Interview mit Annette Schwolen-Flümann "Wir geben die Kammerspiele nicht auf"

Bad Godesberg · Annette Schwolen-Flümann ist seit etwas mehr als zehn Jahren Bezirksbürgermeisterin von Bad Godesberg. Im Interview spricht sie über drängende Fragen in ihrem Stadtbezirk.

Sie sind seit zehn Jahren im Amt. Was ist Ihnen als besonders positiv in Erinnerung geblieben?
Annette Schwolen-Flümann: Das Positive ist das bürgerliche Engagement. Die vielen Menschen, die den Stadtbezirk mit ihrem Wirken nach vorne bringen wollen. Nicht nur in dem Bereich, in dem soziales Engagement gefragt ist wie der Bürgerstiftung Rheinviertel oder dem künftigen One World Café, sondern auch bei der Sanierung der Michaelskapelle. Auch im Bereich Integration sind deutsche und nicht deutschstämmige Menschen sehr aktiv unterwegs.

Und was war negativ?
Schwolen-Flümann: Das Einmischen von Menschen, die nur destruktiv sind und nur schimpfen. Diese ewig gestrige Diskussion um Bad Godesberg, die uns nicht weiterbringt. Ich rede lieber mit und über die Menschen, die in die Zukunft schauen.

Wenn Sie lieber über die Zukunft sprechen - haben Sie denn Vorsätze für das neue Jahr?
Schwolen-Flümann: Ich halte nichts von Vorsätzen. Wir setzen die Arbeit, die wir erfolgreich im vergangenen Jahr beendet haben im kommenden Jahr fort. Ich kann Ihnen verkünden, dass am 13. Februar die Baustelle Koblenzer Straße eingerichtet wird. Das ist für mich die beste Nachricht im neuen Jahr. Dass wir vorangehen und diese zähe, lange Diskussion zum Abschluss kommt.

Stichwort Koblenzer Straße: Es war ein langes Ringen bis zur Neugestaltung. Müssen sich die Bürger darauf einstellen, dass Maßnahmen stets erst nach Jahren umgesetzt werden?
Schwolen-Flümann: Es ist nicht einfacher geworden. Es ist richtig, dass sich die Menschen heute deutlich mehr einbringen, und das ist auch gewollt. Wir als Politiker sind mit den Bürgern im Gespräch und wollen die Projekte mit ihnen gemeinsam umsetzen. Vielleicht hat es dadurch, dass wir gerade bei der Koblenzer Straße viel diskutiert haben, viele Bürgerversammlungen durchgeführt haben, länger gedauert. Heute sind die Prozesse auch dadurch verlangsamt, dass man intensiver mit Bürgern spricht.

Die Bürger reden mit. Da kommt immer wieder das Thema Sicherheit in Bad Godesberg hoch. Es wird kritisiert, dass Politik und Stadt das Thema verharmlosten.
Schwolen-Flümann: Ich habe das Thema nie verharmlost, weil das eine Sorge der Menschen ist und war. Man muss sagen, dass auch Privatinitiativen wie Stadtmarketing aktiv geworden sind, dass Polizei und Stadtordnungsdienst unterwegs sind. Viele Menschen in Bad Godesberg beschäftigen sich mit dem Thema. Ich glaube, dass wir durch die Gesamtdiskussion viel gelernt haben.

Was wäre das zum Beispiel?
Schwolen-Flümann: Dass wir gerade jungen Menschen eine Perspektive eröffnen müssen. Sprachförderung ist ebenfalls sehr wichtig, das unterstützen wir zum Beispiel aus Stiftungsmitteln viel stärker. Wir sind in den Schulen deutlich mehr unterwegs. Durch die Vernetzung der Institutionen ist uns gelungen, für eine gute Sicherheit in Bad Godesberg zu sorgen. Und: Die Öffentlichkeit ist für das Thema sensibler geworden.

Aber die Zahl der Straftaten steigt. Wie schätzen Sie die Sicherheitslage ein?
Schwolen-Flümann: Das ist ein Polizeithema. Gegen Bandenbildung kann ich auch nichts machen.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Einsatz der Polizei?
Schwolen-Flümann: Neben der guten Zusammenarbeit mit der Godesberger Wache fordern wir nach wie vor nachdrücklich mehr Polizei. Es ist nicht die Aufgabe der Bürger, sich hier zu schützen. Wobei man auch sagen muss, dass die Polizei ein wachsames Auge auf Bad Godesberg hat. So wie bei der großen Aktion gegen Einbruchskriminalität am Donnerstag.

Bad Godesberg gilt als Hochburg radikaler Islamisten. Wie konnte es aus Ihrer Sicht so weit kommen?
Schwolen-Flümann: Gegen die Salafisten kann ich als Bezirksbürgermeisterin nichts machen. Wir werden angesprochen und können wie bei der Moschee in Mehlem nur gucken, wie es mit den baurechtlichen Aspekten aussieht. Natürlich stecken mir die Ausschreitungen vom 5. Mai noch in den Knochen. Das ist etwas, was ich Bad Godesberg gerne erspart hätte.

Haben Sie eine Erklärung dafür, dass sich die radikalen Islamisten gerade in Bad Godesberg so wohl fühlen?
Schwolen-Flümann: Sie sind nicht nur in Bad Godesberg präsent. Man muss sagen, dass sie leider in ganz Bonn, so in der Nordstadt und in Beuel, unterwegs sind. Aber sie sind auch in Solingen, also überall. Aber Politik darf sich doch nicht nur auf die Radikalen auswirken. Es ist wichtig, dass wir über unsere integrativen Ansätze die gefährdeten Jugendlichen gerade wegholen von den Extremisten. Wir müssen ihnen eine Perspektive im Stadtbezirk bieten.

Also kein Anlass zur Kurskorrektur, sondern den bisherigen Weg noch intensiver zu beschreiten?
Schwolen-Flümann: Ja. Und zu hoffen, dass die Sicherheitsorgane die Situation im Blick haben.

Das Thema Haribo hat uns in den vergangenen Wochen beschäftigt. Was überwiegt, wenn Sie daran denken: Wehmut, Kampfeswille, Wut auf die Stadt?
Schwolen-Flümann: Leider ist bereits abgerissen worden, die Wehmut überwiegt. Wir sind mit der Wirtschaftsförderin hart ins Gericht gegangen. Aber der Umgang von Haribo mit der Stadt war auch nicht einwandfrei. Das Bauordnungsamt war präsent, hat der Firma die üblichen Bedingungen aufgezeigt. Zum Beispiel die Verkehrsbelastung. Ein Punkt ist auch, dass Haribo die Erlebniswelt völlig unterschätzt im Wert für sich selbst, für den Stadtbezirk und die Stadt Bonn.

Ein Blick auf die Kammerspiele: Da ist die Rede von einer Alternativlösung, falls der Spielbetrieb eingestellt wird. Wie kann man sich diese Lösung konkret vorstellen?
Schwolen-Flümann: Ich denke überhaupt nicht über eine Alternativlösung nach. Die Kulturschaffenden in dieser Stadt haben eine Idee aufgeschrieben, wie es 2020 sein könnte. Sie haben aber offenbar nicht damit gerechnet, dass Politik und andere noch ein Wörtchen mitzureden haben. Im Moment geben wir die Kammerspiele überhaupt nicht auf. Ich finde es auch schwierig, darüber zu diskutieren, so lange der neue Intendant noch nicht da ist. Ich bin nicht mehr bereit, mit dem alten Intendanten darüber zu reden. Herr Weise war der erste Intendant deutschlandweit, der ein Theater aufgeben wollte. Ich freue mich auf den neuen Intendanten, und dann wird die Diskussion sicherlich geführt werden müssen.

Was gefällt Ihnen in Bad Godesberg eigentlich besonders gut?
Schwolen-Flümann: Da fallen mir ganz viele Sachen ein. Die Nähe zum Rhein, die wunderbaren Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, das historisch Gewachsene. Aber auch die gute Versorgung mit Restaurants, wo man sich trifft. Der Sommer in Bad Godesberg, der ist ein wenig italienisch.

Zur Person:
Annette Schwolen-Flümann wurde vor 55 Jahren in Duisdorf geboren, wo sie auch zur Schule ging. Die gelernte Drogistin ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.

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