Wachtberger Feuerwehrleute „Man darf nicht alles an sich heranlassen“

Interview · Die langjährigen Wehrleiter der Wachtberger Feuerwehr Markus Zettelmeyer und Markus von Wirtz hören Ende Mai auf. Axel Vogel sprach mit den beiden Feuerwehrleuten.

Wachtberger Feuerwehrleute im Interview: „Man darf nicht alles an sich heranlassen“
Foto: Axel Vogel

Für viele Wachtberger dürfte die Nachricht überraschend kommen: Die Gemeinde bekommt eine komplett neue Wehrleitung: Der langjährige Chef der Feuerwehr im Ländchen, Markus Zettelmeyer sowie sein Stellvertreter Markus von Wirtz beenden im Frühjahr ihre Tätigkeit – nach fast 20 Jahren zusammen an der Spitze.

Herr Zettelmeyer, Herr von Wirtz, Sie sind 54 und 48 Jahre alt. Ganz schön jung, um die Feuerwehruniform an den Nagel zu hängen.

Markus Zettelmeyer (lacht): Das werden wir auch nicht tun. Wir bleiben weiterhin in der Feuerwehr aktiv. Markus von Wirtz wird beispielsweise die Adendorfer Löschgruppe leiten, wie ich meine Aufgaben als stellvertretender Kreisbrandmeister unverändert wahrnehmen werde. Wir haben beide vergleichsweise jung angefangen.

Markus von Wirtz: Genau, ich war damals gerade 28 Jahre alt als Markus und ich Anfang 2002 die Wehrführung in Wachtberg übernahmen. Damals zählten wir beide zu den jüngsten Wehrleitern im ganzen Rhein-Sieg-Kreis. Knapp 20 Jahre Wehrführung sind auch eine herausfordernde Zeit gewesen. Die Feuerwehr von heute ist eine ganz andere geworden. Man denke nur an den Verwaltungsaufwand.

Was hat sich noch grundlegend geändert?

Von Wirtz: Die 112 wird heutzutage sehr schnell verwendet.  Wenn zum Beispiel nach einem Starkregen nur wenige Zentimeter Wasser im Keller stehen. Gleiches gilt, wenn mal die Haustür zugefallen ist und der Schlüssel innen steckt.

Kann man diese Erwartungshaltung an die Feuerwehr als Servicedienstleister erklären?

Zettelmeyer: Wir erleben in der Feuerwehr einen gesellschaftlichen Wandel. Viele Menschen sind in verschiedenen Lebenssituationen regelrecht hilflos, weil sie alleine leben. Eine intakte Nachbarschaft oder Freunde und Familie in der Nähe, die schnell helfen können, ist oft keine Realität mehr. Aus Sicht dieser alleinstehenden Menschen ist die Feuerwehr damit ein Retter in höchster Not.

Ist auch das Thema Dankbarkeit ein anderes geworden?

Zettelmeyer: Ein Stückweit schon. Ich erinnere mich an einen Dachstuhlbrand in Ließem vor vielen Jahren an Karneval. Es war so bitter kalt war, dass selbst das Löschwasser in den Schläuchen gefroren ist. Wir sind dann nach getaner Arbeit zum Aufwärmen in die benachbarte Kneipe gegangen, wo uns die Gäste wie selbstverständlich wärmende, nicht-alkoholische Getränke ausgeben haben. Das war einfach eine großartige Geste. So etwas wäre heute die ganz große Ausnahme.

In 20 Jahren dürften Sie viel erlebt haben...

Zettelmeyer: Ich ahne Ihre Frage nach dem schwierigsten Einsatz. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, welcher Einsatz mir besonders in Erinnerung geblieben ist. Ist gibt zahllose, die ihre ganz eigenen Besonderheiten hatten. Mein Devise war immer, alles Erlebte so schnell wie möglich zu vergessen. Nicht weil ich herzlos bin sondern weil ich den Job sonst nicht so lange hätte machen können.

Von Wirtz: Genauso ist es: Man darf schon aus Selbstschutz nicht alles so nah an sich heranlassen, sonst kommt man mit den Bildern im Kopf nicht mehr klar. Man muss als Führungskraft auch noch Kameraden vor den zu belastenden Eindrücken schützen. So haben wir mal die Anforderung der Polizei bekommen, eine Stelle im Wald ausleuchten. Dort sollte sich ein Mensch selbst getötet haben. Ich habe mir damals genau überlegt, welche Kameraden ich mit dieser Aufgabe betraue.

Zettelmeyer: In der Tat ist das ein ganz schwieriges Feld, weil man nie weiß, was einen selbst bei banal klingenden Alarmierungen wie „Person hinter verschlossener Tür“ erwartet. Gerade diese Einsätze werden aufgrund des gesellschaftlichen Umbruches immer häufiger. Das kann harmlos aber auch tragisch sein. Zum Beispiel ein Fall, den ich selbst erlebt habe, bei dem sich ein Familienvater selbst getötet hatte. Den betroffenen Raum habe ich nur zusammen mit Rainer Kircher, dem höchst erfahrenen Führer der Niederbachemer Löschgruppe, betreten.

Nicht nur die gesellschaftlichen Veränderungen stellen die Wachtberger Wehr vor große Herausforderungen sondern auch der Klimawandel...

Von Wirtz: Allerdings. Als wir das Jahrhundertunwetter 2010 in Wachtberg bewältigt hatten, habe ich zu Markus gesagt, dass das Schlimmste zum Glück hinter uns liegt. Dass dann noch zwei weitere Jahrhundertunwetter folgen sollten, konnte keiner ahnen.

Zettelmeyer: Aber wir haben viel dazu gelernt und grundlegende Konsequenzen gezogen. Nicht nur in Sachen Ausbildung und Einsatztaktik sondern auch bei der Ausrüstung. Heute ist jede Löschgruppe in der Lage, ihren Beitrag bei der Bewältigung von Unwetterlagen zu leisten. Wir haben dieses Kirchturmdenken in der Gemeinde komplett hinter uns gelassen.

Der einstige Streit mit der Löschgruppe Villip, der kreisweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, ist auch überwunden?

Zettelmeyer: Ich denke schon. Der strittige Punkt, die Lärmbelästigung der Nachbarn, ist dauerhaft geklärt. Daher gehe ich davon aus, dass wir auch weiterhin mit der Viliper Löschgruppe gut und seriös zusammenarbeiten werden.

Wie heißen Ihre Nachfolger in Sachen Wehrleitung?

Von Wirtz (lacht): Ich nenne noch keine Namen, aber ich versichere Ihnen: Wir haben längst zwei geeignete Personen gefunden. Für den 9. April ist eine entsprechende Anhörung geplant. Der Hauptausschuss und der Rat müssen die Personalien dann noch absegnen.

Und wenn die Gremien wegen der Corona-Krise wieder nicht tagen können?

Zettelmeyer: Das wäre auch kein Problem. Nominell sind wir bis 31. Mai im Amt, notfalls manchen wir das auch noch länger.

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