5 Jahre "Kleines jüdischen Lehrhaus" Auf knappem Raum sind viele jüdische Geschichten Bonns zusammengetragen

OBERKASSEL · Das bargeldlose Zahlen geht auf einen Bonner zurück: 1798 eröffnete Salomon Oppenheim Junior die noch heute in Köln ansässige Bank und lieh Privatleuten Papierscheine, die sie bei seinen Bekannten in ganz Europa gegen Wertsachen einlösen konnten.

 Besonderheiten der Thora erklärt Eli Harnik (rechts) einem Gast im Jüdischen Lehrhaus.

Besonderheiten der Thora erklärt Eli Harnik (rechts) einem Gast im Jüdischen Lehrhaus.

Foto: Max Malsch

Geboren wurde er in der "Judengasse", auf deren Fundament heute das Hilton-Hotel an der Kennedybrücke steht. "Er ist einer von vielen Juden, die das Bonner Leben geprägt haben", sagt Gabriele Wasser. Seit fünf Jahren leitet sie als Vorsitzende des Trägervereins mit elf Ehrenamtlichen das "Kleine jüdische Lehrhaus" in Oberkassel.

Auf knappem Raum hat der Verein die jüdische Geschichte Bonns zusammengetragen, am Wochenende gab es einen Tag der offenen Tür. "Aber wir wollen keine Gedenkstätte sein, sondern das Judentum in seiner Historie lebendig machen", sagt Wasser.

Das funktionierte in den vergangenen zwei Jahren immer besser. Schulklassen fragen an, ob sie an einer der kostenlosen Führungen teilnehmen können. Dann wird vor einer originalen Urkunde von Kurfürst Joseph Clemens erzählt. Der Vorgänger von Clemens August räumte als erster den Bonner Juden Schutz ein. "Sie waren wichtig für ihn", sagt Wasser.

Als Kaufleute besorgten sie ihm Waren und Waffen und hielten somit das Hofgeschäft aufrecht. Trotzdem waren sie in der "Judengasse" wie in einem Ghetto eingesperrt und wurden von Soldaten bewacht. Das änderte sich erst, als nach der französischen Revolution Besatzer 1798 in das Rheinland einmarschierten und den Juden mehr Freiheiten gewährten.

"Deshalb konnte Oppenheim auch erst dann nach Köln übersiedeln und seine Bank gründen", so Wasser. Als einer der ersten Unternehmer erkannte er die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich durch die aufkommenden Aktiengesellschaften boten. So gründete er viele Unternehmen und stattete sie mit Geld aus, wie die Preußisch-Rheinische Dampfschifffahrtsgesellschaft, heute als Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt bekannt.

Viele Einrichtungen der Universität wurden ebenfalls von jüdischen Bürgern gegründet. Einige historische Schriftstücke und Publikationen liegen in den Vitrinen des Lehrhauses. So rief Emil Nathan Ungar die Bonner Gerichtsmedizin ins Leben. "Alfred Kantorowicz haben wir zu verdanken, dass es die Jugendzahnpflege gibt", sagt Wasser.

Der Mediziner Nathan Zuntz untersuchte, welchen Einfluss Höhe auf den Menschen hat. Sein Großvater hatte zuvor die Kaffeerösterei Zuntz aufgebaut. Weitere Unternehmen sind jüdischen Ursprungs: die Bonner Fahnenfabrik, der Kaufhof und die mittlerweile geschlossene Buchhandlung Bouvier.

Als Vordenker des Zionismus, in dem es um die israelische Staatsgründung geht, gilt der Bonner Moses Hess. "Im Lehrhaus wollen wir das Judentum nicht als Parallelgesellschaft zeigen, so wie es im Nationalsozialismus war", sagt Wasser. Die Juden seien immer in die Gesellschaft integriert gewesen. Die Nazis hätten versucht, diese Geschichte und Kultur auszulöschen.

"Das verstehen auch schon die jüngsten Lehrhausbesucher, die abseits des Klassenzimmers ganz neue Einblicke bekommen", sagt sie. Das "Kleine jüdische Lehrhaus", Königswinterer Straße 647, hat dienstags und donnerstags von 15 bis 18 Uhr und jeden ersten Sonntag im Monat geöffnet.

Informationen zum Lehrhaus auf www.rheinland-israel.de

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