Der Fall Niklas P. Verdächtiger bestreitet die Tat

Bad Godesberg · Im Fall des getöteten 17-Jährigen hat ein Richter Haftbefehl gegen den 20-jährigen Hauptverdächtigen erlassen. Der ist in Italien geboren, lebt aber schon länger in Bonn.

7. Mai, 0.20 Uhr. Niklas P. ist mit drei Freunden – einem Jungen und zwei Mädchen – auf dem Weg zum Bahnhof. Am Von-Groote-Platz treffen sie auf eine Gruppe junger Männer. Es kommt zum Wortgefecht, die Situation eskaliert. Der 17-Jährige bekommt einen Schlag gegen die Schläfe und geht zu Boden. Ein massiver Tritt gegen den Kopf folgt. Ein Notarzt muss den Jugendlichen aus Bad Breisig noch am Tatort reanimieren, doch die Verletzungen sind zu schwer. Eine Woche nach der brutalen Attacke stirbt Niklas P. im Krankenhaus.

Verantwortlich dafür ist ein 20-jähriger Italiener, der bereits wegen Gewaltdelikten polizeibekannt ist. Davon sind Polizei und Staatsanwaltschaft überzeugt. Am Dienstag wurde der junge Mann festgenommen, am Mittwochnachmittag einem Haftrichter vorgeführt. Der erließ Haftbefehl wegen Verdachts des Totschlags.

Das Äußere des 20-Jährigen passt genau zur Täterbeschreibung. Und: „Ein Zeuge hat ihn widererkannt“, sagte Oberstaatsanwalt Robin Faßbender am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Dennoch bestreitet der Verdächtige die Tat, verstrickt sich aber laut Faßbender in Widersprüche. Außerdem konnten die Ermittler einige Angaben des 20-Jährigen widerlegen – so zum Beispiel die Aussage, wo er zur Tatzeit gewesen sein will.

Ein Alibi hat der junge Mann, der in Italien geboren wurde, keinen deutschen Pass hat aber schon länger in Bonn lebt, somit nicht. Weitere Angaben zu dem Verdächtigen machten die Ermittler nicht. Nur so viel: Neben dem italienischen „ist ein weiterer Migrationshintergrund vorhanden“. Welcher das ist – dazu schwiegen Polizei und Staatsanwaltschaft.

Die Ermittler gehen davon aus, dass zwei weitere Männer an der Tat beteiligt gewesen sind. Die Fahndung nach ihnen läuft weiter auf Hochtouren. Denn noch steht nicht fest, um wen es sich handelt. Zwar glaubte die Mordkommission eine heiße Spur zu haben, sie hatte auch bereits zwei Männer am Dienstag dingfest gemacht. Diese musste sie aber wieder laufen lassen. Der Tatverdacht erhärtete sich nicht.

Seit knapp zwei Wochen ermitteln die Beamten rund um die Uhr auf Hochtouren, sagte der Leiter der Mordkommission, Franz Wirges. So konnten Polizei und Staatsanwaltschaft den Tatverlauf relativ genau rekonstruieren. Sie gehen davon aus, dass Niklas P. in der Nacht zum 7. Mai auf dem Heimweg war, als er und seine Freunde auf die andere Gruppe trafen. Zufällig, wie die Ermittler meinen.

„Die Gruppe bestand aus drei plus x Männern“, sagte Faßbender. Im Vorbeigehen hätten sie den Bad Breisiger und seine Clique „verbal provoziert“. Was gesagt wurde, welche Worte gefallen sind – dazu wollten die Ermittler nichts sagen. Das sei Täterwissen.

„Im Anschluss wollte Niklas die Gruppe zur Rede stellen“, so Faßbender weiter. Daraufhin ging ein junger Mann auf den 17-Jährigen zu, wollte ihn angreifen. Niklas' Freund und eine Freundin gingen dazwischen, es kam zum Handgemenge zwischen den vieren. Unter anderem schlug der junge Mann seine Opfer mit der flachen Hand ins Gesicht. Der 20-jährige Verdächtige mischte sich ein, stritt sich mit Niklas – und schlug ihm gegen die Schläfe.

Der Jugendliche ging zu Boden und blieb reglos liegen. „Seine Freunde eilten ihm zu Hilfe“, beschrieb Faßbender. Dann habe es eine „kleine zeitliche Zäsur“ gegeben. Der mutmaßliche Täter kam zurück und trat Niklas mit voller Wucht gegen den Kopf. „Es kam also zu zwei Gewalteinwirkungen gegen den Kopf, die zum Tode führten“, sagte Faßbender.

Als schwierig und arbeitsintensiv beschrieb Wirges die Ermittlungen, bei denen die Bundespolizei die Bonner unterstützt. In der Nacht seien der Tatort aufgenommen und Zeugen verhört worden. Im Laufe der folgenden Tage gingen um die 150 Hinweise aus der Bevölkerung ein, 100 Spuren wurden angelegt, der potenzielle Täterkreis auf 40 bis 50 Jugendliche reduziert.

Zwölf- bis 16-Stunden-Tage sind für die Beamten der Mordkommission keine Seltenheit, so Wirges. „Wir befinden uns hart an der Grenze des Leistbaren. Wir werden es aber weiterhin tun. Das sind wir Niklas und seinen Eltern schuldig.“

Die Enttäuschung darüber, dass sie zwei Verdächtige wieder gehen lassen mussten, ist den Ermittlern bei der Presskonferenz anzusehen. Das Problem: „All das, was man sonst an Spuren findet, die auf den Täter hinweisen, haben wir hier nicht“, beschrieb Faßbender. Soll heißen, dass keine DNA-Spuren am Tatort festgestellt werden konnten.

Somit sind die Ermittler im Fall Niklas P. einen Schritt weiter, geklärt ist er indes noch nicht.

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