Caritas Bonn ist im Einsatz und betreut Alte und Kranke Wenn zu Pflegende Suizidgedanken quälen

Bad Godesberg · Auch ambulante Pflegedienste in Godesberg wissen von Fällen, in denen Kranke und Hilflose lebensmüde werden – und pflegende Angehörige daran verzweifeln. Und wenn es plötzlich Fälle von Suizidversuchen Pflegebedürftiger gibt, gibt es eine Anlaufstelle, die Angehörige kontaktieren können.

 Dagmar Eschbach von der Caritas kümmert sich auch um pflegebedürftige Menschen, die suizidgefährdet sind.

Dagmar Eschbach von der Caritas kümmert sich auch um pflegebedürftige Menschen, die suizidgefährdet sind.

Foto: Benjamin Westhoff

Es ist ein Tabuthema, wenn pflegebedürftige Menschen irgendwann auf Suizidgedanken kommen. Und sich dann auch die Angehörige mit deren Lebensmüdigkeit auseinandersetzen müssen. Dann heiße es, beruhigende Gespräche mit den gefährdeten Kranken zu führen, erklärt Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP).

Angehörige müssten die Verzweiflung des Gepflegten mit aushalten: dass die Krankheit unaufhaltsam fortschreitet, dass die geistigen und körperlichen Kräfte nachlassen, dass totale Hilflosigkeit droht und dass alle sozialen Kontakte verloren gehen könnten. „Auch in diesem Kontext sollten daher pflegende Angehörige stärker als Zielgruppe für entsprechende Entlastung und professionelle Unterstützung verstanden werden“, fordert Suhr, dessen gemeinnützige Stiftung entsprechende Projekte wissenschaftlich unterstützt.

Unter den ambulant versorgten Menschen gibt es etwa fünf Prozent mit Suizidgedanken

Nachgefragt bei Godesberger Zentren ambulanter Pflege bestätigt Caritas-Sprecherin Mechthild Greten, dass die Einsatzteams immer wieder in Haushalten vereinzelt auf pflegebedürftige Menschen träfen, die Suizidgedanken quälten. „Darunter sind insbesondere hochbetagte Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen Lebensmüdigkeit entwickeln“, so Greten. Oder die wegen langfristig extrem starker Schmerzen unter Depressionen litten. Unter den Menschen, die ambulant versorgt werden, gebe es etwa fünf Prozent mit Suizidgedanken, schätzt Greten. Derzeit sei der Caritas jedoch unter den älteren von ihr zu Pflegenden keine suizidgefährdete Person bekannt. „Ein junger Mann, der unter starken Depressionen litt, verstarb vor gut einem Jahr“, erinnert sich die Caritas-Vertreterin.

Von den Pflegestationen in der Pfarrer-Minartz-Straße und Bernkasteler Straße aus fahren die ambulanten Pfleger im Stadtteil derzeit 340 Patienten an. „Als christlicher Wohlfahrtsverband sind wir hier selbstverständlich in einer humanitären Verantwortung“, betont Greten. Man biete immer Gespräche an. Ein offenes Ohr für Nöte zu haben, gehöre zum Grundverständnis des Verbands. „Seelsorgerische Gespräche sind eine weitere Möglichkeit, die die Ambulante Pflege vermitteln kann“, sagt die Caritas-Sprecherin. Zudem habe man in Zusammenarbeit mit der Bürgerstiftung Rheinviertel und den Ordensschwestern im Viertel eine Palliativpflege sowie ambulante Demenzhilfen organisiert.

Mitarbeiter besuchen Tag für Tag Menschen, die den ganzen Tag keine weiteren sozialen Kontakte haben

Betroffenen zur Seite stünden etwa auch die Pflegeselbsthilfe Bonn des Paritätischen Wohlfahrtsverbands und das Bonner Haus der Altenhilfe, so Greten. In plötzlichen Fällen von Suizidversuchen Pflegebedürftiger sollten die Angehörigen die Akut-Ambulanz der LVR-Klinik kontaktieren. Und die Caritas-Vertreterin rät pflegenden Angehörigen: „Sie sollten auf jeden Fall den pflegebedürftigen Verwandten zuhören, präsent sein und Mitgefühl zeigen.“

Die Kollegen der ambulanten Pflege des Diakonischen Werks versorgen aktuell medizinisch und pflegerisch in Godesberg 90 Klienten. Dazu erhalten weitere 40 Pflegebedürftige zu Hause Beratungsbesuche. Das Team des Pflegezentrums an der Godesberger Allee treffe dabei einerseits auf Menschen, die nur medizinische Leistungen benötigten und ansonsten durch pflegende Angehörige oder Nachbarn weiterhin gut in ihrem Alltag integriert seien, erläutert Diakonie-Sprecherin Andrea Hillebrand. Aber ebenso besuchten die Mitarbeiter Tag für Tag Menschen, die den ganzen Tag keine weiteren sozialen Kontakte hätten. „Das ist eine große Verantwortung für unsere Pflegekräfte: zu wissen, wenn sie die Tür hinter sich zuziehen, bleibt der Mensch dahinter oftmals für den Rest des Tages allein.“

Einsamkeit im Alter kann die ambulante Pflege nicht allein schultern

In der Zeit, in der die Pflegekräfte vor Ort seien, müssten sie also zugewandt und aufmerksam bleiben. „Sie haben den Menschen im Blick und handeln, wenn Anlass zu Sorge besteht“, betont die Diakonie-Sprecherin. Bei Bedarf nähmen sie Kontakt zu den Angehörigen oder nach Rücksprache zum behandelnden Arzt auf. „Wenn die Person einverstanden ist, stellen wir Kontakte innerhalb der Kirchengemeinde her“, fährt Hillebrand fort. Etwa zum Besuchsdienstkreis oder zum Pfarrer. „In Lockdown-Zeiten haben wir zu sogenannten Wortspenden aufgerufen, um den Menschen Briefe bringen zu können.“

Einsamkeit im Alter könne die ambulante Pflege aber nicht allein schultern, und damit auch nicht das Risiko eines Suizids, sagt Hillebrand. „Vor allem nicht in Zeiten, in denen wir zu wenige Kräfte haben, um alle Menschen, die den Bedarf haben, überhaupt versorgen zu können.“ Letztlich müssten die Pflegestationen auch darauf achten, ihre eigenen Mitarbeitenden zu stärken, um den Umgang mit belastenden Situationen meistern zu können. Es blieben also große gesellschaftliche Fragen, die es zu beantworten gelte: „Wie gehen wir mit den alten und schwachen Menschen um? Und wie kann es uns gelingen. Selbstgefährdung zu verhindern?“

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