Youcat sowie vielfacher Buchautor, schaltete sofort auf Angriff. Bei der vierten Versammlung des Synodalen Wegs im September war dessen von Birgit Mock mitverfasster Grundtext zum Leben in gelingenden Beziehungen nicht mit der erforderlichen Mehrheit der Bischöfe angenommen worden, wohl aber ein Handlungstext zur Neubewertung der Homosexualität. Der Grundtext biete keinerlei Nutzen „für die Leute auf meiner Straße“, für die Gesellschaft zerbrochener Familien, setzte Meuser seinen Akkord. „Wir müssen auf Gottes Wort hören. Ich verstehe nicht, warum Sie dem Papst nicht folgen.“

Das Prinzip „Wir lassen uns von niemandem mehr etwas sagen“ zerstöre die Moral. Die Haltung zur Homosexualität auch im Synodalforum unterminiere das Natürliche und breche am Ende kirchliches Recht, sagte Meuser unter heftigem Applaus eines Teils des Publikums. „Homosexualität ist ein Zeichen sexueller Gebrochenheit.“ Und er, der selbst Missbrauchsopfer eines Priesters wurde, reibe sich die Augen, dass nun Homosexualität unter Druck zu einer Normalvariante gemacht werde, warf Meuser sein persönliches Argument in die Waagschale. „Ich finde das peinlich.“

Vielfacher Machtmissbrauch

Woraufhin Mock dagegensetzte, die Faktoren des dramatischen Missbrauchsskandals seit 2010 müssten systemisch analysiert werden. Die Kirche müsse sich der Frage des vielfachen Machtmissbrauchs stellen. „Und dabei begeben wir uns im Synodalen Weg ins Auge des Orkans.“ Die Synodalen wollten nicht nur „Konflikte von unter dem Tisch auf den Tisch legen“, sondern auch Brücken zwischen der Lehre und der heutigen Lebenswelt bauen.

„Wir wollen die kirchliche Lehre weiterentwickeln“, sagte Mock unter Beifall eines Publikumsteils. Ein Raunen ging durch den Saal. Und das auch, als Mock es als Paradigmenwechsel lobte, auch queere Sexualität als positive Kraft und Vielfalt als Teil des Schöpfungszusammenhangs zu bezeichnen. Auch Paare in einer zweiten Beziehung hätten den Segen der katholischen Kirche verdient, setzte sie noch einen drauf.

Das ziehe ihm die Schuhe aus, meldete sich Meuser. „Eine zweite Ehe ist eine Katastrophe. Ein Versprechen wurde gebrochen“, meinte er. „Sie betreiben keine saubere Theologie. Das ist lausige Theologie“, kritisierte er die Vertreter des Synodalforums, also ausdrücklich auch einige Bischöfe. Das Forum betreibe mit seinem Bezug auf die Fälle „Missbrauch des Missbrauchs.“ Heute verkünde die deutsche katholische Kirche nicht mehr das Evangelium Gottes, erregte sich Meuser. „Die deutsche Kirche ist zu einer der unfruchtbarsten Kirchen der Welt geworden.“

Diese Kritik sei für sie „unerträglich“, konterte die Vizepräsidentin des Zentralkomitees, die auf Wunsch des Moderators zuvor noch versucht hatte, in den Werten Treue, Dauer, Respekt und Ablehnung von sexueller Gewalt für Paarbeziehungen Anknüpfungspunkte zum Diskussionspartner zu finden. Ob eine Beziehung gut oder schlecht sei, wolle sie nicht an deren äußerer Form festmachen. „Wir stehen aber in der Verantwortung, jegliche Beziehung, die die Würde des Menschen nicht beachtet, zu verurteilen“, so Mock.

Das Publikum stand nach dem aufregenden Disput schließlich Schlange, sich selbst einzubringen. Von „Der Synodale Weg steht längst in der Tradition politischen Wahlkampfs“ und „Jetzt fängt die Kirche auch noch mit dem gleichen Zeitgeist-Scheiß an“ reichten die Voten bis zu „Wir fordern Veränderungen“ und „Wir unterstützen den Synodalen Weg hundertprozentig“. Godesbergs leitender katholischer Pfarrer versuchte zum Schluss noch einmal, die Wogen zu glätten. Auch im heftigen Meinungsstreit unter Katholiken möge dem anderen immer noch zugestanden werden, dass er aus seinem guten und tiefen Glauben heraus spreche, so Pfarrer Carlin.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort