Poetry-Slamer in Bad Godesberger Kirche Wortakrobat begeistert Publikum in der Immanuelkirche

Heiderhof · Wortakrobatik gab es in einem besonderen Gottesdienst in der evangelischen Immanuelkirche in Heiderhof. Pfarrer Tobias Mölleken überließ dem Wortkünstler und Poetry-Slammer Julius Esser aus Brühl in der Veranstaltungsreihe „Glanzlichter“ das Mikrofon.

 Mit seinem Auftritt in der Heiderhofer Immanuelkirche hat Poetry-Slammer Julius Esser aus Brühl sein Publikum begeistert.

Mit seinem Auftritt in der Heiderhofer Immanuelkirche hat Poetry-Slammer Julius Esser aus Brühl sein Publikum begeistert.

Foto: Jakub Drogowski

Einen Gottesdienst der besonderen Art veranstaltete am Samstagabend die evangelische Johanneskirchengemeinde Bad Godesberg. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Glanzlichter“ überlies Pfarrer Tobias Mölleken überwiegend dem Wortkünstler und Poetry-Slammer Julius Esser aus Brühl das Mikrofon, der seine Redezeit in der Immanuelkirche eindrucksvoll zu nutzen wusste. Musikalisch begleitet wurde der Abend von den beiden Musikerinnen Annette Ferber und Johanna Hermann an Klavier und Violine. 

Sorgen, dass das unkonventionelle Programm für den Wortgottesdienst zum dritten Advent von manchen Teilnehmern als unpassend aufgenommen werden würde, habe er sich im Vorfeld nicht gemacht, verriet Mölleken. Die freundlichen Gespräche mit Gemeindemitgliedern im Anschluss an den Gottesdienst bestätigten die Auffassung des Pfarrers. Bemerkungen wie „mal etwas anderes“ oder „genau das Richtige im Augenblick“ standen stellvertretend für allgemein positive Rückmeldungen, die Mölleken erhielt.

Worte sollen zum Nachdenken anregen

Das Risiko, von einem Poetry-Slammer die „Show gestohlen zu bekommen“, sei der Theologe dabei bewusst eingegangen, wie er zu Beginn der knapp eineinhalbstündigen Veranstaltung sagte. „In diesem Gottesdienst wollen wir Worte hören, die uns zum Nachdenken anregen, humorvoll stimmen und auf jeden Fall unterhalten. Das können Poetry-Slammer in der Regel ja ziemlich gut“, sagte Mölleken. Esser bestach durch eine gestenreiche Darbietung seiner selbstverfassten Texte, in denen er gekonnt mit Worten jonglierte. So etwa in seiner doppeldeutigen Ode an das Wort „Vielleicht“. Diese ließ er mit der Erkenntnis „manchmal macht es ein ‚Vielleicht’ viel leichter“ enden und sorgte für Amüsement bei den etwa 35 Gottesdienstteilnehmern.

Bei Wortspielen beließ es der studierte Germanist und Linguist jedoch nicht und ließ eine kleine Gesangseinlage folgen. Textpassagen aus dem Ärzte-Song „Deine Schuld“ nutzte er, um das Thema Umweltschutz in den Fokus zu rücken und an die Verantwortung des Einzelnen zu appellieren.

Leserbrief an die Zeitschrift Landlust

Die meisten Lacher hatte das einstmalige „Dorfkind“ Esser spätestens auf seiner Seite, als er aus einem selbstverfassten Leserbrief an die Zeitschrift Landlust vorlas. Seinen ausdruckstarken Vortrag über die Missverständnisse und Vorurteile des Landlebens goutierte das Publikum mit ausgelassenem Applaus, ehe es zum Abschluss mit dem „Vater unser“ noch einmal andächtig wurde.

Mölleken hatte nicht zum ersten Mal Poetry-Slammer zum Gottesdienst eingeladen. Bereits während seiner Zeit in der Endenicher Trinitatskirche hatte er zur Auflockerung auf die Sprachfertigkeiten verschiedener Künstler zurückgegriffen. Zudem ließ es sich der musikbegeisterte Pfarrer nicht nehmen, eine Instrumentalversion des Beatles-Hits „Imagine“ auf dem Klavier vorzutragen, während die stellvertretende Vorsitzende des Presbyteriums, Wiebke Bokranz, die Andacht hielt.

Künstler mit 20 Jahren Bühnenerfahrung

Der ehemalige Bonner Student Esser, der mittlerweile auf eine 20-jährige Bühnenerfahrung zurückblicken kann, freute sich über diese Möglichkeit, in der Immanuelkirche vor Publikum aufzutreten. „Eigentlich habe ich persönlich mit Kirche nicht viel am Hut. Ich bin selbst ehemaliger Katholik”, scherzte er. „Aber seit Ausbruch der Pandemie habe ich Kirchen als Alternative zu den noch immer geschlossenen Bühnen sehr zu schätzen gelernt. Es waren immer schöne Abende“, erklärte Esser, der Mölleken bereits vor mehreren Jahren bei einer Kleinkunstveranstaltung kennengelernt hatte.

Interessierte können sich den per Video im Internet übertragenen und aufgezeichneten Auftritt auf der Internetseite und dem Youtube-Kanal der Gemeinde ansehen. Dort wird auch der Gottesdienst an Heiligabend live zu sehen sein. Die nächste „Glanzlichter“-Veranstaltung soll am 12. Februar unter dem Thema „Heimatlos mit drei Heimaten“ in der Immanuelkirche stattfinden. „Wir bieten mit den ‚Glanzlichtern’ ganz bewusst andere Formen von Gottesdiensten an, um möglichst viele Menschen zu erreichen“, sagte Prädikant Hans-Georg Kercher. 

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