Finanzierung für Bonner Museum Schulterschluss fürs Deutsche Museum

BONN · Der Briefkopf ist vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, unterschrieben haben 30 Chefinnen und Chefs aller namhaften Bonner Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Stiftungen und Einrichtungen der Wissenschaftsförderung. Der ungewöhnliche Schulterschluss gilt dem Deutschen Museum Bonn, das nach wie vor akut von der Schließung in zwei Jahren bedroht ist, weil die Stadt den jährlichen Zuschuss gestrichen hat.

Auch Bundesforschungsministerin Johanna Wanka hat es abgelehnt, das Museum an der Ahrstraße finanziell zu unterstützen. Ein Förderverein, der sich gerade gründet, will helfen, die Zukunft des Hauses zu sichern. Frisch saniert ist der Transrapid, der vor dem Museum steht. Dafür sorgten Sponsoren.

Tenor des offenen Briefes unter anderen an den neuen Oberbürgermeister Ashok Shridharan: Das Deutsche Museum in Bonn ist unverzichtbarer Baustein der immer wieder beschworenen Wissenschaftsstadt, es leiste wichtige Bildungsarbeit in so wichtigen Disziplinen wie Physik, Mathematik und Chemie. Seine Abwicklung wäre ein fatales Signal mit unvorhersehbaren Folgen.

Motor der Initiative ist Klaus Kinkel, langjähriger Bundesminister und bis Dezember 2014 rund zwölf Jahre Vorsitzender der Telekom Stiftung. Dort hat er häufig mit dem Deutschen Museum zusammengearbeitet und Projekte gefördert, unter anderem ein Labor für Alltagschemie, das sich an Schüler richtet, die mit Naturwissenschaften sonst wenig am Hut haben. "Ich habe die Arbeit immer sehr bewundert", sagt Kinkel. Er versteht nicht, dass die Stadt Bonn ein weltbekanntes Museum eingehen lassen will und damit die Förderung des naturwissenschaftlich orientierten Berufsnachwuchses aufgibt. "Als ich das hörte, habe ich gedacht, das kann ja wohl nicht sein."

Kinkel und Museumsleiterin Andrea Niehaus organisierten den offenen Brief an die Stadt. Sie beschreiben die Aktion als "Selbstgänger", denn das Befremden über die Entscheidung der Stadt sei bei allen Wissenschaftseinrichtungen in und um Bonn sehr groß. Man habe niemanden um eine Unterschrift bitten müssen. Kinkel sieht die Stadt weiter in der Pflicht. Sie müsse ein großes Interesse haben, die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu fördern.

Hier liegt nach Einschätzung des ehemaligen Außenministers ein wesentlicher Schlüssel für eine gelingende Zukunft der Region und des gesamten Landes. Es gebe einfach zu wenig Nachwuchs in den technischen und naturwissenschaftlichen Berufen, wenn es nicht gelinge, Kinder für diese Fächer zu begeistern. Das sei die Domäne des Deutschen Museums. Es habe damit eine Sonderstellung für die gesamte Region

Kinkel versteht auch die Stadt Bonn nicht. Sie mache sich als Wissenschaftsstadt unglaubwürdig und setze nach seiner Einschätzung falsche Prioritäten. Die Mathematik sei eine der besten Universitäts-Fakultäten überhaupt mit weltweitem Renommee. Es gebe zahlreiche namhafte naturwissenschaftliche Forschungsin-stitute in der Stadt: "Ich würde doch damit angeben."

Alternativen zu einer öffentlichen Grundfinanzierung sieht Niehaus nicht. Stiftungen förderten Projekte, aber nicht auf Dauer. Die Wirtschaft würdigt die Bedeutung des Museums. Der gerade gegründete Förderverein, den die Industrie- und Handelskammer (IHK) unterstützt, ist im Aufbau und schafft die nötige Summe noch nicht. "Es bleibt immer noch eine Lücke von rund 500.000 Euro", sagt die Museumschefin. Sie braucht überdies rasch eine Lösung, denn sie muss neue Projekte einwerben und ihr Personal halten. "Wir hängen sonst in der Luft", sagt Niehaus, die sich seit Wochen intensiv um die Rettung bemüht. Niemand gebe Geld, wenn nicht klar sei, ob das Haus erhalten bleibe.

Kinkel hält die Summe für machbar und ihm ist klar, dass es hier ein dickes Brett zu bohren gilt. "Ich bleibe dran", kündigt er an. Ziel ist es, möglichst alle Partner aus Wissenschaft, Hochschulen, Stadt und Land an einen Tisch zu holen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dabei setzen sie auf den neuen Oberbürgermeister. Bei ihm liegt der Appell der Wissenschaftsstadt auf dem Tisch. "Wir hoffen auf neue Gespräche", sagt Niehaus.

Es geht um rund 830.000 Euro pro Jahr, die bisher von der Stadt getragen wurden und die einzige Außenstelle des Münchener Deutschen Museums in Bonn ermöglichten. Im Vergleich mit anderen Museen kein großer Betrag. Die Ausstellung entstand im Zuge des Ausbaus Bonn zur "Wissenschaftsstadt" nach der Entscheidung, die Regierung nach Berlin umziehen zu lassen. Millionenbeträge des Landes und des Bundes förderten seit Mitte der neunziger Jahre den Aufbau. Die ständige Finanzierung übernahm die Stadt.

Den knappen Etat füllt die Einrichtung an der Ahrstraße mit Projektförderungen auf, die Jahr für Jahr eingeworben werden müssen. Bei den Bemühungen um eine Haushaltskonsolidierung hat der Stadtrat die regelmäßige Unterstützung ab 2018 auf Null gestellt. Wenn es nicht gelingt, die Haushaltslücke zu schließen, muss das Deutsche Museum spätestens Ende 2017 schließen. Rund 80.000 Besucher kommen jährlich. Wichtig ist das Museum vor allem in der Bildung: Schüler aller Schulen kommen hierher, um die eher ungeliebten Fächer der Naturwissenschaften einmal neu, interessant und in ihrer Anwendung kennenzulernen.

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