Aloisiuskolleg Schule vernichtete alte Nacktfotos

BONN · Die erotischen Nacktfotos von Schülern des Paters Ludger Stüper, dem 2010 verstorbenen Internats- und Schulleiter des Aloisiuskollegs (Ako), heizen auch vor dem Hintergrund der Affäre an der Odenwaldschule die Diskussion zwischen Ako und Betroffenen erneut an.

Im kürzlich im Kohlhammer-Verlag erschienenen Buch "Unheiliger Berg" gibt der heutige Ako-Internatsleiter Christopher Haep zu, dass auch Ende 2011 noch weitere Nacktdias von Jungen in "eindeutig erotischen, sexualisierten Posen" aufgetaucht seien, die er an Rektor Pater Johannes Siebner weitergegeben habe. "Die meisten Gesichter auf den Bildern konnte ich persönlich nicht zuordnen, das war vor meiner Zeit", sagte Haep.

"Wir vom Eckigen Tisch wissen bis heute nichts über die Funde", sagt dessen Sprecher Heiko Schnitzler entsetzt. Die Fotos seien für die Betroffenen als Teil des erlebten Missbrauchs und für dessen Aufarbeitung sehr wichtig. "Sie sind vernichtet", sagte Pater Siebner auf Anfrage.

Er habe die Posing-Bilder damals in Augenschein genommen und sie, nach fachlicher Beratung, als nicht strafrechtlich relevant bewertet.

"Es war keine der abgebildeten Personen eindeutig identifizierbar. Die Bilder aber weiteren Personen zu zeigen, hätte die Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten verletzt. Das ist eine höchst sensible Thematik, zu der ich mir professionellen Rat gesucht habe", sagte Siebner.

Damit es kein Missverstehen gebe: Das Ako sei im Hinblick auf diesen "Täter", der perfide vorgegangen sei, durch einen schmerzhaften Lernprozess gegangen. "Es gab da eine Verharmlosung, die wir heute so nicht mehr vornehmen, ja, die erneut verletzend war. Auch solche Posing-Bilder sind Missbrauch", betont der Rektor.

Pater Stüpers Nacktbilder von Schülern hätten über Jahrzehnte an mehreren Orten im Haus verteilt gehangen. "Mitbrüder, Mitarbeiter und Eltern sind sehenden Auges blind für die Übergriffigkeit dieser Bilder und für die Verletzung der Würde der Kinder gewesen."

Das Dilemma bei den erneut gefundenen Dias sei aber, "dass wir ja selbst mit dem Wissen um die Identität keine eindeutige Handlungsoption gehabt hätten. Man kann eventuell Betroffenen die Bilder nicht zeigen, ohne dass sie andere sehen, die ihrerseits nicht wollen können, dass ihre Bilder angesehen werden.

Zudem ist auch nicht sicher, dass selbst die Betroffenen diese Bilder sehen wollen." Sicher gebe es unterschiedliche Wahrnehmungen über den Umgang. "Ich habe mich mit dem Provinzial, mit einem Juristen und der Missbrauchsbeauftragten des Ordens beraten und die Dias dem Orden weitergegeben", so Pater Siebner.

Dem Ako und den Jesuiten versage erneut der moralische Kompass im Umgang mit Fotos, die sexuelle Ausbeutung bedeuteten, ist Schnitzler empört. Die Praxis, Fotos erneut zu vernichten, ohne jemanden zu informieren, sei die schlimmste Form des vermeintlichen Selbstschutzes, da die Betroffenen noch einmal für das äußerlich saubere Bild des Ako herhalten müssten.

"Die Kollegs- und die Ordensleitung kennen seit langem unsere Kritik am opferverachtenden Umgang mit Stüpers Unrechtsfotos." Es sei aus Sicht des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte sehr schwierig, mit Nacktfotofunden korrekt umzugehen, hat Conny Schulte von der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt Verständnis für das Dilemma. "Aber einfach vernichten: Das geht auf keinen Fall.

Jetzt ist den Betroffenen jede Möglichkeit genommen, sich damit auseinanderzusetzen." Ihrer Ansicht nach hätte das Material Ermittlungsbehörden überlassen werden müssen. "Wenn die Zeiträume identifizierbar waren, hätte man die Jahrgänge anschreiben können", sagt Schulte.

So wäre die Möglichkeit gegeben gewesen, dass Betroffene mit juristischem Beistand ihre eigenen Bilder hätten sehen können. Bei solchen Anschreiben bestehe die Gefahr, dass man "retraumatisiere". Aber zumindest die Betroffenen, die auf der Suche nach ihren Nacktfotos waren, hätten in den Prozess einbezogen werden müssen.

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