Schmierereien in Godesberg Unruhe vor dem Kundus-Prozess

BONN · Staats- und Völkerrechtler werden am kommenden Mittwoch aufmerksam auf die 1. Zivilkammer des Bonner Landgerichts blicken. Dann ist dort das zivilrechtliche Verfahren angesetzt, in dem Hinterbliebene der Opfer der umstrittenen Bombardierung zweier Tanklaster im afghanischen Kundus durch US-Jagdbomber den deutschen Staat auf Schadenersatz verklagen.

Schon jetzt wirft der Prozess seine Schatten voraus. Donnerstagabend meldete sich in der Universität der Rechtsanwalt der Kläger zu Wort. In der Nacht zuvor beschmierten Unbekannte die Unterführung im Bad Godesberger Bahnhof mit Parolen. Und für den Verhandlungstag haben linke Gruppen eine Protestkundgebung vor dem Landgericht angemeldet.

Bekanntlich hatte der damalige Oberst Georg Klein den Luftschlag angefordert, bei dem mutmaßlich rund 140 Menschen ums Leben kamen, die aus den Lastern Benzin abzapfen wollten. Als Kommandeur vor Ort, so Klein damals, habe er befürchtet, die entführten Lastzüge könnten mit ihrer explosiven Fracht als rollende Bomben gegen das nahe Feldlager der Bundeswehr eingesetzt werden. Strafrechtliche Ermittlungen gegen Klein, die wegen eines möglichen Verstoßes gegen das humanitäre Völkerrecht von der Bundesanwaltschaft geführt wurden, wurden ebenso eingestellt wie ein Disziplinarverfahren gegen ihn.

Über die vom Verteidigungsministerium bereits gezahlten 90 mal 5000 Dollar an betroffene afghanische Familien hinaus streiten die Bremer Rechtsanwälte Peter Derleder und Karim Popal für weitere Entschädigungszahlungen. In einem Hörsaal der Universität trug Karim Popal am Donnerstagabend seine Sicht der Dinge vor.

Gestützt auf Text- und Bildmaterial sieht er es als erweisen an, dass die beiden US-Piloten an jenem verhängnisvollen 4. September 2009 die hohe Anzahl an Zivilisten vor dem Abwurf erkannt und dies auch mehrfach an die Deutschen gemeldet hätten.

Diese, so Popal, seien gleichwohl bei ihrem Befehl geblieben, obwohl an den Tanklastern offenkundig keine militärische Operation der Taliban im Gange gewesen sei. Man habe die Piloten bewusst falsch informiert. Georg Klein selbst, inzwischen zum Brigadegeneral befördert und auf einem Dienstposten in Köln stationiert, äußerte sich gestern unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht zur Sache.

Eingeladen hatte zur Diskussion die "Antikapitalistische Hochschulgruppe", als Moderator wirkte Simon Ernst von der Verdi-Jugend NRW. Er lässt im Internet eine ideelle Nähe zur "Antikapitalistischen Aktion Bonn" (AKAB) erkennen, die in den vergangenen Monaten in Bonn unter anderem mit Plakaten auf sich aufmerksam gemacht hat, auf denen mit der Aufschrift "Wanted" und "Mörder" steckbriefartig nach Georg Klein "gefahndet" wird.

Zur großflächigen Beschmierung im Bad Godesberger Bahnhof sagte Ernst dem General-Anzeiger gestern: "Ich würde niemandem empfehlen, das zu tun, bin aber weit davon entfernt, es zu verurteilen". Die Bezeichnung "Mörder" in Bezug auf Georg Klein hält Ernst für "zu tief gegriffen": "Kriegsverbrecher wäre treffender", meint er.

Die jüngsten Schmierereien in Godesberg tragen die Signatur der AKAB. Dennoch äußerte die Polizei gestern zu den Urhebern "keinen konkreten Tatverdacht". Bereits im Frühjahr war es in Bonn mehrfach zu ähnlichen Sachbeschädigungen gekommen. Mit Blick auf den Zivilprozess vor dem Landgericht werde man die Prävention intensivieren, sagte eine Polizeisprecherin.

Protest linker Gruppen

Für Mittwoch kommender Woche ist vor dem Landgericht für den Zeitraum von 9 bis 19 Uhr eine Demonstration angemeldet worden. Dann beginnt dort die Verhandlung über eine mögliche Entschädigung Angehöriger der Opfer des Bombenangriffs durch die Bundesrepublik Deutschland. Organisator der Demonstration ist ein Bündnis aus linken Gruppen wie "Antikapitalistische Aktion Bonn", "Bonner Jugendbewegung" und "Die Linke". Die Veranstalter hoffen auf 200 bis 500 Teilnehmer. Die Polizei, so eine Sprecherin auf GA-Anfrage, rechne derzeit mit einem friedlichen Verlauf, sei aber "wachsam".

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