Kirchengeschichte Sittenspiegel früherer Zeiten in Bad Godesberg

Bad Godesberg · Alte Visitationsberichte aus Bad Godesberg bieten einen Blick in Kirchen und Pfarrhäuser des 17. Jahrhunderts.

 Im Friesdorfer Pastorat ging es früher hoch her: Bis ins 19. Jahrhundert befanden sich im historischen Fachwerkhaus, das zum Leyenhof gehört, die Wohnung und die Amtsräume des Pfarrers.

Im Friesdorfer Pastorat ging es früher hoch her: Bis ins 19. Jahrhundert befanden sich im historischen Fachwerkhaus, das zum Leyenhof gehört, die Wohnung und die Amtsräume des Pfarrers.

Foto: Ronald Friese

Kirchliche Visitationsberichte – das klingt langweilig, dürfte man meinen. Martin Ammermüller zeigt in den neuesten Godesberger Heimatblättern, dass zwar durchaus Mängel mit Wohlwollen übertüncht wurden. Interessant werde es aber, „wenn im Anschluss an die Kirchenvisitation über religiöse und sittliche Verfehlungen des Pfarrers und seiner Gemeindeglieder geurteilt wird“, so Ammermüller. Dann erhalte der Leser einen einzigartigen Einblick „in den sittlichen Zustand eines Zeitabschnitts“.

Ammermüller, promovierter Jurist und Vorsitzender des Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg, hat sich in entsprechende Protokolle des späten 17. Jahrhunderts hineingekniet und historisch Typisches und durchaus Vergnügliches rund um die damaligen Godesberger Kirchen herausdestilliert.

Schöffen lästerten über Pfarrer in Rüngsdorf

Was war also in den Augen der Zeit das Kritikwürdige rund um Rüngsdorfs Kirche? Welche Sünden klagte das regionale geistliche Sittengericht, das Archidiakonat Bonn, hier damals an? Befragt wurden die örtlichen „Sendschöffen“ – sozusagen Spione, die für ihre Aussagen Lohn erhielten und deshalb unter der Hand nur „Judasse“ hießen.

Über den Rüngsdorfer Pfarrer lästerten diese Schöffen, er sorge nicht ausreichend fürs Brennen des Ewigen Lichts. Er vernachlässige das Messelesen in der Kapelle. Seine kirchlichen Geräte seien zwar in gutem Zustand, aber der Beichtstuhl, der stehe nicht da, wo er hingehöre. Außerdem sei seine Haushälterin im Krieg von Soldaten „defloriert“ worden. So weit die Rüngsdorfer „Sündenliste“.

Die Liste für Friesdorf gestaltete sich da schon drastischer. Regelrecht armselig und nicht gepflegt seien hier Kirche, Kapelle und Friedhof, zeigte die Visitation. Im Pfarrhaus herrschten chaotische Zustände, meldeten die Sendschöffen. Da habe offenbar der Pfarrer selbst die Magd geschwängert, gibt Ammermüller als eine Interpretation der Fakten an. Daraufhin habe die Magd wohl, um den Pfarrer aus der Schusslinie zu bringen, unter Zeugen flugs einen anderen Friesdorfer verführt – aber der habe sie dann überraschenderweise auch ehelichen wollen. Jedenfalls sei der Herr Pastor über diese Wendung so entsetzt gewesen, dass er sich von der künftigen Kindsmutter „hoch und heilig“ versprechen ließ, diesen Mann nicht zu heiraten.

Strafe der Schandsteine drohte

Das geistliche Sittengericht ließ sich jedoch offenbar nicht täuschen. Die Magd, die bekannt hatte, sich mit dem Pastor schon geküsst zu haben, durfte das Pfarrhaus nicht mehr betreten, „um die Gefahr übler Nachrede abzuwehren“. Der Bräutigam musste eine Geldstrafe zahlen. Und der Pfarrer wurde gar nicht belangt, außer, dass er nun mit der Magd nicht mehr unter einem Dach leben durfte. Ein für die damalige Zeit mildes, ja salomonisches Urteil.

Vom Sittengericht als Sünder verurteilt zu werten, konnte nämlich zur Folge haben, dass einem mit Ketten Schandsteine umgehängt wurden. Während der Messe hatten die Bestraften dann im Bußgewand mit Kerze in der Hand am Altar zu stehen, um wie am Pranger Reue zu zeigen, was Ammermüller an Mehlemer Beispielen zeigt.

Und welche Verfehlungen hängten aussagefreudige Schöffen damals den Muffendorfern an? Ein Bürger habe seine jetzige Ehefrau vor der Eheschließung geschwängert, hieß Kritik. Ein Zweiter habe die Messe geschwänzt. Und ein Dritter habe sich neu verliebt und von seiner Frau getrennt. Während die ersten beiden Beschuldigten mit einer Geldstrafe davonkamen, hagelte es im dritten Fall Empörung, die sich gegen die neue Liebe des Mannes richtete.

Und wie ging der Fall des Mehlemer Pastors aus, der nach jeder Messe endlose Mahnreden hielt, dass es die Jugend vor dem Kirchgang grauste? Da habe der Pastor Federn lassen müssen, berichtet Ammermüller: Dem Pastor wurde vom Gericht ein neuer, dicht getakteter Arbeitsplan verpasst.

Demnächst beim Heimatverein erhältlich: die Godesberger Heimatblätter Band 55, darin auch der Beitrag von Martin Ammermüller.

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