Türkischer Supermarkt als Bühne

LANNESDORF · Fatih Çevikkollu unterhält mit "Der Moslem-Tüv". Zukunft von "Godesberg liest!" ungewiss

 Fatih Çevikkollu hat sichtlich Spaß an seinem selbstgebastelten Mikrofon-Ständer, der allerdings nicht lange hält. FOTO: MAXIMILIAN MÜHLENS

Fatih Çevikkollu hat sichtlich Spaß an seinem selbstgebastelten Mikrofon-Ständer, der allerdings nicht lange hält. FOTO: MAXIMILIAN MÜHLENS

Foto: Maximilian Mühlens

VON MAXIMILIAN MÜHLENS

An der Kasse stehen die letzten Kunden an. Sie legen ihre Waren auf das Laufband und schauen dabei zu der Fläche, die normalerweise ihre ganze Aufmerksamkeit hat: die Aktionsfläche. An diesem Samstagabend sind dort aber keine Schnäppchen zu finden, sondern weiße Klappstühle, auf denen zahlende Literaturfans Platz genommen haben. Und der Blick des dort sitzenden Publikums geht dabei in Richtung der Küchen- und Einrichtungsabteilung.

Das zweite Literaturfestival "Godesberg liest!" macht am Samstagabend Station im Mevlana Market an der Ellesdorfer Straße. Der türkische Supermarkt bietet eine besondere Atmosphäre für einen besonderen Künstler: Fatih Cevikkollu, der aus seinem Buch "Der Moslem-Tüv: Deutschland, einig Fatihland" liest. Während das Publikum längst auf seinen Plätzen sitzt, gemeinsam mit den beiden Veranstaltern Stephanie Malmendier und Andreas Lüderitz, lässt der Star des Abends auf sich warten. "Ja, Fatih Cevikkollu kommt später", erklärt Lüderitz dem Publikum. "Fatih hat es sich nicht nehmen lassen, heute, kurz nach 13 Uhr, in Berlin in einen Zug der Deutschen Bahn zu steigen." Ein Raunen geht durch die Reihen. In Anbetracht des GDL-Streikes rechnen viele mit einer satten Verspätung - am Ende sind es aber nur knapp zwanzig Minuten. "Eine kleine Verzögerung gehört zu einem großen Künstler ja dazu", so Lüderitz. Wer jetzt denkt, dass die Verspätung für Unmut gesorgt habe, irrt gewaltig. Vielmehr ist sie Auftakt für einen kurzweiligen lustigen Abend. Çevikkollu entschuldigt sich für die Verspätung, als eine Besucherin mit den Worten "die GDL muss sich entschuldigen" den Schauspieler und Kabarettisten unterbricht. "Warum das denn?", entgegnet er.

Was folgt ist eine flammende Sympathie-Rede für den Streik. "Die GDL streikt für die Rechte der Arbeitnehmer und das ist gut so. Die Bahnen fahren, es gibt einen Notfallplan - klar, man muss mehr Zeit einplanen und man kommt etwas später an, aber man kommt von A nach B", so Çevikkollu. Statt schräger Blicke erntete der gebürtige Kölner mit türkischen Wurzeln Anerkennung und Applaus.

Schnell zieht er sich noch seine Mütze und Jacke aus, stellt sich an den Stehtisch, kramt sein Buch aus dem Rucksack und will mit der Lesung beginnen. Allerdings: Ein Mikrofon-Ständer fehlt. Was folgt, ist Situationskomik pur. Zusammen mit dem Publikum versucht Çevikkollu einen improvisierten Ständer zu basteln - schließlich sitzt man ja in einem Supermarkt, der allerhand Material bietet. Ein großes Deko-Herz, eine Stehlampe und Panzertape - fertig ist der Ständer. "Sag noch einmal einer, dass Kitsch für nichts zu gebrauchen sei", sagt Çevikkollu lachend. Allerdings: Der Ständer taugt nichts. Ein im Publikum sitzender Mann kann helfen: Er hat im Auto noch ein professionelles Stativ.

Dann kann die Lesung beginnen: In seinem Buch greift Çevikkollu all jene Vorurteile und Klischees über Moslems auf und entlarvt sie mit einer gehörigen Portion Humor, als haarsträubende Fantasien der Deutschen. In der Pause erkundeten die Gäste den Mevlana Market und konnten sich bei einem Late-Night-Shopping austoben. Die Inhaberfamilie Gürses reichte dabei Schwarztee, Baklawa und Halka-Tatli, ein sehr süßes, aber auch wahnsinnig leckeres türkisches Gebäck.

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