Väter in Elternzeit Beruf: Papa

Bonn gehört bei den sogenannten Vätermonaten zu den Spitzenreitern. Die meisten gehen nach zwei Monaten zurück in den Job.

Väter in Elternzeit: Beruf: Papa
Foto: Volker Lannert

Bonn. Die Sonne scheint durch die hohen Fenster der Bonner Altbau-Wohnung. Im Hintergrund läuft leiser Gitarren-Pop. Helena, 14 Monate, sitzt friedlich auf ihrer Krabbeldecke und räumt einen Korb mit Spielzeug aus. Andreas Petermeier hat die Lage im Griff. "Wenn sie mal schreit, weiß ich, was zu tun ist", sagt der 37-Jährige.

Seit vier Monaten betreut Petermeier seine Tochter, während die Mutter wieder arbeitet. Stressig findet der Gymnasiallehrer seinen Papa-Job nicht. Im Gegenteil. Er schwärmt von der "innigen Bindung", von Entwicklungsschritten, die er beobachten kann und ist stolz auf das freudige Baby-Geplapper, mit dem Helena ihre Umwelt kommentiert. "Für uns stand von Anfang an fest, dass ich auch Elternzeit nehme", sagt Petermeier. "Eigentlich gehört das in unserem Bekanntenkreis schon fast zum guten Ton."

Andreas Petermeier ist geradezu ein Paradebeispiel. Besonders häufig nehmen Väter Elternzeit, die gut ausgebildet und unbefristet angestellt sind, die in größeren Betrieben oder im Öffentlichen Dienst arbeiten und ein mittleres oder hohes Familieneinkommen erzielen.

Das ist das Ergebnis einer Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI).

Elterngeld Das Elterngeld ist ein Lohnersatz für Mütter und Väter, die nach der Geburt eines Kindes ihre Berufstätigkeit unterbrechen oder reduzieren. Es wurde 2007 in Deutschland eingeführt und beträgt maximal 67 Prozent des durchschnittlichen Netto-Monatsgehaltes der letzten zwölf Monate.
Die Höchstgrenze liegt bei 1 800 Euro, das Minimum bei 300 Euro pro Monat. Seit Anfang des Jahres gelten bei Monatsnettoverdiensten von mehr als 1 200 Euro leichte Abstriche. Die staatliche Leistung wird bis zu 14 Monate gezahlt. Ein Elternteil kann sie aber längstens ein Jahr in Anspruch nehmen. Die weiteren zwei Monate gibt es nur, wenn dann der Partner das Kind betreut. Da das meistens der Vater ist, werden diese Monate oft Vätermonate genannt. Alleinerziehende Väter und Mütter erhalten 14 Monate Elterngeld. Wenn die monatliche Leistung halbiert wird, kann der Auszahlungszeitraum auf Wunsch auch verdoppelt werden.
Wer Hartz-IV-Leistungen, Sozialhilfe oder Kinderzuschlag bekommt, erhält seit Jahresbeginn 2011 kein Elterngeld mehr, auch nicht den Mindestbetrag von 300 Euro. (dpa/sd)Auch der Beruf der Frau spielt bei der Entscheidung laut Studie eine große Rolle: "Ist die Partnerin Vollzeit erwerbstätig, erhöht sich die Chance, dass der Vater in Elternzeit geht, um etwa 150 Prozent", heißt es in einer Mitteilung des Forschungsinstituts.

Die anfangs als "Wickelvolontariat" verspotteten sogenannten Vätermonate beim Bezug des Elterngelds werden genutzt. Bei jeder fünften Familie, in die 2008 ein Kind geboren wurde, blieb nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Papa zu Hause.

Bonn gehörte mit einem Väteranteil von 22,8 Prozent bundesweit zu den Spitzenreitern. Im Rhein-Sieg-Kreis (18,3 Prozent) und dem Kreis Ahrweiler (18,5 Prozent), zeigten sich die Männer zurückhaltender.

Für drei Viertel der Väter ist laut Familienreport 2010 der Bundesregierung jedoch nach zwei Monaten Schluss mit dem Dienst am Wickeltisch. Andreas Petermeier wechselt nach vier Monaten von der Krabbelgruppe zurück ins Klassenzimmer. Helena geht in die Kita, ihre Mutter arbeitet weiter in ihrer 75-Prozent-Stelle als Lehrerin. "Ein seltsames Gefühl" sei es, vor dem Ende der Elternzeit zu stehen, sagt Petermeier. Aber er freue sich auch auf die Kontakte zu Kollegen und Schülern.

Stefan Bendel aus Bad Neuenahr-Ahrweiler hätte gerne ein ganzes Jahr Elternzeit genommen. Daraus sind zwei mal zwei Monate geworden, die er nach der Geburt seines vierten Kindes zu Hause verbringt. "Ich wollte, dass der Betrieb nicht darunter leidet", sagt der Betriebsleiter eines Zustellstützpunktes der Post.

Seine berufliche Auszeit als Vater habe er langfristig mit seinem Vorgesetzten abgesprochen, "und da gab es auch keinerlei Probleme". Für den 41-Jährigen ist die Zeit mit der Familie "ein wichtiges Stück Lebensqualität". Er unterstützt seine Frau, die nicht arbeitet. "Ein Luxus", findet Bendel, "sozusagen Heimaturlaub", bei dem der Vater nicht nur füttert und wickelt, sondern auch mal den Balkon renoviert. Den Kontakt zu den Kollegen hält er auch in der Elternzeit: "Wir telefonieren mehrmals pro Woche."

Bei der Deutschen Post AG nehmen nach Angaben eines Sprechers tendenziell weniger Beschäftigte Elternzeit. Dabei steige jedoch der Anteil der Männer. Konkrete Zahlen will der Konzern nicht nennen. Bei der Telekom sind nach Unternehmensangaben ein Viertel der Mitarbeiter, die länger als zwei Monate Elternzeit nehmen, Männer. "Darunter auch Führungskräfte", wie ein Sprecher betont. Das Bonner Telekommunikationsunternehmen hat sich moderne Arbeitsformen auf die Fahnen geschrieben. "Sich um seine Familie zu kümmern und dafür bewusst Zeit zu investieren, kann und darf kein Makel mehr sein", fordert Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger.

Nicht allen Vätern wird der Ausstieg auf Zeit leicht gemacht. "Zum ersten Mal habe ich meinen Chef sprachlos gesehen", berichtet ein Manager, der anonym bleiben möchte, von seinem Antrag auf Elternzeit bei einem mittelständischen Unternehmen. Während die Elternzeit Müttern selbstverständlich gewährt würde, habe er für seine aktive Vaterrolle kämpfen müssen. Mobbing inklusive. In Konferenzen wurde er in Abwesenheit von den Geschäftsführern mit "Mama" tituliert. Beim zweiten Kind verzichtete er auf Elternzeit.

Trotz solcher Probleme: Die Bundesregierung sieht durch die Vätermonate einen "starken kulturellen Wandel" in Deutschland. Rund vier Milliarden Euro gibt der Staat jedes Jahr für Elterngeld aus. Mehr soll es nicht werden. Eine im Koalitionsvertrag von Union und FDP ursprünglich geplante Verlängerung der sogenannten Partnermonate, von der wohl vor allem die Väter profitiert hätten, wurde im April erst einmal auf Eis gelegt.

Dabei könnte der "kulturelle Wandel" bei den Vätern offenbar durchaus noch Anschub vertragen. An der Aufteilung der Aufgaben innerhalb der Familie hat sich nämlich trotz "Wickelvolontariat" kaum etwas geändert.

"Familienarbeit ist noch immer überwiegend Frauensache: Zwei Drittel der Frauen erledigen nahezu vollständig die Familienarbeit", heißt es im Familienreport 2010 der Bundesregierung. Die Studie hat ergeben: Mama putzt, kocht und erzieht die Kinder. Papa repariert den Computer und bringt ab und zu den Müll raus. Auch Anreas Petermeier und Stefan Bendel steigen nach den Vätermonaten wieder Vollzeit in ihre Berufe ein. Die Mütter bleiben zu Hause oder arbeiten in Teilzeit.

Was wird aus der neuen Rollenverteilung? Vielleicht gibt es sie wirklich, die "verwirrten Väter", über die der Vater, Grünen-Politiker und Buchautor Robert Habeck aus Schleswig-Holstein schreibt. "An junge Väter werden widersprüchliche Ansprüche gestellt", sagt der 41-jährige Vater von vier Kindern. "Sie sollen einerseits Zeit für die Kinder haben und für die Familie da sein, andererseits sehen sie sich nicht zuletzt selber immer noch in der Rolle des Ernährers."

Zwar hätten sich Paare vor der Geburt eines Kindes oft auf eine partnerschaftliche Rollenaufteilung geeinigt. "Wenn das Kind dann da ist, arbeiten Väter dann in der Regel länger als vorher und sind karriereorientierter." Das Elterngeld habe zwar die gesellschaftliche Diskussion angestoßen, aber zwei Monate als Vollzeit -Vater seien nur ein "besserer Jahresurlaub".

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