Der Rhein in Bonn Wo am Wasser Nachtigall und Sumpfrohrsänger zwitschern
Mehlem · Neben einer schönen Aussicht bietet das Rheinufer bei Mehlem auch eine Vielzahl an ökologischen Besonderheiten. Dazu gehören Goldrute und Kratzbeere, aber auch Nachtigall und Sumpfrohrsänger.
Welche anderen Argumente als den herrlichen Blick aufs Siebengebirge und das entspannt vorbeiströmende Gewässer bräuchte man, um eine Wanderung am Rhein bei Mehlem entlang vorzuschlagen? Dem Ornithologen Peter Tröltzsch von der Biologischen Station Bonn/Rhein-Erft fallen da noch andere Gründe ein, die er auf einem Rundgang erläutert.
Diese Wanderung kann überall in Mehlem beginnen, Tröltzsch wählt als Treffpunkt die Ecke Im Frankenkeller und Im Vogelsang. Von dort aus gelangt man direkt zum Rheinufer. Der Weg führt durch einen Überstauungsbereich, laut dem Fachmann Relikte der früheren Auen. „Das Wasser darf hier über die Ufer treten.“ Das hat Folgen: „Durch die Überstauung im Frühjahr und die Abtrocknung danach können sich bestimmte Pflanzengesellschaften etablieren.“
Große Gehölze findet man nur vereinzelt, überwiegend trifft man auf krautige Pflanzen, „sogenannte Stromtalarten, die immer mit der Wasserdynamik leben müssen“, erklärt Tröltzsch. Die Goldrute gehört dazu, ebenso wie die Kratzbeere, Schachtelhalm- und Zweizahnarten. Sie verbreiten sich über Verfrachtung durchs Hochwasser nach der Schneeschmelze und finden guten Boden an den Buhnen, den senkrecht vom Ufer in den Rhein gebauten Dämmen.
In diesen Zeiten, sagt der Vogelkundler, könne man dort auch Zugvögel auf dem Weg zu ihren Brutgebieten wie den Flussregenpfeifer und den Flussuferläufer antreffen. Theoretisch wären die Bedingungen auch gut, dass sie dort brüten, aber sie würden zu oft gestört, denn an schönen Tagen sind die Buhnen und die feinsandigen Buchten dazwischen beliebte Ausflugsziele, oft werden dort auch Hunde von der Leine gelassen. „Zu bestimmten Zeiten wäre es schön, wenn einige Buhnen nicht öffentlich zugänglich wären“, wünscht sich Tröltzsch.
Gute Brutbedingungen bringen auch die Weiden mit sich, die aus dem Wasser ragen. Wenn der Rhein längere Zeit Niedrigwasser führt – und das war in den vergangenen drei trockenen Jahren oft der Fall –, lassen sie sich dort am Ufer nieder. Aber ob sie sich halten können, ist ungewiss, denn das steigende Rheinwasser unterspült die Wurzeln. Einige Bäume aus dieser Familie haben es in früheren Jahren geschafft. Tröltzsch zeigt eine ungewöhnliche Silberweide: Sie wurzelt im stabileren Uferbereich, ragt aber in einem fast unmöglichen Winkel über das Wasser hinaus.
In der Nähe sucht ein Teichhuhn nach Nahrung, nicht unbedingt der rarste Wasservogel, aber Tröltzsch freut sich über diese Sichtung. Etwas weiter stromaufwärts gibt es bessere Bedingungen für einige Vogelarten: Eine große Graureiherkolonie lebt auf der Insel Nonnenwerth, auch der Gänsesäger, eine Entenart, kann dort im Winter beobachtet werden. Aber auch der Kormoran und die Schwarzweihe sowie der Eisvogel und einige Möwenarten. Möglich wird das durch eine Besonderheit dieser Insel: „Sie ist eine der wenigen Rheininseln, die auf der Südseite natürlich belassen sind.“ Dadurch könne sich dort Material ablagern, das gute Bedingungen für Vögel schafft.
Zurück auf den Uferweg: In der dortigen Hecke mit Weißsanddorn und Hagebutte finden Vögel auch im Winter Futter. Die Klappergrasmücke brütet dort, und es ist einer der wenigen Orte in Bonn, wo man noch die Nachtigall singen hören kann, sagt Tröltzsch. Hopfen ist eine typische Auenart, das gelb blühende Leinkraut liebt Schuttablagerungen in Auen. Hinter der Hecke beginnt die Genienaue mit dem gleichnamigen Campingplatz. Auch die saftige Wiese weiter südlich gehört dazu, eine Retentionsfläche für die Siedlung, im Frühjahr ist sie mitunter überflutet. „So etwas brauchen wir“, sagt Tröltzsch, auch mit Verweis auf die Überschwemmungen in der Eifel: „Freiflächen, auf denen dem Strom die Kraft genommen wird.“
Vorbei geht es an einer großen Gestrüppfläche mit vielen Brennnesseln, die sich bis zur Grenze nach Rheinland-Pfalz zieht. Der Sumpfrohrsänger fühlt sich darin wohl. Man kann fast beliebig auf dem Weg weitergehen, wenn man will, auch bis zum Rolandsbogen für Kaffee und Kuchen – und dann über den Rodderberg zurück, eine lange Strecke. Oder man wählt den Feldweg, der an einer Streuobstwiese – die laut Tröltzsch dringend einen Rückschnitt bräuchte – und am Campingplatz vorbei zurück nach Mehlem führt. Dort gibt es den Biergarten Waidmannsruh für eine Einkehr. Vielleicht hat man auch die Wanderung im Weinhäuschen an der Mehlemer Fähre begonnen und will sie dort beenden.
Die Landschaft in Bad Godesberg und Wachtberg ist beeindruckend: Man geht durch Hohlwege, über einen Vulkankraterrand, über eine lebendige Weidefläche im Kottenforst, wandert auf der Apfelroute und an einem besonderen Biotop vorbei. Die GA-Reihe, die mit dem Rundgang am Rhein endet, hat gezeigt, dass sich auch ein Blick in die Tiefe dieser Naturhotspots lohnt.