Schiedsmann in Bad Godesberg Ulrich Twrsnick schlichtet Streitigkeiten ohne Gericht und Papierkrieg

BONN · Seit 30 Jahren steht der geliebte Haselnussstrauch von Peter Schneider (Namen der Parteien geändert) in seinem Mehlemer Garten. "Und hat mittlerweile einem ordentlichen Überwuchs.

 Schiedsmann Ulrich Twrsnick vor seinem Haus in Mehlem, wo er auch Parteien empfängt, die miteinander im Streit liegen. Das Schild neben der Klingel weist ihnen den Weg.

Schiedsmann Ulrich Twrsnick vor seinem Haus in Mehlem, wo er auch Parteien empfängt, die miteinander im Streit liegen. Das Schild neben der Klingel weist ihnen den Weg.

Foto: Papayannakis

Ich habe nur noch Schatten, muss ständig bei der Blüte im Frühjahr und im Herbst kehren. So geht das nicht weiter", findet sein Nachbar Hans Wolf. Bislang konnte er Schneider nicht zu einem Rückschnitt bewegen, er möchte aber eine Einigung ohne den Gang zum Gericht erzielen.

Dazu sucht Wolf den für seinen Bezirk zuständigen Schiedsmann Ulrich Twrsnick auf. "Bei dem ersten Telefonat kochten schon die Emotionen sehr hoch. Das ist bei solchen Fällen meistens so. Ich gebe dann immer Bedenkzeit und empfehle, nochmals eine Nacht darüber zu schlafen."

Wolf wollte dann aber ein Ergebnis erzielen. "Wir haben einen Antrag am folgenden Tag gemeinsam aufgesetzt, per Postzustellung dem Besitzer des Strauchs zukommen lassen und in einem gemeinsamen Gespräch in meinem Haus eine einvernehmliche Lösung gefunden", so Twrsnick. Der Baum wurde mittlerweile zurückgeschnitten. "Es kommt in den meisten Fällen zu einer Einigung. Der Schiedsmann ist aber kein Richter. Beide Seiten müssen aufeinander zugehen und Zugeständnisse sowie Abstriche machen", sagt der 66-Jährige.

Seit sieben Jahren ist der ehemalige Oberst der Bundeswehr für den Bonner Teilschiedsamtsbezirk 4 in Bad-Godesberg tätig. Seine Erfolgsquote liegt bei 80 Prozent, rund 100 Fälle hat er bislang begleitet. Der Gang zum Schiedsmann ist oftmals der schnellste Weg, um Streitigkeiten kostensparend beizulegen und seitens der Staatsanwaltschaft auch gewünscht. Schiedspersonen kommen in kleinen Privatklagedelikten wie Beleidigungen, Hausfriedensbruch, Verletzung des Briefgeheimnisses oder bei einer leichten Körperverletzung wie einer Ohrfeige zum Einsatz.

"Davon ausgeschlossen sind natürlich Ehescheidungen, Erbschaftsangelegenheiten, Kindesmissbrauch oder Vergewaltigung. Da ist der Weg über die Anzeige bei der Polizei unumgänglich", sagt Twrsnick.

Einigen sich beide Seiten, wird ein Vergleich aufgesetzt, den beide Parteien und die Schiedsperson unterschreiben. "Wir halten dann Punkt um Punkt schriftlich fest, gegebenenfalls auch mit einer Zeitlinie. Damit ist es rechtswirksam", so der Schiedsmann. Wird der Vertrag seitens einer Partei nicht eingehalten, kann das Gericht eingeschaltet werden. "Das Schriftstück ist ja verbindlich, es wurde mit einem Titel erwirkt. Der Fall wird dann möglicherweise doch vor Gericht verhandelt."

Die Ausübung des Ehrenamts ist an keine spezielle Ausbildung geknüpft. Der Bewerber sollte zwischen 30 und 70 Jahre alt und nicht vorbestraft sein. "Es kann jeder machen, allerdings sollte man gut beleumdet sein. Und Selbstvertrauen haben - man muss ja schon manchmal wie ein Dompteur beide Seite bändigen", sagt er schmunzelnd.

Nach einem erfolgreichen Bewerbungsgespräch folgt die Vereidigung seitens eines Richters mit anschließenden Schulungen. "Man wächst in die Aufgabe hinein. Ich habe in meinem Leben so viel von der Gesellschaft bekommen, da gebe ich gern etwas zurück", so Twrsnick.

14 Schiedsamtsbezirke in Bonn

In Nordrhein-Westfalen schlichten rund 1200 Schiedspersonen vorgerichtliche Streitigkeiten. Sie werden jeweils für fünf Jahre von der zuständigen Bezirksvertretung gewählt. Bonn ist in 14 Teilschiedsamtsbezirken unterteilt, derzeit sind vier Schiedsfrauen und neun Schiedsmänner im Stadtgebiet tätig, deren Erfolgsquote bei 70 Prozent liegt.

Die Verfahrenskosten sind gering: Der Antragsteller hinterlegt eine Kaution bis zu 50 Euro, die Gebühr für die Verhandlung beträgt zehn Euro. Beim Vergleich fallen Kosten zwischen 20 und 50 Euro an.

Info

Derzeit wird für den Bonner Teilschiedsamtsbezirk Auerberg, Buschdorf und Graurheindorf eine neue Schiedsperson gesucht. Weitere Informationen sind bei Helmut Beines, 0228/772546, Fax: 0228/773390 oder über E-Mail an helmut.beines@bonn.de erhältlich.

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