60 Jahre Kleines Theater in Bonn Walter Ullrich macht Godesberger Bühne erfolgreich

Bad Godesberg · Vor 60 Jahren feierte Walter Ullrich die erste Premiere im Kleinen Theater mit der „Rückkehr von den Sternen“. Der Gründer leitet das Haus, das sie zunächst an der Ubierstraße befand, bis heute.

Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Im Gegenteil. Als Walter Ullrich vor 60 Jahren auszog, um in Bad Godesberg sein Kleines Theater zu gründen, bekam er Gegenwind. Viel Gegenwind. Stadtdechant und Stadtdirektor hatten für Schauspieler nichts übrig und wollten über die Baugenehmigung verhindern, dass sich am 21. Oktober 1958 im Kellertheater in der Ubierstraße zum ersten Mal der Vorhang hob.

Als sie damit keinen Erfolg hatten, in einer Stadtratssitzung sogar mit einer Lüge konfrontiert wurden, ging auf einmal alles ganz schnell. „Wir haben die Genehmigung erhalten, wurden aber von den Stadtoberen ignoriert“, erinnert sich der heute 87-jährige Ullrich. Und dass, obwohl schon das Eröffnungsstück „Rückkehr von den Sternen“ von André Obey von Anfang an ein großer Erfolg war, dem viele weitere folgen sollten. Bis heute.

Trotzdem gaben die Stadtväter keine Ruhe. Bauliche Auflagen wurden gemacht. Würden diese nicht erfüllt, müsse das Kellertheater schließen. Das wollte Ullrich so nicht hinnehmen – und dachte sich etwas aus. Fortan gab es nur noch Privatvorstellungen für Vereinsmitglieder. Wobei jeder Mitglied wurde, der eine Karte kaufte.

1959 zählte das Ensemble sieben Schauspieler

Am Ende des Abends wurde der Verein wieder aufgelöst, nur um vor der nächsten Vorstellung erneut gegründet zu werden. „Lange ging das allerdings nicht gut“, sagt Ullrich. Die Auflagen mussten also erfüllt, das Theater kurzfristig geschlossen werden. Am 9. Januar 1959 aber hob sich der Vorgang erneut – mit der Komödie „Kennen Sie die Milchstraße?“.

Sieben Schauspieler zählte das Ensemble damals, 89 Plätze standen den Zuschauern zur Verfügung. Das sollte bald nicht mehr reichen. So gab Ullrich von Anfang Gastspiele, trat mit seinem Kleinen Theater in Städten in der näheren und weiteren Umgebung auf.

Es kam zu Erst- und Uraufführungen, bekannte Schauspieler gaben sich die Klinke in die Hand: Heide Keller trat auf, genau wie Lucie Englisch, Marika Rökk oder Albrecht Schoenhals. Doch irgendwann ging es in den Katakomben an der Ubierstraße nicht mehr. „Früher war sie eine Straße mit wunderschönen Bäumen. Dann wurde Bonn die Hauptstadt, und die Straße wurde verbreitert“, erzählt Ullrich. Auf einmal lag sie nur noch anderthalb Meter von den Fenstern des Theaters entfernt, und es wurde bei den Vorstellungen zu laut. „Spielen war dann einfach unmöglich.“

Das war der Punkt, an dem Ullrich eigentlich Schluss machen wollte. Doch das ließen die Godesberger nicht zu. Ein Theaterbauverein gründete sich. Sein Ziel: Das Kleine Theater in Bad Godesberg zu halten.

Der Intendant investierte sein privates Vermögen

Nach einigen skurrilen Ideen – ein Vorschlag war, unter dem großen Saal der Stadthalle eine Bühne zu installieren – kam dann gerade noch rechtzeitig die Lösung. Die Gebietsreform stand bevor, Bad Godesberg sollte 1969 von Bonn eingemeindet werden. So stand das alte Bürgermeisterhaus im Kurpark leer. In der letzten Bad Godesberger Stadtratssitzung erhielt Ullrich den Zuschlag. „Ich musste den Umbau selbst bezahlen, dafür gab es kaum Miete“, so der Intendant.

Er investierte sein privates Vermögen in das Haus. „Ich war damals ein gut verdienender Filmschauspieler“, sagt der 87-Jährige. Außerdem habe er Geld gespart, in dem er die meisten Stücke selbst inszeniert und selbst gespielt habe. Die Investition hat sich gelohnt: Durchschnittlich acht Inszenierungen werden pro Jahr im Kleinen Theater gezeigt, hinzu kommt ein Märchen. In 60 Jahren macht das rund 540 Stücke.

Ullrichs Erfolgsgeschichte neigt sich nun langsam dem Ende zu – zumindest, was das Kleine Theater angeht. Im Juni 2019 ist nach 60 Jahren Schluss. Wie es weitergeht, steht indes noch nicht fest. Derzeit gibt es zwei Bewerber, die das Haus weiterführen wollen. In den nächsten Tagen stehen Gespräche mit der Stadt an.

Der 87-Jährige geht auf jeden Fall mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Er liebe seine Aufgabe, „aber körperlich bin ich nicht mehr so fit, um diese schwierige zeit- und kraftaufreibende Position auszufüllen“. Das ist wohl auch der Grund, warum er zeitgleich die Leitung der Landesbühne Rheinland-Pfalz im Neuwieder Schlosstheater aufgibt. Dieser ist er immerhin 40 Jahre lang treu geblieben. Aber verabschiedet sich nicht ganz: Im Herbst 2019 ist er dort als Schauspieler zu sehen.

Ullrichs Herz schlägt auch weiterhin fürs Kleine Theater: „Es ist mein Lebenswerk“, sagt er. Auch wenn er anfangs nicht gedacht hätte, „dass ich so lange durchhalte“. 60 Jahre als Intendant seines selbst gegründeten Theaters tätig: Das ist in der Theatergeschichte wohl einmalig. „Wenn ich in die Annalen eingehe, dann damit“, sagt Ullrich. Dass das geschehen wird, steht für die Bad Godesberger wohl außer Frage. Auch wenn es, wie gesagt, eine Liebe auf den zweiten Blick war.

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