Thomas Ogilvie lädt Plittersdorfer Grundschüler ein Vorlesestunde mit dem Personalchef der Post

Gronau/Bad Godesberg · Wenn es um ein Herzensprojekt wie das Lesen geht, setzt sich Thomas Ogilvie, Personalchef der Deutschen Post, auch schon mal auf den Boden. Und so muss sein Alltagsgeschäft im Posttower ruhen, als der 45-Jährige Plittersdorfer Grundschülern kurz vor dem Welttag des Buchs vorliest.

 Auf gelben und schwarzen Decken lauschen die Viertklässler der Donatusschule gebannt den Worten von Post-Personalvorstand Thomas Ogilvie.

Auf gelben und schwarzen Decken lauschen die Viertklässler der Donatusschule gebannt den Worten von Post-Personalvorstand Thomas Ogilvie.

Foto: Axel Vogel

Dass der Mann, der da im Schneidersitz ohne Schuhe auf einer gelben Decke sitzt, ein ziemlich wichtiger Mensch bei der Deutschen Post ist, interessiert die 4a der Donatusschule gerade null. Für sie ist Thomas Ogilvie einfach nur ein toller Vorleser und nicht Personalvorstand sowie Arbeitsdirektor des Bonner Konzerns. Mit ihrer Klassenlehrerin Susanne Schröder sind die 26 Schülerinnen und Schüler früh am Morgen von Plittersdorf aus zum Posttower gelaufen, um an der exklusiven Vorlesestunde im Vorfeld zum Welttag des Buchs teilzunehmen.

Der ist zwar eigentlich erst am 23. April, aber schon in den Wochen davor bereiten sich auch in Bonn Buchhandlungen, Schulen und Lesebegeisterte auf das große Lesefest vor. Im Raum Skandinavien angekommen, tun es die Grundschüler Ogilvie gleich, nehmen auf Konzern-konformen Decken in Gelb und Schwarz Platz und ziehen sich die Schuhe aus. „Ich lese Euch jetzt ein bisschen aus dem Buch ‚Manchmal muss man Pferde stehlen‘ von Antonia Michaelis vor und danach bekommt ihr es geschenkt und könnt es zu Hause weiterlesen“, verkündet Ogilvie, der wie die Kinder aus Bad Godesberg kommt. Für Lucia, Paula und die anderen ein vielversprechender Einstieg.

Der 45-Jährige spart nicht an Mimik und Gestik

Das Buch sei lustig, traurig, ernst und ein wenig magisch, erhöht der 45-Jährige die Spannung. Ein letztes Räuspern, dann geht es los mit der Geschichte, die sich um die schüchterne Anna und den draufgängerischen Tariq dreht. Sie aus Deutschland und nach dem Tod der Mutter quasi verstummt, er aus Afghanistan geflüchtet, noch unsicher in der neuen Sprache und häufig mit viel Wut im Bauch.

Während Ogilvie gekonnt die Zeilen vorträgt, dabei an Mimik und Gestik nicht spart, schwirren Fotograf und Kamerateam fortlaufend durch den Raum. Die Viertklässler stört das kaum, sie sind abgetaucht auf ihren Decken und in der Handlung, die Anna nachts gerade an einer Pferdeweide auf Tariq treffen lässt. Sie soll nämlich reiten lernen, um weniger ängstlich zu sein und will sich schon mal mit Wackelpo, dem Pferd, anfreunden. Tariq hingegen braucht ein Pferd, um seinen Bruder zu suchen, der irgendwo in Deutschland im Heim lebt.

Der Vorleser wird zum Fragensteller

Nach 20 Minuten stoppt der Vorleser und wird zum Fragensteller. „Was meint Ihr denn, wie es weitergeht?“, will Ogilvie wissen. Beide Kinder würden beste Freunde und reiten lernen, ist sich Paula sicher. Warum es denn eigentlich wichtig sei, dass alle Menschen lesen lernten, geht die Fragerunde weiter. Die Finger schnellen in die Höhe. Die Antworten reichen von „für die Schule“, über „es ist gut gegen Langeweile“ bis hin zu „man kann sich in Geschichten einträumen“. Ogilvie, der Vorstandsmitglied der Stiftung Lesen ist, zeigt sich zufrieden.

Gemeinsam mit eben jener Stiftung hat die Post das Lesepaten-Programm aufgelegt, bei dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ehrenamtlich im Kinder- und Jugendbereich, aber auch gezielt in Flüchtlingseinrichtungen beim Spracherwerb helfen. „Lese- und Sprachkompetenz zu fördern ist essenziell, denn sie sind der Schlüssel zu Bildung, Integration und gesellschaftlicher Teilhabe. Soziale Verantwortung zu übernehmen, indem wir diese Kompetenzen vermitteln, ist Teil unserer Unternehmenskultur“, wird der Personalvorstand des Konzerns später in einer Pressemitteilung erklären.

Die Lehrerin spricht von einer lesefreudigen Klasse

Penelope erzählt unterdessen, dass sie mit ihrer Freundin Barbora mal angefangen habe, ein Buch zu schreiben: „Aber wir haben es nicht zu Ende geschafft.“ Da ist sie in bester Gesellschaft mit Ogilvie, der es vor 25 Jahren immerhin auf 30 Seiten brachte, wie er den Donatusschülern erzählt. Fast 300 Seiten habe dagegen das Buch über Anna und Tariq, „da braucht man viel Geduld“.

Drei Decken bleiben samt Rohkost-Döschen unberührt, Corona lässt grüßen. Doch Lehrerin Susanne Schröder ist froh, dass die restlichen 26 in den Genuss des Vormittags kommen. „Das ist eine sehr lesefreudige Klasse, wir sind jedes Jahr bei Käpt‘n Book und haben auch in Corona-Zeiten an Lesungen teilgenommen“, sagt sie. Im ersten Schuljahr hätten sechs Kinder kein Deutsch verstanden, zieht sie eine Parallele zu Tariq aus der gerade gehörten Geschichte. Dazu zählte Raphaël, bei dem man jetzt genau hinhören muss, um den französischen Muttersprachler noch herauszuhören. „Am Anfang habe ich nicht so viel geredet“, erinnert sich Raphaël, der zudem Norwegisch versteht.

Zusteller verschenken am 23. April Bücher

Zum Schluss gibt’s für die Kinder noch den obligatorischen Gutschein zum Welttag des Buchs. In diesem Jahr gilt er für den Comicroman „Iva, Samo und der geheime Hexensee“ von Bettina Obrecht. Ihn erhalten rund 3900 Schülerinnen und Schüler aus 150 Bonner Klassen der Stufen 4 und 5. Eingelöst werden kann er in lokalen teilnehmenden Buchhandlungen wie der Parkbuchhandlung aus Bad Godesberg. „Bei uns haben sich schon viele Klassen angemeldet“, sagt Nicole Zielenbach von eben jener Buchhandlung am Michaelshof. Auf sie wartet neben dem Buch ein Aktionstag samt Quiz.

(Einige) Erwachsene gehen bei der Deutschen Post ebenfalls nicht leer aus. Laut Pressesprecherin Britta Töllner überraschen rund 2000 Zusteller am 23. April Kunden nach dem Zufallsprinzip mit Büchern wie „Fuchsmädchen“ von Maria Grund oder „Das verlorene Paradies“ von Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah.

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