Ein Ort des Ankommens und der Sicherheit Verein „Ausbildung statt Abschiebung“ feiert sein 20-jähriges Bestehen

Friesdorf/Auerberg · Der Verein „Ausbildung statt Abschiebung“ aus Bonn-Friesdorf feiert sein 20-jähriges Bestehen mit rund 200 Gästen. Betreut werden zurzeit mehrere hundert junge Geflüchtete.

 Johanna Strohmeier, Geschäftsführerin des Vereins „Ausbildung statt Abschiebung“ (Asa), und der Vereinsvorsitzende Clemens Wortmann.

Johanna Strohmeier, Geschäftsführerin des Vereins „Ausbildung statt Abschiebung“ (Asa), und der Vereinsvorsitzende Clemens Wortmann.

Foto: Sebastian Flick

Als Wahid Moradi die Einladung erhielt, markierte sich der 28-Jährige den Termin direkt im Kalender: Denn natürlich wollte er an der Feier zum 20-jährigen Bestehen des in Friesdorf ansässigen Vereins „Ausbildung statt Abschiebung“ (Asa) teilnehmen. Mit Wahid kamen rund 200 Gäste am Samstag zur Jubiläumsfeier am Haus Müllestumpe in Auerberg, darunter aktive und ehemalige Jugendliche, Ehrenamtliche und zahlreiche Förderer des Vereins.

Wahid Moradi bedeutet der Verein sehr viel. Noch gut erinnert er sich an den August 2014, als er allein aus seiner Heimat Afghanistan nach Deutschland geflüchtet war. „Ich sprach damals nur Englisch, aber kein Wort Deutsch“, berichtet er. In Bonn angekommen wollte er direkt einen Deutschkursus belegen, doch durfte er dies aufgrund seines Aufenthaltsstatus noch nicht. Der Verein Ausbildung statt Abschiebung war die einzige Einrichtung, die sich um ihn kümmerte, berichtet er.

Bis zu 230 Geflüchtete aus 30 Nationen

Der Verein betreut heute etwa 220 bis 230 junge Geflüchtete aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis im Alter von 14 bis 27 Jahren aus rund 30 verschiedenen Nationen, die sich wie Moradi gezwungen sahen, aus ihrer Heimat nach Deutschland zu flüchten, deren Aufenthaltsstatus aber unsicher ist. Die engagierten Vereinsmitglieder – zehn Hauptamtliche, fünf Honorarkräfte und über 100 Ehrenamtliche sind heute im Einsatz – unterstützen die Geflüchteten nicht nur bei der Sprachförderung, sondern begleiten sie auch auf ihrem weiteren Weg, unter anderem bei der Suche nach einem Schul- oder Ausbildungsplatz.

Unter den geflüchteten Personen sind besonders viele unbegleitete Minderjährige. „Das erste, was sie brauchen, ist ein Deutschkursus, eventuell zunächst sogar einen Alphabetisierungskurs“, erklärt Saboor Dehghan. Selbst Ende 2014 ohne Deutschkenntnisse aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet, ist er seit vielen Jahren als ehrenamtlicher Helfer im Verein aktiv und hat die Funktion des AsA-Jugendsprechers übernommen.

Natürlich hielten Gastgeber und Gäste bei der Jubiläumsfeier, die wegen der Pandemie um ein Jahr verschoben werden musste, auch einen Rückblick. Gisela Rubbert, heute Ehrenmitglied, war maßgeblich an der Vereinsentstehung beteiligt. Das Gründungsmitglied erinnert sich noch sehr gut daran, wie alles angefangen hat: „Ich hatte ein zwölfjähriges Kind aus dem Kurdengebiet der Türkei kennengelernt, das abgeschoben werden sollte. Als ich erlebte, wie schwer es ist, einem Kind beizustehen, und erfuhr, dass Kinderrechte nicht für Flüchtlingskinder gelten, beschloss ich, gegen dieses Unrecht zu protestieren. Deutschland war das einzige Land, das diese Ausnahme machte.“ Nachdem Rubbert mit einigen weiteren engagierten Frauen den Verein „Ausbildung statt Abschiebung“ gegründet hatte, gab es zwar auch einige Widerstände, gegen die sie angehen musste, doch die enorm große Zahl an Personen, die ehrenamtlich helfen wollte, bescherte dem Verein einen erfolgreichen Start.

Im Laufe der Jahre wuchs die Vereinsarbeit stetig an und wurde vielfach preisgekrönt. „Wir bieten jungen Geflüchteten einen Ort, an dem sie sich wohl fühlen und die Möglichkeit bekommen, an verschiedenen Projekten teilzunehmen. Partizipation spielt bei uns eine große Rolle“, erklärt Johanna Strohmeier, Geschäftsführerin des Vereins. „Unser Ziel ist es, dass die Jugendlichen eine ganzheitliche Begleitung erfahren, nicht nur bei Sprachkursen und der Ausbildungssuche, sondern auch bei der Suche nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit und interkulturellen Lernangeboten“, ergänzt Strohmeier.

Verein sucht größere Räume

Den Geflüchteten wolle man in Bonn einen Ort des Ankommens und der Sicherheit bieten. Um der großen, steigenden Zahl an Kursteilnehmern gerecht zu werden, hofft der Verein, eines Tages in größere Räume umziehen zu können, denn die derzeit genutzten Räumlichkeiten im Gewerbegebiet Friesdorf reichen für das vielfältige Angebot kaum noch aus. Wahid Moradi trifft sich übrigens nach wie vor regelmäßig mit den Vereinsmitgliedern: Nach dem Deutschkursus folgten ein erfolgreicher Schulabschluss an der Abendrealschule Bonn, einige ehrenamtliche Tätigkeiten, unter anderem bei der Caritas, verschiedene Praktika unter anderem bei einem Sicherheitsdienst und einer Fahrradwerkstatt sowie eine erfolgreiche Ausbildung zum Elektroniker mit anschließender Übernahme durch den Arbeitgeber. „Asa ist zu meiner zweiten Familie geworden. Meine Nachhilfelehrer wurden zu meinen Freunden. Hier kenne ich noch immer viele Leute“, sagt Moradi.

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